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Schiedsrichter-Streit: Babak Rafati kritisiert Herbert Fandel und Hellmut Krug

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Schiedsrichter-Streit: Babak Rafati kritisiert Herbert Fandel und Hellmut Krug

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Rafati: "Irgendwann knallt es"

Der frühere Bundesliga-Schiri Babak Rafati spricht im SPORT1-Interview über den Machtkampf unter Deutschlands Schiedsrichtern. Er prangert die Bosse Fandel und Krug an.
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© SPORT1-Grafik: Getty Images/Imago/Paul Hänel
Sebastian Mittag
Sebastian Mittag
von Sebastian Mittag

Unter Deutschlands Eliteschiedsrichtern tobt ein erbitterter Machtkampf. Führende Referees wie Felix Brych oder Manuel Gräfe lehnen sich gegen die Bosse Herbert Fandel und Hellmut Krug auf. Letzterer fordert die Ablösung der Führungsspitze. Gräfe wirft Krug und Fandel Günstlingswirtschaft vor. 

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Einer, der die Schattenseiten des Schiedsrichterwesens kennt, ist Babak Rafati. 2011 versuchte der frühere Bundesliga-Schiedsrichter, sich das Leben zu nehmen. Sein Suizidversuch, sagt er, sei die Folge systematischen Mobbings der Schiedsrichter-Führung gewesen.  

Im SPORT1-Interview bewertet Rafati die aktuellen Vorwürfe gegen Fandel und Krug. Gleichzeitig zeigt der 47-Jährige einen Ausweg aus der Krise auf.

SPORT1: Herr Rafati, zurzeit gibt es großen Ärger um die Schiedsrichter-Bosse Hellmut Krug und Herbert Fandel. Können Sie die Kritik an deren Führungsstil nachvollziehen?

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Babak Rafati: Ich habe es ja selbst erlebt - und ich habe es am Ende überlebt. Damals wurde das als Einzelschicksal abgestempelt. Jetzt bestätigen andere Betroffene, dass es nicht so ist.

SPORT1: Können Sie beschreiben, was Sie selbst unter Krug und Fandel erlebt haben?

Rafati: Das war für mich systematisches Mobbing. Du wirst vor versammelter Mannschaft klein gemacht. Da wird vor einhundert Schiedsrichtern gesagt: 'Das ist nicht bundesligatauglich'. Wenn du Dich darüber beklagst, sagen alle nur: 'Mein Gott, ist der sensibel'.

SPORT1: Wie ging es nach ihrer Kritik weiter?

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Rafati: Drei Tage später wurde mir ein Spiel weggenommen. Nur weil ich mich geäußert und Fandel gefragt habe: 'Wer ist denn hier der Chef? Krug oder du?' Am Telefon hat er mir gedroht: 'Pass auf, das Geschäft verbrennt Leute." Ich habe Fehler gemacht, zu denen stehe ich auch. Aber wenn es heißt: 'Jeder darf einen Fehler machen, nur du nicht', geht das nur ins Persönliche.

SPORT1: Was genau lief beim DFB schief?

Rafati: Da sind so viele Dinge passiert. Beobachtungsnoten wurden korrigiert. Ich bekam Anrufe von Schiedsrichterbeobachtern, die sagten: 'Was ist denn los? Die beiden sagten, ich soll die Note nach unten korrigieren. Hast du ein Problem mit denen?' Letztendlich ist es für mich in Gesamtheit systematisches Mobbing gewesen, das haben mir auch Kollegen bestätigt. Das, was dort passiert ist, darf nicht passieren. Und dass es jetzt auch noch sechs Jahre weiterging, ist traurig genug.

SPORT1: Haben Sie in Ihrer aktiven Zeit auch Mobbing gegen andere Kollegen erlebt?

Rafati: Ja, zum Beispiel bei Markus Wingenbach. Er wurde auf dem Jahrgangstreffen vor allen klein gemacht. Er war einer, der nie den Mund aufgemacht hat. So jemand wurde dann vor allen Leuten bloßgestellt. Da fragt man sich dann, ist das Führungsstil? Muss man so mit Mitarbeitern umgehen? Fehler knallhart anzusprechen, steht einem Chef absolut zu. Aber jemanden bloßstellen, der sowieso schon am Boden liegt…

SPORT1: Auf wen hatten es Fandel und Krug besonders abgesehen?

Rafati: Schiedsrichter mit starker Persönlichkeit, die eine starke Meinung hatten und diese auch äußerten, wurden immer klein gehalten. So wie ich damals. Wie Gräfe und Brych jetzt auch. Ich habe das auch mit Gräfe auf dem Lehrgang erlebt. Wir mussten Videos vorführen. Krug sagte dann: 'Das ist Mist, das ist nicht vorbildlich. Du bist Bundesliga-Schiedsrichter'. Als Gräfe sich dann vor allen Anwesenden wehrte, ist das Gespräch eskaliert und am Ende hat Krug nur zornig gesagt: 'Ich habe keine Lust zu diskutieren. Nimm das so hin und sei ruhig.' Dahinter stand eine Systematik, die allen bekannt war. Brych sagte damals: 'Die Beobachter können ja eigentlich zu Hause bleiben, wenn ihr die Noten korrigiert.'

SPORT1: Wie haben Sie selbst erfahren, dass mit Ihrer Benotung etwas falsch läuft?

Rafati: Ein Beobachter rief mich an und sagte, er möchte mir für ein Spiel die Note 7,9 geben. Das ist eine schlechte Note, ich hatte in dem Spiel auch Fehler gemacht. Aber er habe von oben Druck bekommen, die Benotung auf 7,4 runterzufahren. So schlecht sei ich seiner Auffassung nach aber gar nicht gewesen. So einen Fall habe ich mit zwei prominenten Beobachtern erlebt, die mich anriefen und ihr Unverständnis äußerten.

SPORT1: Wie lief eine Benotung zu Ihrer aktiven Zeit ab?

Rafati: Die Schiedsrichterbeobachter gaben nach dem Spiel eine Note in das Computersystem ein, auf diese hatten wir Schiedsrichter einen Tag später Zugriff. Dann habe ich erfahren, dass Herr Krug an dieser Note herumgespielt und sie noch einmal nach unten korrigiert hat. Es ist ein offenes Geheimnis, dass die beiden (Fandel und Krug, d. Red.) immer wieder an dieser Benotung herumgespielt haben. Und da ging es immer nur nach Sympathie und Antipathie. Es gibt kein Kontrollorgan, deshalb konnten zwei Menschen über Existenzen entscheiden - rein nach dem Motto, ob die Nase gefällt oder nicht.

SPORT1: Wie konnte man in der Gunst von Krug und Fandel steigen?

Rafati: Wenn man ein Ja-Sager war. Dann bekam man Zuspruch. Die Noten waren auch bei fehlerhafter Leistung noch so gut, dass man damit im Schiedsrichter-Ranking leben konnte.

SPORT1: Inwiefern hat Fandel Einfluss genommen?

Rafati: Fandel hat von Anfang seine Lieblinge bevorzugt. Zu meinem Fall kann ich nur sagen: Auch wenn ich Fehler gemacht habe, mich hat man bearbeitet. Davon wirst du wirklich verrückt. Ich kann nachvollziehen, was in den Köpfen der Schiedsrichter vorgeht.

SPORT1: Es soll eine Abstimmung unter allen Schiedsrichtern gegeben haben, ob Krug und Fandel beim DFB eine Zukunft haben sollen. 

Rafati: Ich bin kein Freund davon, auf den beiden herumzutrampeln. Den beiden muss geholfen werden. Menschen, die so mit anderen Menschen umgehen, meinen es nicht persönlich. Die schlagen erst in sich selbst hinein, bevor sie nach außen ausschlagen. Die beiden haben ja auch Druck, man sollte sie schützen und nicht nur draufhauen. Vielleicht geben sie ihre Fehler zu. Wenn man sich an einen Tisch setzt, sauber, respektvoll und ehrlich miteinander umgeht, wäre das die beste Lösung. Ich möchte nicht, dass es einen zweiten Fall Babak Rafati gibt, weder auf Schiedsrichter-, noch auf Funktionärsseite. 

SPORT1: Warum herrscht gerade unter den Schiedsrichtern eine so schlechte Arbeitsatmosphäre?

Rafati: Der Hauptgrund ist, dass der DFB den Bereich Schiedsrichter unterschätzt. Man glaubt immer, dass nur die Vereine und die Nationalmannschaft im Fokus stehen, vergisst aber, dass auch in der kleinen Schiedsrichterfamilie schwarze Schafe herumlaufen. Wenn du dann zwei Personen die ganze Macht überlässt, die nur nach Sympathie entscheiden, ist das ein Problem. Die konnten machen, was sie wollen. Man muss auch bei Führungspositionen über Sozialkompetenz reden. Das wurde beim DFB vernachlässigt. Positionen dürfen nicht nur danach vergeben werden, wer gut mit wem kann.

SPORT1: Wie sollte der DFB reagieren?

Rafati: Die Transparenz und Glaubwürdigkeit im Fußball sind beschädigt. Der DFB hat jetzt die einmalige Gelegenheit Stellung zu beziehen. Die Fehlerkultur beim DFB ist katastrophal. Du kannst nicht immer alles ignorieren. Irgendwann knallt es. Das Ergebnis ist nicht, dass ein paar Schiedsrichter unzufrieden sind. Schauen wir uns die Schiedsrichterleistungen doch an. Das geht zu Lasten des Fußballs.

SPORT1: Wie kann man das ändern?

Rafati: Solange die eigenen Leute gedeckt werden, ist das der falsche Weg.

SPORT1: Müssen Krug und Fandel entlassen werden?

Rafati: Nein, wir sollten vielmehr über den Umgang miteinander reden. Da brauchst du auch den Austausch über negative Erfahrungen, wie man es nicht macht. Wenn du aber nur wegschaust und zwei Personen austauschst, ist der Sache vielleicht kurzfristig geholfen, aber das Problem bleibt bestehen. Du musst Leute an den Tisch bringen, die dieses ganze Leid erfahren haben - ob das ein Brych, ein Gräfe oder ein Rafati ist. Die Missstände müssen auf den Tisch.