Der 5. Juli 2014 sollte der Tag der Krönung des kometenhaften Aufstiegs der Eugenie Bouchard werden: Vor den Augen von Prinzessin Eugenie of York, nach der sie benannt ist, sollte die WTA-Tour ihre neue Queen bestaunen.

Was folgte, war eine knapp einstündige Lehrstunde von Petra Kvitova, die Bouchard viel mehr als nur das Match kostete. Denn anders als Sabine Lisicki ein Jahr zuvor, war die Kanadierin im Finale von Wimbledon nicht an ihren Nerven gescheitert und hatte ihre schlechteste Partie im Turnierverlauf abgeliefert.

Die Tschechin war Bouchard einfach in jeder Hinsicht überlegen gewesen. Seit dieser Ohrfeige im Wimbledon-Finale lautet Bouchards Bilanz 17 Siege bei 22 Niederlagen. Von den letzten elf Partien vor Eastbourne verlor sie zehn. Zahlen einer Top-200-Spielerin. Nicht von einer, die vor Kurzem noch in den Top 5 stand.

Auf Kournikovas Spuren?

Viele Kritiker sehen ihre nach Wimbledon deutlich angestiegenen Termine abseits des Courts als Hauptgrund für die Krise. Bouchard kann über diese Vorwürfe nur müde lächeln.

"Ich wusste nicht, dass ich täglich 24 Stunden Tennis spielen muss. Es gibt immer Leute, die nicht damit einverstanden sind, was du tust. Aber das bedeutet zumindest, dass du für etwas eingetreten bist und etwas in deinem Leben getan hat."

Dennoch wird ihr Name immer öfter mit Anna Kournikova in Verbindung gebracht, die nicht umsonst Namenspatin für die Poker-Hand Ass König ist: "Sieht gut aus, gewinnt selten".

Äußerlich bringt Bouchard zweifellos ähnliche Anlagen mit, weshalb die 1,78 Meter große Blondine vom Magazin Sports Pro zum besten vermarktbaren Athleten der Welt gekürt wurde - noch vor Weltstars wie Neymar, Lewis Hamilton oder Usain Bolt.

Das Tennis für "Genie" Bouchard nicht alles ist, sieht man auch daran, dass sie einen Modelvertrag bei der weltgrößten Modelagentur IMG unterzeichnet hat. Doch Fotoshootings für diverse Magazine sind bei Top-Spielerinnen wie Maria Scharapowa, Caroline Wozniacki oder Ana Ivanovic Normalität und tragen nicht die Hauptschuld an Bouchards sportlicher Krise.

Mentale Stärke plötzlich weg

Ihr größtes Problem steckt aktuell im Kopf. Denn Bouchards enorme mentale Stärke ist seit Wimbledon verschwunden.

In der Saisonpause beendet sie daraufhin ihre Zusammenarbeit mit ihrem langjährigen Trainer Nick Saviano. Mit dem Ex-Trainer von Viktoria Asarenka, Sam Sumyk, erhoffte sich Bouchard für 2015 den endgültigen Durchbruch und ihren ersten Grand-Slam-Titel.

Auf Anraten von Sumyk stellt die 21-Jährige ihr Spiel um und agiert mit mehr Topspin und nicht mehr so nahe an der Grundlinie. Diese Änderungen sollten mehr Sicherheit in ihr angriffslustiges Spiel bringen.

Niederlagen trotz klarer Führung

Doch das Gegenteil trat ein: Bouchards Fehler häuften sich und ihr Selbstbewusstsein litt durch jede weitere Niederlage. Wiederholt gab sie hohe Führungen aus der Hand, wurde hektisch.

Nach ihrer fünften Auftaktpleite 2015 bei den French Open sagte Bouchard ratlos: "Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Ich habe keine Erwartungen für die absehbare Zukunft."

Die Junioren-Wimbledon-Siegerin von 2012 muss erstmals Geduld beweisen. "Ich habe gelernt, dass es keine gerade Straße an die Spitze ist. Du musst geduldig sein und daran glauben, was du tust - egal, was passiert", sagte Bouchard bei ESPN.

In Eastbourne deutete sie gegen Alison Riske mit ihrer besten Leistung in den letzten Monaten an, dass sie auf dem richtigen Weg ist. Der nächste Rückschlag folgte jedoch umgehend, als sie wegen einer Bauchmuskelverletzung ihr Achtelfinale aufgeben musste.

Bouchard gab allerdings sofort Entwarnung und kündigte an, in Wimbledon auf jeden Fall an den Start zu gehen, "notfalls sogar auf einem Bein". Denn wo besser könnte Bouchard ihre Krise beenden, als an dem Ort, an dem sie ihren größten Erfolg feierte und gleichzeitig ihr Absturz begann.