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Kolumne: Raphael Honigstein über die Vertrauenskrise des FC Liverpool

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Kolumne: Raphael Honigstein über die Vertrauenskrise des FC Liverpool

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Liverpool funkt SOS: Alle wollen Klopp

Raphael Honigstein blickt in seiner SPORT1-Kolumne auf die Situation des FC Liverpool. Der Druck auf Trainer Brendan Rodgers wächst, ein Nachfolger stünde schon bereit.
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© SPORT1-Grafik: Gabriel Fehlandt/ Getty Images

Von Raphael Honigstein

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"Dejected" war das erschreckend traurige Wort, mit dem Ex-Kapitän Steven Gerrard auf die Leistung des FC Liverpool beim 1:3 gegen Manchester United reagierte. Man kann das englische Adjektiv mit "deprimiert", "entmutigt", "niedergeschlagen", "geknickt", "schwermütig" oder "bedrückt" übersetzen, wahrscheinlich trafen in diesem Fall alle sechs Deutungen gleichzeitig zu.

Die Niederlage der Reds im Nord-England-Derby am vergangenen Wochenende war angesichts des deutlich besseren Kaders des Rekordmeisters zwar nicht wirklich überraschend gekommen, das jämmerliche Ausmaß von Liverpools fußballerischer Armut hat an der Anfield Road aber eine echte Vertrauenskrise ausgelöst.

Nach nur fünf Ligaspielen (zwei Siege, ein Unentschieden, zwei Niederlagen, Platz zehn) ist die Angst an der Mersey groß, dass der seit 1990 auf die Meisterschaft wartende Klub unter Trainer Brendan Rodgers auch in dieser Spielzeit keine entscheidenden Meter nach vorne kommt.

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Der 42-Jährige musste sich am Samstag nach dem miserablen Auftritt von SKYs TV-Reporter fragen lassen, ob seiner Mannschaft ein "Jahr des Übergangs" ins Haus stehe. Rodgers verneinte, war jedoch empfindlich getroffen. Er hatte vor knapp einem Jahr schon die vorherige Saison (Platz sechs in der Tabelle) als Übergangsjahr deklariert.

Vertrauen in Rodgers sinkt

Liverpool, das in der Saison 2013/14 mit dem Klassesturm bestehend aus Daniel Sturridge, Raheem Sterling und Luis Suarez beinahe zum Titel gerauscht war, muss sich nach dem Weggang der beiden Letzteren und Sturridges langwieriger Verletzung tatsächlich neu aufstellen. Immer weniger Fans trauen jedoch Rodgers zu, diese Aufgabe erfolgreich zu bestreiten.

Die 150 Millionen Euro, die von den Verkäufen von Suarez und Sterling in die Kasse kamen, wurden für Flops wie Mario Balotelli und Spieler der gehobenen Mittelklasse (Roberto Firmino, Christian Benteke, Adam Lallana) ausgegeben, dazu nahm die Ikone Gerrard im Mai Abschied. Unter dem Strich ist der Substanzverlust noch größer, als er sein müsste, weil entweder Rodgers selbst nicht mehr an die Grundfeste seines ursprünglichen Spiel-Systems glaubt, oder das Team es mit der aktuellen Besetzung nicht schafft, die taktischen Vorgaben auch nur annähernd umzusetzen. 

Bei seinem Amtsantritt im Sommer 2012 hatte der zuvor mit Swansea City sehr erfolgreiche Coach versprochen, den Gegner zukünftig "mit Fußball zu killen" und "die Prinzipien und Werte dieses großartigen Klubs zu verteidigen: Offensivfußball mit taktischer Disziplin." Er baute die Roten in der Folge in eine Passmaschine um. Liverpool hatte nun meistens den Ball, oft aber keine Wucht im letzten Drittel. Ergebnis: Platz sieben.

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2013/14 stellte Rodgers auf Konter um, und wurde damit fast Meister (Platz zwei). Die Saison darauf konnte man schon nicht mehr klar erkennen, wo bei der Mannschaft die neue taktische Flexibilität aufhörte und Konfusion anfing (Platz sechs). Liverpools Leistungen beim 0:3 gegen West Ham und in Manchester vor ein paar Tagen waren nun derart schlecht, dass wieder Rufe nach Jürgen Klopp laut wurden.

Kontakt mit Klopp

Rodgers Elf spielt zögerlich, kraftlos, hinten extrem offen und nach vorne mit vielen langen, unsauberen Bällen auf Stoßstürmer Benteke. Der durchschnittliche Ballbesitzanteil ist seit 2012 kontinuierlich zurück gegangen und im laufenden Spieljahr auf 49,8 Prozent geschrumpft. (Quelle: Fox Sports)

"Wir sahen in Manchester wie ein Team aus, das seine Identität verloren hat", schrieb der ehemalige Liverpool-Stürmer John Aldridge in seiner Kolumne im Liverpool Echo. "Ich bin nicht sicher, was dort der Plan war. Viele Fans sind verärgert und der Druck auf den Trainer wächst."

Vor diesem Hintergrund mutet es zunächst merkwürdig an, dass der zu schlecht getarntem Eigenlob neigende Coach beim Auftakt der Europa-League-Gruppenphase in Bordeaux auf sechs Stammspieler verzichtet. (Die UEFA Europa League LIVE im TV auf SPORT1, LIVE in unserem Sportradio SPORT1.fm, im Livestream und im LIVETICKER).

Benteke, Martin Skrtel, Dejan Lovren, James Milner, Lucas Leiva und Nathaniel Clyne blieben zu Hause; dafür kamen die Nachwuchsspieler Jordan Rossiter, Connor Randall, Cameron Brannagan und Dan Cleary mit nach Frankreich, sowie der wiedergenesene Spielmacher Philippe Coutinho.

Rodgers spekuliert darauf, auch so gegen die Elf von Bayern Münchens Halbfeldflanken-Legende Willy Sagnol bestehen zu können. Das Heimspiel gegen Norwich am Sonntag hat Priorität, da der vierte Platz dank der Schwäche der Konkurrenz noch in Reichweite ist. Eine dritte Niederlage in Folge allerdings würde Rodgers an den Rand des Abgrunds drängen, auch, weil mit Klopp der erklärte Wunschtrainer der Fans als Nachfolger zur Verfügung steht.

Die amerikanischen Eigentümer hatten in der Vergangenheit bereits zwei Mal Kontakt mit dem Ex-Dortmund-Coach aufgenommen. Bevor sie Rodgers eine neuerliche Saison des Übergangs gewähren, und der schon von Haus aus wenig lebensfrohe Gerrard noch mehr verzweifelt, greifen sie wahrscheinlich lieber ein drittes Mal zum Telefon.