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Vor Derby FC St. Pauli - Hamburger SV: Fettes-Brot-Mitglied über Rassismus und ein Idol

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Vor Derby FC St. Pauli - Hamburger SV: Fettes-Brot-Mitglied über Rassismus und ein Idol

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"Meier war ein Monster-Transfer"

Vor dem Stadtderby zwischen St. Pauli und dem Hamburger SV spricht Fettes-Brot-Mitglied Boris Lauterbach über seinen Herzensverein, Fankultur und Rassismus.
Boris Lauterbach ist Mitglied bei "Fettes Brot" und Fan des FC St. Pauli
Boris Lauterbach ist Mitglied bei "Fettes Brot" und Fan des FC St. Pauli
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Reinhard Franke
Reinhard Franke

Fettes Brot sind eine der bekanntesten Hip Hop-Acts in diesem Land. Ihre Hits "Emanuela", "Jein" oder "Nordisch By Nature" gehören zu jeder guten Party. Boris Lauterbach, Gründungsmitglied der Hamburger Band (neues Album "Lovestory" erscheint am 3. Mai), ist auch glühender Fan des FC St. Pauli.

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Vor dem Stadtderby gegen den Hamburger SV am Sonntag (ab 13.30 Uhr im LIVETICKER) spricht König Boris, wie er sich nennt, im SPORT1-Interview über seinen Herzensverein, Fanliebling Alex Meier, Ultras und Rassismus im Fußball.

SPORT1: Herr Lauterbach, die aktuelle Single heißt "Du driftest nach rechts". Auf was bezieht sich der Song?

Boris Lauterbach: Auf unserem neuen Album "Lovestory" geht es um das große Thema Liebe. Wir haben versucht interessante Perspektiven abzubilden, nicht einfach nur Schmusesongs. Ich glaube das Problem bei "Du driftest nach rechts" hat jeder, nämlich, dass die Einschläge plötzlich näher kommen. Dass Menschen im näheren Umfeld plötzlich Dinge sagen, die man nicht erwartet hätte. Das kann der Onkel am Geburtstagsfest sein, der Nachbar oder in unserem Fall eben die Freundin, die dann plötzlich anfängt "rechten Mist" zu reden und man sich so entfremdet.

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SPORT1: Wie sehen Sie als St. Pauli-Fan die rechte Problematik im Profifußball?

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Lauterbach: Da gibt es im Profifußball genau dieselben Gründe, wie sie im Rest der Gesellschaft auftauchen: Fehlende Aufklärung, Egoismus, Dummheit, Angst. Das Schöne auf St. Pauli ist, dass man sich hier auf der menschlichen Seite eindeutig positioniert. Es haben auf dem Kiez mitnichten alle eine politische Meinung, aber wo sich alle einig sind, ist die gemeinsame Ablehnung gegen Diskriminierung oder Herabwürdigung von Minderheiten. Das hat im Fußball nichts zu suchen. Es hat allgemein mit menschlichem Miteinander nichts zu tun und man lebt eben besser, wenn man darauf verzichtet.

SPORT1: Zuletzt gab es einen Eklat in der Oberliga. Der Fanbeauftragte des HSV Barmbek-Uhlenhorst hatte einen Spieler des Meiendorfer SV rassistisch beleidigt. Wird es immer krasser?

Lauterbach: Schlimm, aber die Mannschaft hat zum Glück Courage gezeigt, geschlossen den Platz verlassen und sich solidarisch gezeigt. Das ist das Erwähnenswerteste an dem Vorfall. Das hat für mich Vorbildcharakter und darf auch gerne mal im Profifußball passieren. Bei rassistischen Vorfällen sind alle aufgefordert, ihren Mund aufzumachen.

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SPORT1: Wie kam es bei Ihnen zur Lovestory mit dem FC St. Pauli?

Lauterbach: Mein erstes Spiel war 1988 gegen den 1. FC Köln, das Spiel endete 0:0, das weiß ich tatsächlich noch. Ich war damals als Punk unterwegs und wurde von älteren Jugendlichen mitgenommen. Und damals gab es noch den so genannten Hafenstraßenblock, der war hinter den Trainerbänken. Und als ich das erste Mal dort war, wusste ich sofort, dass das für mich und mein Leben eine große Rolle spielen wird.

SPORT1: Was waren für Sie einschneidende Momente mit Ihrem Klub?

Lauterbach: Da gab es natürlich viele. Ich erinnere mich immer wieder gerne an den Sieg gegen die Bayern 2002 am Millerntor, da entstand das Wort "Weltpokalsiegerbesieger". Das war eine ganz große Nummer. Die Aufstiege, aber auch die Abstiege bleiben hängen. Ebenso der letzte Derby-Sieg im Volksparkstadion, das sind echte Highlights.

St.- Pauli gewinnt gegen Bayern 2002: Thomas Meggle gegen Owen Hargreaves
St.- Pauli gewinnt gegen Bayern 2002: Thomas Meggle gegen Owen Hargreaves

SPORT1: Sind Freundschaften zu Spielern entstanden?

Lauterbach: Ich kenne ein, zwei Spieler ein bisschen näher, habe aber immer versucht etwas Distanz zu wahren. Ich finde das als Anhänger auch angenehmer. Da kann ich ganz frei Fan sein, der jubeln und kritisieren darf.

SPORT1: In "Du driftest nach rechts" gibt es eine Textzeile, die über hasserfüllte Fratzen handelt. Die Ultras in der Fangemeinde zeigen diese Fratzen momentan direkt und es kommt zur Konfrontation wie am vergangenen Samstag auf Schalke. Da haben Ultras vom Kapitän die Binde zurückgefordert, die sie ihm vor der Saison symbolisch überreicht hatten. Haben die Ultras zu viel Macht im Profifußball?

Lauterbach: Ich will nicht alle über einen Kamm scheren. Das ist von Verein zu Verein und von Gruppierung zu Gruppierung verschieden. Unabhängig von den Ultras haben für mich Hass und Gewalt nichts im Fußball zu suchen. Im Stadion bin ich voll dabei, brülle auch mit und zeige 100 Prozent Leidenschaft. Rivalität dort ist auch total mein Ding und darauf stehe ich. Aber wenn das Spiel abgepfiffen wird, ist es zu Ende. Ich bin dann immer noch Fan, aber ich muss niemanden verprügeln oder hassen wegen Fußball. Das geht für mich nicht zusammen. Bei den Ultras gibt es Dinge, die stark rüberkommen, aber auch kritikwürdig sind. Das Thema wäre abendfüllend. Das betrachte ich gerne ein bisschen differenzierter.

König Boris, Doktor Renz and Björn Beton von Fettes Brot während eines Konzerts
König Boris, Doktor Renz and Björn Beton von Fettes Brot während eines Konzerts

SPORT1: Würden Sie gerne mal einen Stadion-Song schreiben oder gab es mal ein Lied, das dann überraschend einer wurde?

Lauterbach: Es gibt einige Songs von uns, die im Stadion gesungen werden, wie zum Beispiel "Schwule Mädchen". Wenn deine eigenen Songs im Stadion gespielt und mitgesungen werden - mehr geht nicht. 2005 wurde in Bielefeld unser Song "Lass die Finger von Emanuela" in "Lass die Finger von Owomoyela" umgedichtet und laut gesungen, (weil Patrick Owomoyela mit Werder in Verhandlungen stand und dann schließlich dorthin gewechselt ist, d. Red.). Da geht einem natürlich das Herz auf. In der Saison, als Ewald Lienen St. Pauli vom Abstieg gerettet hat, haben wir zusammen mit Niels Frevert (Hamburger Sänger, d. Red.) eine Nummer gesungen, das war auch super, aber einen konkreten Stadion-Song haben wir nie gemacht. Entweder es passiert oder eben nicht.

SPORT1: Der Kult bei St. Pauli ist in den vergangenen Jahren durch die Kommerzialisierung etwas abhanden gekommen. Finden Sie das schade?

Lauterbach: Kult ist etwas, was man als St- Pauli-Fan äußerst ungern hört. Weil es impliziert, dass es mehr mit dem Drumherum als mit dem Fußball zu tun hat. Dagegen wehren sich die Fans natürlich. Ansonsten stimmt es schon, dass bei St. Pauli eine Modernisierung stattgefunden hat. Aber ich finde, dass es immer auch mit Augenmaß gemacht wurde. Wenn da jemand Gefahr lief über ein Ziel hinaus zu schießen, dann haben sich sofort die Fans zu Wort gemeldet. Ich erinnere mich daran, dass ein "Millerntaler" gemacht werden sollte, das war so eine Karte zum Bezahlen im Stadion, da sind die Fans auf die Barrikaden gegangen und sagten 'Nicht mit uns'. Danach wurde die Idee wieder weggeworfen. Ebenso wurde auch der Stadion-Name nie verkauft. Das sind Besonderheiten, dass man nicht alles des Geldes wegen macht.

SPORT1: Am Sonntag geht es gegen den HSV. Kribbelt es schon?

Lauterbach: Die ganze Stadt fiebert dem Derby wieder entgegen. Der Sonntag ist mit den Freunden schon minutiös durchgeplant. Erst das gemeinsame Frühstück, dann zusammen zum Stadion. Das wird zelebriert. Es ist alles drin und ich habe richtig Bock. Wenn wir gewinnen, war ich dabei, das ist das Wichtigste. Wir sind gut drauf, der HSV hat gegen Fürth nicht die Killer-Leistung abgeliefert. Aber am Ende wird alles auf Null gestellt und ein Derby ist immer etwas anderes, da werden extra Kräfte frei. Ich wage da keine Prognose abzugeben.

SPORT1: Der Vierte empfängt den Zweiten. So positiv waren die Vorzeichen noch nie.

Lauterbach: Stimmt. Das bringt noch mal eine Extra-Portion Brisanz. Ich war beim Hinspiel im Volksparkstadion. Das war fußballerisch leider kein Leckerbissen, aber das war egal, weil das Ganze von der Spannung lebte. Jetzt daheim am Millerntor wird das eine ganz andere Nummer, wenn 30.000 Leute da sind und 27000 davon braun-weiß. Das wird knackig.

SPORT1: Wie sehen Sie die Rivalität beider Klubs?

Lauterbach: Realistisch ist es bei diesem Derby nicht ganz doof die Augen offen zu halten. Aber noch mal: Im Stadion soll eine absolute Rivalität herrschen und 90 Minuten Vollgas für das eigene Team, hinterher ist es gut. In Hamburg ist es ohnehin so, dass jeder jemanden kennt, der den anderen Verein gut findet, egal, ob im Freundeskreis oder im Job. Das sind meistens alles liebe Menschen, egal welchen Klub sie gut finden. Fußballtechnisch darf gefrotzelt werden, aber das reicht dann auch.

SPORT1: Sie nennen sich König Boris. Wer ist denn Ihr König im Team? Alex Meier?

Lauterbach: Mit Sicherheit. Er kann sich momentan vor Lob kaum retten. Er ist ein guter und bescheidener Typ und fünf Tore in sechs Spielen sprechen für ihn. Das ist schon krass. Dass Meier zurückgekommen ist, ist toll. Auf so etwas wartet man als Fußball-Romantiker, dass sich ein Kreis schließt und ein Spieler wieder da ist, wo alles begann. Geld wird er genug verdient haben, da muss er sich keine Sorgen machen. Ich kann das gut nachvollziehen, dass er gedacht hat 'Jetzt mache ich noch mal etwas, worauf ich richtig Bock habe.' Er hatte sicher auch bessere Angebote, aber er kommt vom Kiez und da ist eine große emotionale Bindung da. Auch von Vereinsseite war es klug Meier als Ersatz für Henk Veerman geholt zu haben. Das war ein Monster-Transfer.

Alex Meier spielt seit Januar beim FC St. Pauli
Alex Meier spielt seit Januar beim FC St. Pauli

SPORT1: Ist Markus Kauczinski gerade der perfekte Trainer für St. Pauli?

Lauterbach: Viele Leute waren anfangs skeptisch, was ihn angeht. Ich glaube, dass er einen sehr guten Draht zu den Spielern hat. Er gibt ihnen das Gefühl, dass sie gebraucht und wertgeschätzt werden. Das ist unheimlich wichtig für die Jungs. Und die Saison spricht für ihn. Es gab die eine oder andere Delle, aber es ging stetig bergauf mit ihm. Ich habe nichts zu meckern.

SPORT1: Käme ein Aufstieg nicht zu früh?

Lauterbach: Das sagt man immer bei St. Pauli. Wenn man aufsteigen kann, muss man das mitnehmen. Dann verstärkt man sich und wenn man Glück hat, spielt man eine Saison geil mit und schaut, was geht. Fortuna Düsseldorf zeigt gerade, wie schön das gehen kann.

SPORT1: Und gibt es dann ein fettes Konzert im Stadion?

Lauterbach: Wenn wir Meister werden ja, aber beim Aufstieg weiß ich das nicht. Wir würden gerne mal am Millerntor spielen, aber weil es mitten in der Stadt ist, ist es nicht so leicht zu realisieren wegen den Auflagen. Es bleibt ein Traum von uns. Der Aufstieg und das Konzert.