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3. Liga: Der Niedergang des MSV Duisburg

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3. Liga: Der Niedergang des MSV Duisburg

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Der Niedergang des MSV Duisburg

Dem MSV Duisburg droht der Abstieg in die Regionalliga. Klublegende Bernard Dietz, Ex-Trainer Peter Neururer und ein Insider finden klare Worte.
DSC Arminia Bielefeld - MSV Duisburg: Tore und Highlights | 3. Liga
Reinhard Franke
Reinhard Franke

„In Duisburg, Duisburg, Stadt im Ruhrgebiet. Duisburg, Duisburg, wie schön, dass es dich gibt.“ Wenn die Fans des MSV Duisburg bei den Heimspielen das Lied über ihren Verein lautstark singen, ist das Gänsehaut pur.

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Doch gerade umgibt jeden Anhänger der Zebras ein mulmiges Gefühl. Gehen in der Ruhrgebiets-Metropole bald die Lichter aus und wird es demnächst keinen Profifußball mehr geben? Es sieht danach aus. Ein wehmütiger Blick zurück: Der MSV belegte in der Bundesliga-Gründungssaison gleich Platz zwei, war einmal zwischenzeitlich Erster - legendär mit einem negativen Torverhältnis in den 1990er-Jahren. Auch legendär: Vier Mal stand der Klub im Pokalfinale, vier Mal wurde es verloren.

Das ist Schnee von gestern. Sieben Spieltage vor Saisonende in der Dritten Liga belegen die Meidericher Platz 18 mit fünf Punkten Rückstand auf das rettende Ufer. Aktuell hat Waldhof Mannheim Rang 16 inne. Am Sonntag steigt für die Duisburger ein erstes Abstiegsendspiel bei Rot-Weiss Essen (ab 16.30 Uhr im LIVETICKER).

Erstes Abstiegsendspiel für Duisburg

„Die Lage ist mehr als kritisch. Zum einen sportlich, zum anderen muss der Verein die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Lizenzierung schaffen. Dem Vernehmen nach ist die Lücke noch immens. Damit ist aber nur ein Augenblickserfolg erreicht“, sagt der Journalist Hermann Kewitz zu SPORT1.

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Der 62-Jährige berichtet seit mehr als 30 Jahren für die NRZ/WAZ über den MSV und leidet selbst schwer mit. „Die Regionalliga wäre immer noch ein Glücksfall, da es noch tiefer abwärts gehen könnte. Der MSV kann sich auf Dauer die dritte Liga nicht leisten. Es könnte irgendwann zu einem Totalabsturz kommen“, erklärt Kewitz.

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Mittelfristig müsse das Ziel Zweite Liga heißen. „Für diesen Aufstieg müssen die Rahmenbedingungen passen: Fanbase, Vereinsanlage mit Nachwuchsleistungszentrum und das Stadion sind zureichend“, erklärt Kewitz. In vielen anderen Bereichen sei der Verein aber nicht fit.

Duisburg-Insider legt Finger in die Wunde

Für viele Fans gleicht es seit dem Zwangsabstieg 2013 einer Achterbahnfahrt. Doch dem widerspricht Kewitz energisch. „Es ist ein langsamer, aber offenbar unaufhaltsamer Niedergang, der aus meiner Sicht spätestens mit dem Bundesliga-Abstieg 2008 begann.“ Die Krise 2013 hatten die Verantwortlichen sehr erfolgreich gemeistert. Der MSV war auf einem guten Weg zurück zu einem etablierten Zweitligisten.

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Der Verein hatte es nach dem Aufstieg 2017 und Platz sieben in der Tabelle selbst in der Hand, den dauerhaften Turnaround zu schaffen. Diese Chance wurde aus der Sicht von Kewitz aufgrund „mangelnder sportlicher Kompetenz“ in der nachfolgenden Saison verschenkt. Der Abstieg 2019 sei „leicht vermeidbar“ gewesen. 2020 habe man sich ebenfalls ohne Not um den möglichen Aufstieg gebracht. „Das waren die entscheidenden Momente. Danach ging es nur noch bergab.“

Auch MSV-Legende Bernard „Ennatz“ Dietz ist voller Sorge um seinen Klub. Von 1970 bis 1982 spielte er für die Zebras. Anschließend wechselte er zum FC Schalke 04 und spielte zum Abschluss seiner Karriere noch vier Jahre für die Königsblauen.

Dietz: „Wir sind sehr besorgt“

„Meine Frau und ich sind bei jedem Heimspiel dabei, und natürlich blutet das Herz. Der MSV hat ein Stadion, das eigentlich bundesligatauglich ist. Doch wir spielen wahrscheinlich demnächst in der Regionalliga. Natürlich habe ich noch etwas Hoffnung, aber die Teams da hinten punkten inzwischen auch. Wir sind alle sehr besorgt“, sagt der 76-Jährige SPORT1.

Im Kellerduell bei Arminia Bielefeld verlor der MSV am vergangenen Sonntag mit 0:2. „Es hat sich leider in den vergangenen Jahren angedeutet. Man dachte immer: ‚Die schaffen das noch.‘ Aber jetzt ist die Lage wirklich ernst. Ich bin ratlos.“ Was Dietz nicht versteht: „Ein SC Verl verliert auch den einen oder anderen Spieler, doch der Verein steht im Mittelfeld. Oder wenn ich mir Elversberg in der 2. Liga anschaue. Diese Klubs sind doch nicht größer als der MSV Duisburg. Aber wir kriegen es einfach nicht hin.“

Man müsse nur ein paar Kilometer weiter schauen: „Wie lange hat RWE gebraucht, um wieder hochzukommen? All die Jahre hatte man beim MSV die Überzeugung, dass es zumindest für die Dritte Liga noch reicht. Aber es war ein schleichender Tod.“

Auch unter Schommers gelang dem MSV nicht die Wende
Auch unter Schommers gelang dem MSV nicht die Wende

Dann sieht Neururer schwarz

Auch Peter Neururer, der in der Saison 2008/2009 Trainer des MSV war, ist zutiefst betrübt, wenn er über den Niedergang in Duisburg sprechen muss. „Ich kann mir den MSV in der Regionalliga gar nicht vorstellen. Die Hoffnung auf eine Rettung habe ich schon, aber am Sonntag entscheidet sich eine ganze Menge. Gewinnt der MSV in Essen, bin ich optimistisch und glaube an die Wende. Wenn nicht, sehe ich schwarz“, sagt der 68-Jährige im Gespräch mit SPORT1.

Was würde ein Abstieg für den MSV bedeuten? Klubs wie Rot-Weiss Essen oder Preußen Münster kamen jahrelang nicht mehr zurück. Der in die Kritik geratene Präsident Ingo Wald nennt als Ziel den sofortigen Wiederaufstieg. Doch das ist für Kewitz „leichter gesagt als getan“. Man müsse sich nur den Hamburger SV oder Arminia Bielefeld anschauen.

„Für die Seele einer ohnehin eher gebückt gehenden Stadt wäre ein Abstieg ein fatales Zeichen. Duisburg und der MSV sind zutiefst miteinander verbunden. Ein Abstieg wäre aber auch eine Chance, die gesamte Geschichte einmal grundsätzlich ordentlich aufzusetzen. Es gibt ja gute Ansatzpunkte“, glaubt Kewitz.

Wirtschaftliche Schieflage

Für ihn wurden in der Vergangenheit viele Fehler gemacht. Der Reihe nach: Der MSV konnte sich das teure neue Stadion nicht leisten und geriet so zwischen 2005 und 2013 in wirtschaftliche Schieflage. Der Zwangsabstieg resultierte aus einem „Grabenkrieg“. Geld war eigentlich genug da. „Man wollte es in der Saison 2012/2013 nur nicht gemeinsam in einen Topf werfen“, sagt Kewitz.

Danach lag der Fokus zu sehr auf den wirtschaftlichen Aspekten. Die Sanierung gelang vorbildlich. „Es mangelte aber an Kompetenz und strategischem Denken im sportlichen Bereich“, stellt Kewitz klar. „Unter anderem wirkte die Mannschaft in den vergangenen Spielzeiten nicht wirklich fit. Offenbar hat aber niemand beim Training wirklich zugeschaut und erkannt, was da im Argen liegt.“ Mit wenig Geld viel zu machen sei eine Kunst. Dies verlange aber „nach einem Plan und den richtigen Leuten, ihn umzusetzen und einer Kontrolle, ob man noch auf dem Weg ist“, schimpft Kewitz. „Wenn Chris Schmoldt als Chef der Scouting-Abteilung über einzelne Verpflichtungen durch den Pressedienst des MSV erfährt, weiß man, was schiefläuft.“

Sollte ein Neustart in der Regionalliga West mit Trainer Boris Schommers und Geschäftsführer Michael Preetz angegangen werden? „Ich weiß nicht, ob Michael sich das antut“, sagt Dietz. Kewitz hat eine klare Meinung, was das angeht. „Mit Michael Preetz hat der MSV sehr viel Sachverstand gewonnen, er kam nur leider vier Monate zu spät. Ob er angesichts der schwierigen Situation bleibt, ist ungewiss.“

Was wird aus Preetz?

Zudem brauche der Verein „eine neue und unbelastete Führung“. Doch hier würde niemand den Finger heben. „Ein solches Tandem könnte den Neustart bewerkstelligen.“

Zu Boris Schommers zitiert Kewitz Preetz aus einem Interview. Darin sagt der frühere Hertha-Boss: „Ich würde eher sagen, die Mannschaft hat in der Phase der Saison, in der ich nicht da war, deutlich unter ihren Möglichkeiten gespielt. Aus der Ferne habe ich gedacht, das ist eine Summe von guten Einzelspielern. Aber das ist keine richtige Mannschaft. Wenn die Saison jetzt beginnen würde, dann würden wir auf eine sorgenfreie Saison zusteuern.“

Schommers übernahm die Mannschaft vor dem elften Spieltag. „Sie spielt erst wirklich klar besser, seit Preetz da ist“, findet Kewitz. „In Duisburg hat Preetz nicht das große Geld wie bei Hertha BSC zur Verfügung. Doch es gibt auch in der Regionalliga gute Fußballer. Und der MSV hat immer noch einen großen Namen. Überall, wo ich hinkomme, werde ich auf meinen Klub angesprochen: ‚Was ist mit deinem MSV los?‘, erzählt Dietz.

Hire and Fire beim früheren MSV-Boss

Neururer denkt zurück an seine Zeit unter dem damaligen Präsidenten Walter Hellmich. Und er findet deutliche Worte. „Er hat die falschen Leute in der Chefetage installiert. Da hätte man auf Personen wie „Ennatz“ Dietz hören sollen. ‚Hire and Fire‘ war bei Hellmich völlig normal. Es wurden unglaubliche Fehler gemacht. Die Fans waren immer da.“

Für Neururer ist der MSV „ein typischer Verein des Ruhrgebiets“. Er würde sich wünschen, „dass Michael im Falle eines Abstiegs bleibt, weil er Ahnung von Fußball hat und weiß, wie das Geschäft läuft. Die Regionalliga würde brutal schwer werden, ein sofortiger Wiederaufstieg wäre nicht selbstverständlich.“

Gibt es also noch Hoffnung auf die Rettung? „Fans und Tradition schießen keine Tore. Die Stürmer tun sich damit ebenfalls schwer. Vor dem Bielefeld-Spiel habe ich gesagt: Die Arminia und Halle erwischt es“, sagt Kewitz. „Jetzt fürchte ich, dass es Duisburg und Halle sind. Abschreiben möchte ich den MSV noch nicht. Es braucht aber schon ein mittleres Wunder.“ Und Dietz fügt hinzu: „Wenn der MSV absteigt, muss da klar Schiff gemacht werden.“