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Klartext der DOSB-Spitze: Woran der deutsche Sport krankt

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Klartext der DOSB-Spitze: Woran der deutsche Sport krankt

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Woran der deutsche Sport krankt

Die DOSB-Spitze legt ob des teils enttäuschenden Abschneidens deutscher Athleten den Finger in die Wunde. Der dringlich erwartete Strategiewechsel könnte sich Jahre hinziehen.
Carolin Golubytskyi verletzt am Boden - erstmals seit 1980 blieben Deutschlands Fechter komplett ohne Medaille
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© DPA Picture-Alliance

Michael Vesper würgte das Thema einfach ab. Wie genau der deutsche Sport wieder in die Erfolgsspur kommen wolle, wurde der Vorstandsvorsitzende des Deutschen Olympischen Sportbundes anlässlich der Halbzeit der Olympischen Spiele in Brasilien gefragt.

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"Nee, das wollen wir jetzt nicht tun", sagte Vesper bestimmt, fast genervt. Während der Spiele könne und wolle man nicht solche Diskussionen führen. Die sportlichen Wettbewerbe sollen im Fokus stehen. "Alles zu seiner Zeit", so Vesper.

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Hörmann wird deutlich

Doch die Zeit drängt etwas. Bei DOSB-Präsident Alfons Hörmann klingeln bereits die Alarmglocken.

"Ein ‚Weiter so' kann und darf es nicht geben", sagte er in überraschender Deutlichkeit am Sonntag: "Insgesamt werden wir nach den Spielen in der notwendigen Klarheit darüber reden müssen, wo wir stehen und warum."

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Vom derzeit fünften Platz im Medaillenspiegel, das wissen die deutschen Sportfunktionäre, darf man sich nicht blenden lassen. Vor allem die bisherigen acht Goldmedaillen schönen die Bilanz. Seinen Ansprüchen hinkt das deutsche Team meilenweit hinterher.

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Die ursprünglichen Vorgaben wurden bereits abgeschrieben. Mindestens das Ergebnis von London (44 Medaillen) hatte man erreichen wollen.

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"Ziele ansatzweise nicht erreicht"

"Leider müssen wir feststellen, dass einige Verbände die Ziele schlichtweg nicht ansatzweise erreicht haben", so Hörmann. Im Schwimmen sei das Ergebnis "absolut besorgniserregend." Auch die Fechter waren komplett leer ausgegangen. Andere Verbände überzeugten.

Wo steht der deutsche Sport? In der Summe jedenfalls nicht dort, wo er sein will.

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Vesper begründet das auch mit dem höheren gestiegenen Niveau bei der Konkurrenz. "Es ist schwieriger geworden", sagte er und verwies auf die signifikant breitere Verteilung der in Rio gewonnenen Medaillen auf die verschiedenen Nationen.

Doch daran alleine liegt es sicher nicht, dass der deutsche Sport stagniert oder sich gar im Rückschritt befindet. Dafür sind die Stimmen aus den verschiedenen Fachverbänden, die mangelhafte Strukturen und/oder fehlende Mittel beklagen, viel zu laut. Was immer mehr Trainer und Sportler in Rio offen äußern: Deutschland ist nicht mehr zeitgemäß aufgestellt, um ganz vorne mitzuhalten.

160 Millionen Euro nicht genug

160 Millionen Euro investiert der Staat im Jahr 2016 in den Spitzensport. DOSB und Innenministerium regeln die Verteilung auf die Verbände. Dabei spielen die Erfolgsbilanz, aber auch die Perspektive eine Rolle.

Vesper sagt: "Dass wir mehr Mittel brauchen, ist unstreitig." Doch sollte nicht zunächst sichergestellt sein, dass das Geld auch effektiv verwendet wird und nicht in der Komplexität des Systems versickert?

"Wir sind an einem Punkt, wo wir sagen müssen: Wir haben insgesamt in den letzten 10, 20 Jahren im Leistungssport wenig reformiert", gibt Dirk Schimmelpfennig, Sportdirektor beim DOSB, im Gespräch mit SPORT1 zu: "Und die Gesamtergebnisse zeigen, dass das dringend notwendig ist." 

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Das Problem wurde bereits nach London langsam angegangen. Im März 2015 fiel der Startschuss für eine Reform der Sportförderung, am 19. Oktober dieses Jahres sollen dem Sportausschuss des Bundestages Zwischenergebnisse vorgelegt werden.

Man darf sie gespannt erwarten. Denn der dringlich erwartete Strategiewechsel geht alles andere als geräuschlos über die Bühne. Beim Zusammenspiel zwischen DOSB und den Fachverbänden knirscht es gewaltig.

Erst neue Strukturen schaffen, dann frisches Geld sinnvoll einsetzen, so stellt es Vesper dar. Klar ist, dass das komplexe System vereinfacht werden muss, um Reibungsverluste zu verringern. Die Abstimmung zwischen Bund, Ländern und Verbänden im jetzigen Modell kostet Kraft, Zeit und Geld.

Zehn Jahre Leerlauf?

"In anderen Nationen wird sicher mit anderen Konzepten herangegangen", sagt Schimmelpfennig. Die Konkurrenz investiert zum Teil stärker, lobt astronomische Medaillenprämien aus, hat aber auch modernere Herangehensweisen.

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So konzentrierte sich Großbritannien vor London 2012 mit sehr viel Vorlauf und letztlich sehr erfolgreich auf die Sportarten, in denen man Medaillenpotenzial sah. Das deutsche Modell geht eher in die Breite.

Wie die Reform auch aussieht, es wird dauern, bis sie greift. Ein Jahrzehnt, sagte Hörmann bei der Weichenstellung vergangenes Jahr, müsse man schon rechnen, bis das Ganze Früchte trägt.

Für Tokio 2020 darf man also noch nicht allzu viel erwarten. 2024 steigen die Spiele in Budapest, Los Angeles, Paris oder Rom.