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Werder Bremen: Die magische Nacht von Lissabon 1992

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Werder Bremen: Die magische Nacht von Lissabon 1992

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Werder-Nacht für die Ewigkeit

Vor 32 Jahren feiert Werder Bremen eine magische Nacht in Lissabon. Selbst der Vorstand wirft seine Prinzipien über Bord.
Dieter Eilts mit dem Pokal nach dem Finale gegen Monaco im Europapokal der Pokalsieger 1992
Dieter Eilts mit dem Pokal nach dem Finale gegen Monaco im Europapokal der Pokalsieger 1992
© Imago
Udo Muras
Udo Muras

Die Flutlicht-Nächte im Weser-Stadion sind legendär, so wie heute die Frankfurter Eintracht begeisterte Werder Bremen die Deutschen in den späten Achtzigern im Europapokal.

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Wer die furiosen Aufholjagden gegen Dynamo Ost Berlin oder Dynamo Moskau sah, wird sie nie vergessen. Doch bis sie eine Trophäe an die Weser holten, da mussten erst die Neunziger kommen.

Heute vor 32 Jahren, am 6. Mai 1992 holte Werder in Lissabon den Europokal der Pokalsieger, als fünfte und letzte deutsche Mannschaft überhaupt.

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Werders Weg nach Lissabo

Der Weg nach Lissabon führte zunächst über die Rumänen des FC Bacau, bei denen die Bremer schon im Hinspiel alles klar machten (6:0). Im Rückspiel machten sie es einen Hauch gnädiger (5:0), Manches Testspiel in der Provinz hatte die Elf von Trainer Otto Rehhagel stärker gefordert als Rumäniens Pokalsieger.

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Ein anderes Kaliber war da schon Ferencvaros Budapest, trainiert vom populären Ex-Nationalspieler Tibor Nyilasi. In Bremen sahen die Zuschauer ein gut aufgelegtes Sturm-Duo, das allein für die drei Tore zur Pause (3:1) sorgte. Frank Neubarth profitierte von zwei Vorlagen von Klaus Allofs, dem der Kollege wiederum das 2:0 (33.) auflegte.

Aus einem passablen Ergebnis wurde noch ein gefährliches (3:2) und so hofften am 5. November 1991 25.000 Zuschauer auf weitere Ferencvaros-Tore, doch es traf nur ein Bremer: Marco Bode (48.) per Kopf. Eine Minute später schied Uwe Harttgen mit Schlüsselbeinbruch aus, was die Bremer Freude merklich trübte. Immerhin blieben die angedrohten Ausschreitungen aus, ein Großaufgebot der Polizei hielt 1000 ungarische Hooligans in Schach.

Europapokal der Pokalsieger: Werder Bremen besiegt AS Monaco und feiert Europacupsieg
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Rehhagels Joker stechen gegen Galatasaray

Im Viertelfinale vier Monate später kam Galatasaray Istanbul nach Bremen. Ganz Deutschland schaute auf diese Partie, die der Privatsender SAT1 live übertrug, denn die Bremer waren der letzte Vertreter des Landes. Schatzmeister Manfred Müller freute sich über „die größte Einnahme in der Vereinsgeschichte“ (1,5 Millionen DM).

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Die Türken wurden vom Ex-Aachener Mustafa Denizli gecoacht, 20.000 Landsleute machten aus dem Auswärtsspiel von Gala ein Heimspiel und bejubelten Kosecksis 0:1 (33.), das bis elf Minuten vor Schluss hielt. Dann stachen die Rehhagel-Joker: Stefan Kohn, schon vor der Pause für Rufer gekommen, glich aus (79.) und Amateur Marinus Bester, seit der 54. Minute dabei, avancierte zum Matchwinner (85.).

Klaus Allofs mit Ehefrau Ute und Pokal im Hotel
Klaus Allofs mit Ehefrau Ute und Pokal im Hotel

Das Rückspiel erhob Werder-Manager Willi Lemke zum „wichtigsten Spiel des Jahrzehnts“. 32.000 füllten mittags um ein Uhr das Ali-Sämi-Yen-Stadion restlos, Rehhagel erwartete eine hitzige Atmosphäre: „Wir müssen sehen, dass wir die Nerven behalten.“

In Istanbul erwartete die Bremer eine Winterlandschaft, dichtes Schneetreiben erschwerte beiden Teams das Leben. Mit vereinten Kräften überstand die Elf die torlose Partie, auch wenn sie kurz vor Schluss nur noch eine Zehn war: Dieter Eilts wurde wegen Nachtretens vom Feld gestellt. Werder-Präsident Franz Böhmert war darüber nicht glücklich: „Der Schiedsrichter war eine Katastrophe!“

Bremens Spieler in Brügge von Wurfgeschossen getroffen

Das Halbfinal-Los führte Werder am 1. April nach Brügge. Beim belgischen Pokalsieger war mit einer hitzigen Atmosphäre zu rechnen, aber Pragmatiker Rehhagel beruhigte: „Wir haben keine Angst, die Tore werden nicht auf der Tribüne geschossen.“ Nach dem Spiel sprach er anders: „Ich bin 30 Jahre dabei, aber dass man so auf der Bank mit Gegenständen beworfen und angefeindet wird, habe ich noch nicht erlebt. Wir hatten einen Hexenkessel erwartet, aber nicht so schlimm.“

Oliver Reck und Torsten Legat wurden von Wurfgeschossen getroffen, Reck sogar während einer Behandlungspause. Der Torwart musste nach einem Zusammenprall mit Amokachi, dem das Tor des Tages gelang (5.), mit einer Schulterverletzung ausscheiden und Jürgen Rollmann weichen. Es sollte nicht sein einziger Einsatz in diesem Wettbewerb sein.

Zum Sportlichen: Nach dem Tor fand Werder allmählich ins Spiel und kam selbst zu einigen Chancen. Als Bode im Strafraum gelegt wurde, blieb der Elfmeter-Pfiff aus - und damit wohl noch Schlimmeres von den Rängen. Manager Lemke: „Unter diesen Umständen und in diesem Stadion war das eine ausgezeichnete Leistung, die uns fürs Rückspiel alle Chancen lässt.“

Das wollten sich auch der belgische Ministerpräsident Jean-Luc de Haane und Showmaster Rudi Carrell nicht entgehen lassen. Um 17 Uhr meldete Lemke: „Die letzte Karte ist verkauft.“ Wer keine mehr bekam, konnte im Fernsehen miterleben, wie Werder das Finale erreichte.

Werder-Coach feiert „größten Erfolg der Vereinsgeschichte“

Rehhagel feierte Jubiläum, es war sein 50. Europacup-Spiel und schon deshalb dufte es nicht verloren werden. Für die Spieler ging es um 25.000 DM. Aber vor allem ging es ums Finale, das war für alle neu und Anreiz genug. Leider wiederholten sich die Exzesse der belgischen „Fans“, eine Frau wurde von einer Leuchtkugel getroffen und lebensgefährlich verletzt.

In der Innenstadt randalierten Belgier in zwei Kaufhäusern. Es wurde Zeit, diesen Klub aus dem Wettbewerb zu schießen und Werder kümmerte sich darum. Stürmer Marco Bode krönte die druckvolle Anfangsphase mit dem 1:0 (31.) aus zwölf Metern, bei Halbzeit herrschte Gleichstand.

Zwei Minuten nach Wiederanpfiff ein Schock: Reck büßte für eine Unbesonnenheit, ließ sich von Booy provozieren und erhielt für seinen Rempler die zweite Verwarnung im laufenden Wettbewerb - damit war er fürs Finale gesperrt. Trotzdem spielte er konzentriert weiter und ließ kein Tor mehr zu.

Auf der Gegenseite aber schlug es nach 59 Minuten erneut ein. Manfred Bockenfeld, nicht als Torjäger berüchtigt, nutzte ein Zuspiel von Thomas Wolter zum 2:0. Dabei blieb es, nach Amokachis Platzverweis (76.) ging Brügge jegliche Gefahr ab. Und fertig war er, der „größte Erfolg der Vereinsgeschichte“ (Kicker). Nur ein Sieg im Finale gegen den AS Monaco konnte den noch toppen.

Das Europapokal-Finale der Pokalsieger 1992

Das größte Spiel in der Geschichte des SV Werder Bremen wurde in einen unwürdigen Rahmen gepresst: Nur 15.000 Zuschauer waren im „Stadion des Lichts“, dabei hatte der Kicker noch von einem „zu erwartenden Hexenkessel“ geschrieben.

Doch den Portugiesen lag wenig an Werder und dem AS Monaco, den eigenen Fans war der Weg wohl zu weit. Auch die von Werder geladenen Ehrengäste (Bundeskanzler Helmut Kohl, Innenminister Rudolf Seiters oder Bundestrainer Berti Vogts) hatten Besseres vor.

Monaco dagegen freute sich über die Anwesenheit von Prinz Albert, der als einer der wenigen auch beim Geheimtraining zusehen durfte. Vor dem Finale gab es etwas Ärger im Bremer Lager. Der Versuch der Spieler, im Hotel zu Estoril eine von der Zuschauerzahl unabhängige Siegprämie auszuhandeln, scheiterte. Was Monate zuvor beschlossen worden war, galt weiterhin.

Hanseatische Kaufleute halten sich an Verträge, wie Präsident Dr. Franz Böhmert versicherte. Die Spieler hatten sich verrechnet und auf ein volles Stadion gesetzt, wie es sich für ein Finale ja auch gehört. So standen den Werder-Profis nur 8000 DM Siegprämie pro Kopf zu. Den Monegassen wurden dagegen umgerechnet 140.000 DM pro Kopf versprochen, festgesetzt von Fürst Rainier persönlich.

Geld schießt nicht immer Tore - aber Oldie Allofs trifft

Das Spiel war der schlagende Beweis, dass Geld doch nicht immer Tore schießt, denn der Sieger hieß Werder Bremen, das auf den im Abschlusstraining verletzten Günter Hermann verzichten musste. Der überraschend aufgebotene „Oldie“ Allofs (35) schoss in seinem bereits dritten Europacup-Finale das 1:0 (41.) nach einer Freistoß-Verlängerung - und das mit dem schwachen Rechten.

Da saß Wolter schon draußen, ein Muskelfaserriss im Oberschenkel war schuld. Thomas Schaaf löste ihn ab. Die vom 38-jährigen Arsène Wenger trainierten Monegassen verstärkten den Druck, aber immer war ein Werder-Bein dazwischen, sodass Recks Vertreter Rollmann gar nicht viel zu halten bekam.

Dieter Eilts rasiert Uli Borowka den Kopf
Dieter Eilts rasiert Uli Borowka den Kopf

Auch vom gefürchteten Liberianer George Weah (1995 Weltfußballer) war wenig zu sehen an diesem Tag. Umso mehr vom großen alten Mann im grün-weißen Dress: In der 55. Minute schickte Allofs mit einem Steilpass Rufer auf die Reise und der erste Neuseeländer der Bundesliga lupfte über Keeper Jean-Luc Ettori, der vor zehn Jahren im WM-Halbfinale schon mal schlechte Erfahrungen mit Deutschen gemacht hatte, hinweg zum 2:0.

Auf der Tribüne lagen sich Rufers eigens angereiste Eltern in den Armen. Wenger brachte nun den noch unbekannten Youri Djorkaeff, aber auch der spätere französische Welt- und Europameister änderte nichts am Ausgang der Partie. Lilian Thuram, der an seiner Seite diese Titel gewinnen würde, blieb nur auf der Bank.

Rehhagels legendäre Elf schlägt Wengers Monaco

Als der bis zuletzt äußerst angespannte Rehhagel, den man Wasserbecher werfen sah, dann den Pokal endlich in Händen hielt, wandte er sich an seinen jungen Kollegen: „Du bist ein guter Mann, Arséne, aber diesen Sieg habe ich verdient, denn Du bist noch zu jung. Du bist erst 38, aber ich bin schon 53 und damit auf der anderen Seite des Berges. Ich habe nicht mehr so viel Zeit, einen Europapokal zu gewinnen.“

Wer ahnte da, dass er sogar noch mal Europameister werden sollte? Dem philosophischen Beitrag folgten ausgelassene Stunden. Johnny Otten, Hermann, Reck, Bockenfeld und Uli Borowka mussten wegen einer Wette Haare lassen und gingen wochenlang als „Kojaks“ durch Bremen. Den langhaarigen Bode schauderte es: „Lieber würde ich den Pokal zurückgeben.“

v.li.: Stefan Kohn, Thorsten Legat, Jonny Otten, Uli Borowka mit Frau Carmen, Günter Hermann, Dieter Eilts, Mirko Votava und Klaus Allofs mit der Trophäe
v.li.: Stefan Kohn, Thorsten Legat, Jonny Otten, Uli Borowka mit Frau Carmen, Günter Hermann, Dieter Eilts, Mirko Votava und Klaus Allofs mit der Trophäe

Rehhagel bot derweil ZDF-Reporter Rolf Töpperwien das Du an und ließ sogar Journalisten in die sonst so heilige Kabine, um Bilder zu schießen vom größten Werder-Tag. Nach der Landung verrieten sogar die hanseatischen Kaufleute im Vorstand ihre Prinzipien und verdreifachten die Prämie spontan auf 25.000 DM.

Es war die letzte, die an Spieler einer deutschen Mannschaft im Europapokal der Pokalsieger gezahlt wurde. 1998 schaffte es der VfB Stuttgart (unter Trainer Joachim Löw) noch ins Finale (0:2 gegen Chelsea), 1999 wurde der Wettbewerb abgeschafft. Werder schaffte es 2009 immerhin noch mal in ein Europa-League-Finale (1:2 gegen Donezk), doch noch immer geht nichts über diesen Tag vor 30 Jahren.

Die Sieger-Elf: Jürgen Rollmann - Rune Bratseth - Thomas Wolter (34. Thomas Schaaf), Uli Borowka - Manfred Bockenfeld, Mirko Votava, Dieter Eilts, Frank Neubarth (75. Stefan Kohn), Marco Bode - Wynton Rufer, Klaus Allofs.