Ein Fußballfeld neben dem anderen. Tennisplätze, Laufbahnen, verschiedene Sporthallen, Krafträume, Laboratorien. Unterkünfte für etwa 1000 Personen, eine Schwimmhalle und ein Indoor-Sportstadion mit Platz für 15.000 Zuschauer.
Katars Traum von der Supersportmacht
© Imago
Wer das knapp 300.000 Quadratmeter große Gelände der Aspire Academy for Sports Excellence in Doha beschreitet, erlebt Gigantismus in seiner reinsten Form.
Mehr als eine Milliarde Dollar kostete die Errichtung dieses einzigartigen Areals, das vor gut zehn Jahren eröffnet wurde und den Kern eines langfristig ausgerichteten Wirtschaftsplans darstellt.
Ein Plan, mit dem das kleine Katar um weltweite Anerkennung, um Prestige kämpft - und ein Stück weit auch um seine Zukunft.
Sport soll finanzielle Zukunft sichern
Katar. Klingt erst mal nach Wüste. Nach Trockenheit. Nach Hitze. Aber ganz bestimmt nicht nach einem Sportparadies.
Und doch spielt der Sport in der Politik des Zwei-Millionen-Einwohner-Landes am Persischen Golf eine immer zentralere Rolle.
Mit seiner Hilfe will Emir Scheich Tamim bin Hamad al-Thani Katar für die Zeit nach dem großen Reibach rüsten.
Denn so schnell der Wüstenstaat dank seines gigantischen Erdöl- und Erdgasvorkommens an Reichtum und Bedeutung gewonnen hat, könnte er auch wieder verlieren - sobald die Rohstoffreserven nämlich zur Neige gehen.
Eine WM nach der anderen
Um dem vorzubeugen, investieren die Katarer seit rund einem Jahrzehnt astronomische Summen in sportliche Großereignisse, durch die die öffentliche Wahrnehmung des Landes gestärkt und der Tourismus vorangebracht werden sollen.
So richten die Katarer eine Weltmeisterschaft nach der anderen aus. Im vergangenen Jahr die der Schwimmer, im kommenden die der Radprofis, 2019 die der Leichtathleten, und 2022 - als absolutes Non-plus-Ultra - die der Fußballer.
Ab Donnerstag - sind die Handballer dran. Ein echter Härtetest für den Ausrichter. Eine Prüfung.
Denn nach all den Negativschlagzeilen rund um die Vergabe der Fußball-WM in sieben Jahren, nach den alarmierenden Berichten über die Arbeitsbedingungen auf den Stadionbaustellen, darf sich Katar keine Verfehlungen mehr erlauben. (Der WM Auftakt Polen - Deutschland am Freitag ab 16.45 Uhr im LIVE-TICKER)
Katarer lieber auf der Couch als im Stadion
"Es ist eine riesige Bewährungsprobe", sagt auch Bob Zermani im Gespräch mit SPORT1.
Der ehemalige algerische Nationalspieler, der lange Zeit in Deutschland spielte und arbeitete, lebt seit gut eineinhalb Jahren in Doha und soll den Handball dort mit seinem Know-how voranbringen.
Er ist einer von zahllosen Expats, also Ausländern, die die sportlichen Projekte in Katar betreuen.
Daran, dass die Handball-WM die Begeisterung der Katarer für eine eigene sportliche Betätigung steigern oder gar einen Boom auslösen könnte, hat Zermani aber seine Zweifel.
"Die Katarer schauen Sport lieber zuhause am Fernseher. Sie gehen nicht in die Halle oder ins Stadion. Das wollen sie einfach nicht. Keine Ahnung, wieso", erzählt er.
Klasse Bedingungen, aber keine Zuschauer
Zermani selbst betreut aktuell die U-19-Nationalmannschaft des Landes.
"Man hat hier sehr gute Trainingsbedingungen und alle finanziellen Möglichkeiten", betont er.
Doch für die Spiele seiner Jungs interessieren würden sich letztlich doch immer nur deren Freunde und Familien.
"Maximal 50 Zuschauer kommen zu uns in die Halle", berichtet Zermani. In Katars Profi-Handball-Liga seien es, wenn überhaupt, gerade einmal doppelt so viele.
WM-Tickets zu Spottpreisen
Da verwundert es nicht, dass die WM-Organisatoren den Leuten die Tickets geradezu hinterher schmeißen
Für umgerechnet etwa fünf Euro bekommt man in Katar bereits die Möglichkeit, die Weltstars des Handballs live zu erleben. In Deutschland zahlt man die mancherorts schon für ein Kreisliga-Spiel.
Nur mit solchen Spottpreisen und eingekauften "Fans" aus Kenia oder Nepal, wie sie im vergangenen Jahr bei den Qatar Open der Beachvolleyballer auf den Tribünen saßen, haben die Veranstalter eine realistische Chance, die drei mächtigen Hallen, in denen die WM ausgespielt wird, voll zu bekommen.
Kaum Einheimische in den Nationalteams
Was auch daran liegen könnte, dass so manchem Einheimischen die Identifikation mit den eigenen Sportlern wohl nicht allzu leicht fällt.
Gerade mal zwölf Prozent der Bevölkerung sind Katarer, die jeweiligen Nationalteams des Landes bestehen überwiegend aus eingebürgerten Ausländern.
Geht es nach Emir Scheich Tamim bin Hamad al-Thani soll damit künftig Schluss sein, die Auswahl für die Fußball-WM 2022 stattdessen ausschließlich aus Katarern bestehen.
Doch bis dahin ist es noch eine lange Zeit.
Trainingsgäste aus aller Welt
Er sei sich "sicher, dass Katar eine tolle Handball-WM ausrichten kann", sagt Jugendtrainer Zermani. Viel bewegen könne dieses Turnier aber nicht: "Ich glaube, dass es auch danach beim Alten bleibt."
Soll heißen: Die Katarer investieren weiter und weiter in noch größere, noch luxuriöse Sportstätten und Stadien. Nutzen tun diese jedoch andere.
Der FC Bayern beispielsweise. Oder der FC Schalke 04. Beide Klubs trainieren dieser Tage auf den Rasenplätzen der Aspire Academy.
Diesem Paradies eines jeden Leistungssportlers. Dieser Geburtsstätte eines Traums. Dem Traum der Katarer von einer Zukunft voller Ruhm und Reichtum. Einem Traum, dessen Erfüllung auch ein Stück weit von der Handball-WM abhängt.