Eigentlich war es seit längerem ein offenes Geheimnis, dass Philipp Lahm seine Karriere im Sommer beenden will. Umso überraschender ist das Chaos, das rund um die Verkündung am Dienstagabend entstanden ist.
So kam es zum Rücktritts-Chaos um Lahm
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Vor allem Uli Hoeneß machte keine gute Figur, als er vor Millionen Fernsehzuschauern den Eindruck erweckte, als sei alles noch nicht spruchreif - immerhin sparte sich der Bayern-Präsident so die kritischen Nachfragen, warum Lahm nicht in die sportliche Führung aufrücken wird.
"Wir haben Gespräche geführt, da ist vereinbart worden, dass eine gemeinsame Erklärung abgegeben wird", sagte Hoeneß in der ARD. "Zunächst muss er erst einmal aufhören. Er hat noch einen Vertrag bis 2018, und den hat er noch nicht gekündigt."
Hoeneß erklärt seinen Auftritt
Dass der sonst so verkündungsfreudige FCB-Boss so herumeierte, erstaunte viele Beobachter. Entweder wollte er das Thema möglichst klein halten oder Lahm den Vortritt lassen - oder er hoffte tatsächlich auf die angekündigte spätere gemeinsame Bekanntgabe.
Hoeneß erklärte es am Mittwoch im Gespräch mit der Funke Mediengruppe so: "Ich wollte die Regeln des Miteinanders einhalten und in aller Ruhe besprechen, wie wir an die Öffentlichkeit gehen. Wir hatten kein Interesse, das so früh bekanntzugeben."
Dass Lahm nur wenige Meter vom TV-Studio Minuten nach Hoeneß' Auftritt dessen Aussagen widersprach, ließ den Bayern-Präsidenten schlecht aussehen:
"Ich habe den Verantwortlichen Bescheid gesagt, dass ich am Ende der Saison aufhören werde, Fußball zu spielen", sagte Lahm und meinte zu den Verhandlungen über seine Zukunft im Klub: "Am Ende der Gespräche habe ich für mich beschlossen, dass es für mich jetzt nicht der beste Zeitpunkt ist, beim FC Bayern danach einzusteigen."
SPORT1 erklärt die Hintergründe.
- Wie war der Ablauf?
Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge hatte schon auf der Jahreshauptversammlung Ende November klar gemacht, dass er Lahm unbedingt als Nachfolger von Ex-Sportchef Matthias Sammer einbinden wolle.
Hoeneß wiederum hat das schon kurz nach seiner Wahl mehrfach stark relativiert. Auch im Aufsichtsrat, dem Hoeneß seit Montag wieder vorsitzt, gab es keine klare Mehrheit für einen Sportchef Lahm mit Sitz im Bayern-Vorstand. Diese Tendenz verfestigte sich wohl frühzeitig, Lahm sagte dem Vorstand schon vor dem Wochenende ab
"Am Freitag hat Philipp Lahm Karl-Heinz Rummenigge abgesagt. Aber es ist nicht üblich, mit diesen Dingen vor wichtigen Spielen an die Öffentlichkeit zu gehen", sagte Hoeneß am Tag danach: "Also wollten wir das ab Mittwoch bereden, wie wir verfahren.“
Die Sport Bild erhielt die Information aber vorab und ging damit am Montag spätabends in den Druck. Knapp zehn Minuten vor dem Anpfiff des DFB-Pokalspiels gegen Wolfsburg (1:0) vermeldete die Sportzeitung den Rücktritt, über den auch SPORT1 zu diesem Zeitpunkt Kenntnis hatte, dann als fix.
- Was wusste die Mannschaft?
Lahm hatte nur seine engsten Teamkollegen vorab eingebunden. Darunter Manuel Neuer, wie dieser nach dem Spiel zugab. Das erklärt die Überraschung bei den nach Schlusspfiff interviewten Mats Hummels und Thiago.
Nach der Verkündung wurde Lahms Mobiltelefon dann mit Nachrichten überflutet. Über eine dürfte er sich besonders gefreut haben: Pep Guardiola gratulierte ihm per SMS zu seinem Entschluss.
- Was sagt Hoeneß heute?
Mit Kritik an Lahms öffentlicher Erklärung hält sich Hoeneß zurück, er sei nur überrascht gewesen. "Wir sahen ja keine Eile. Die Aufgabe als Sportdirektor hätte ja so oder so erst am 1. Januar 2018 begonnen. Er hatte von Karl-Heinz Rummenigge ein Arbeitspapier, wie die Aufgabe beschrieben ist. Es gab insgesamt vier Sitzungen", sagte Hoeneß der Funke Mediengruppe.
Der Bayern-Präsident machte aber auch klar, dass ein Amt als Sportvorstand, einer Position mit mehr Macht als die des Sportdirektors, für Lahm zu früh gekommen sei.
"Bei uns im Aufsichtsrat sitzen Dax-Vorstände. Für die kommt nicht infrage, dass jemand ohne Berufserfahrung im Vorstand anfängt. Auch Christian Nerlinger war Sportdirektor und nicht Vorstand. Bei Matthias Sammer war das anders. Er war vorher beim DFB."