Mit jedem Satz geht ein weiterer Hemdknopf auf und gibt italienischen Brustpelz frei. "Ich mache mir keine Sorgen wegen der Schweinegrippe", sagte Carlo Ancelotti einmal, als das Thema noch en vogue war. "Wegen des Rezepts meiner Großmutter: Heiße Milch mit Rotwein. Fantastisch."
Ancelotti im Porträt: Eleganz und Autorität
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Ancelotti ist für jahrhundertealte Hausmittel gut, für die größten Titel mit den berühmtesten Fußballklubs in den aufregendsten Städten und für eine Adrianocelentanohaftigkeit zum Niederknien.
Der FC Bayern kann sich auf einen Riesen freuen. Der neue Chefcoach atmet Eleganz und Autorität.
"Ich bin sehr geehrt, dass ich von der kommenden Saison an Trainer des großen FC Bayern sein werde", sagte Ancelotti nach der Einigung auf einen Vertrag bis 2019.
Ancelottis Erfolgsrezept
Um in München heimisch zu werden, wird er möglicherweise sein Erfolgsrezept aus früheren Stationen anwenden.
"Ich hatte nicht viel Zeit, mich einzugewöhnen", erzählte Ancelotti über seine Anfangszeit beim FC Chelsea. "Aber ich habe ein großartiges Restaurant gefunden. Das war das erste, was ich gemacht habe, als ich hier angekommen bin."
Das zweite, was er tat, war gewinnen. Mit dem Schritt ins Ausland wurde aus "Carletto" ein Welttrainer.
Da hatte er mit Milan bereits zweimal die Champions League gewonnen, kannte aber nur die Serie A, eine niedergehende Liga.
In England gereift
Mit 50 Jahren verließ er Italien zum ersten Mal und war überrascht von der Grobschlächtigkeit der englischen Milliarden-Liga. Ancelotti wusste Chelseas Abwehrriesen und die Fixierung auf Grätschen und Standardsituationen schnell für sich zu nutzen.
Seit seiner eher erfolglosen Zeit bei Juventus von 1999 bis 2001 hat er bei jedem Verein abgeräumt.
Erfolge mit dem AC Milan und Real Madrid
Zweimal Champions-League-Sieger und einmal Meister mit Milan, das erste Double aus Meisterschaft und FA-Cup der Vereinsgeschichte mit Chelsea, Meister mit Paris St. Germain, Champions-League-Sieger und Pokalsieger mit Real Madrid.
16 Titel holte er insgesamt als Trainer, 14 waren es als Spieler mit dem AS Rom und dem AC Milan gewesen.
Noch heute profitiert Ancelotti von seinem Spielverständnis als Regisseur vor der Abwehr, geformt von Nils Liedholm und Sven-Göran Eriksson in Rom sowie Arrigo Sacchi in Mailand.
Filmauftritt mit Terence Hill
Schon damals sog er die Süße aus dem Leben und tat, worauf er Lust hatte: 1983 etwa hatte er einen Auftritt im Terence-Hill-Streifen "Don Camillo".
In Italiens traditionell torarmer Liga spielte er meist bei den offensivstärksten Mannschaften. Catenaccio liegt ihm fern, er lässt einen auf Dominanz ausgelegten Boss-Fußball spielen.
Guardiolas FC Bayern vorgeführt
Der gekonnte Überfall liegt ihm aber genauso, bewiesen im Champions-League-Halbfinale 2014 auf dem Weg zum Titel mit Real Madrid. Nach einem hart erkämpften 1:0 im Hinspiel konterte seine Mannschaft den FC Bayern in der Allianz Arena grün und blau. Das 4:0 gegen Pep Guardiola ist eine der glänzendsten Stunden seiner Trainerlaufbahn.
Anders als der Spanier ist Ancelotti ein Opportunist. Zumindest lässt er seine Liebe zum Fußball-Purismus nicht derart heraushängen. Ancelotti arbeitete für Silvio Berlusconi, Roman Abramowitsch oder Nasser Al-Khelaifi; mancher Fan johlt bei dieser Liste vor Schmerz, Carletto nippt nach getaner Arbeit am Glas und lässt sich von seinen Siegermedaillen anstrahlen.
Ancelotti lässt Spieler machen
Er hat ein genaues Auge für seine Spieler, aber auf ganz andere Weise als Guardiola. Gibt es intern Zoff, greift er nur im äußersten Notfall ein. Die Spieler sollen das selbst regeln. Nie würde er wie Guardiola minutenlang auf einen einreden.
Seine Konformität macht Ancelotti extrem beliebt. Statt nach München hätte er auch zu so ziemlich jedem seiner Ex-Vereine gehen können. Wann immer in einer der Ancelotti-Metropolen wieder der Trainerposten frei ist, erinnert man sich gern an ihn.
Cristiano Ronaldo sehnt sich bei Real Madrid schon jetzt nach dem "Teddybären". Ancelotti besitzt große Autorität, allerdings mit unvergleichlicher Entspanntheit.
Biografie der Wurst gewidmet
Seine Biografie trägt den Titel "Preferisco la coppa" ("Ich bevorzuge den Pokal") – ein Wortspiel, bezeichnet "coppa" doch auch eine kräftige Wurst aus seiner Heimat im Norden Italiens. Eines der wichtigsten Wörter im Buch: Tortellini.
Womit wir auch wieder bei Genuss und Wein wären. Nach dem Titelgewinn mit Chelsea 2010 ließ er auf der Pressekonferenz wissen: "Nur einfache Fragen, bitte. Mein Wein-Pegel ist schon hoch."