Am Ende war die Demütigung perfekt.
Das sind Barcas Baustellen
Selbst ohne den gesperrten Cristiano Ronaldo ließ Real Madrid seinem großen Erzrivalen FC Barcelonaim Rückspiel des spanischen Supercups beim 2:0 keine Chance. Bereits im Hinspiel gab es im Wohnzimmer der Katalanen, dem Camp Nou, eine 3:1-Vorführung des Champions-League-Siegers und Meisters aus Madrid.
Zudem verletzte sich mit Luis Suarez noch ein Top-Angreifer am rechten Knie. Der Uruguayer wird vier bis fünf Wochen ausfallen und damit die ersten Saisonspiele verpassen.
"Zum ersten Mal in den neun Jahren, die ich nun in Barcelona bin, habe ich das Gefühl, dass wir Madrid unterlegen sind", zog Abwehrchef Gerard Pique ein bitteres Fazit nach den beiden Clasicos und gab damit auch einen kleinen Einblick in das Seelenleben der Blaugrana, bei denen die Alarmglocken bereits vor Saisonbeginn schrillen.
SPORT1 beleuchtet die Barca-Baustellen.
- Neymar-Ersatz
Seit Jahrzehnten lockt der FC Barcelona die absoluten Weltstars nach Katalonien, nun ging es einmal andersherum. Neymar, der wohl begehrteste und mit 222 Millionen nun auch teuerste Fußballprofi der Welt, verließ die Blaugrana mit 25 Jahren auf seinem Zenit gen Paris und das, nicht ohne einen Haufen Probleme zu hinterlassen.
Dass das für 12 Millionen Euro vom FC Everton zurückgekehrte Eigengewächs Gerard Deulofeu kein gleichwertiger Ersatz für den Brasilianer sein kann, ist eine logische Schlussfolgerung des gesunden Menschenverstands und war auch beim jüngsten Clasico offensichtlich.
Nun sollen es dem Vernehmen nach Liverpools Philippe Coutinho und Dortmunds Ousmane Dembele im Doppelpack richten. Die beiden Offensivkünstler sitzen auf gepackten Koffern. Dembele ist vom BVB nach seinem Trainingsstreik derzeit suspendiert, Coutinho provoziert ebenfalls seinen Abgang.
Barcas Not könnte nun beim BVB, der sich - wie Boss Hans-Joachim Watzke nochmals betonte - von seiner 150-Millionen-Ablöseforderung partout nicht abbringen lassen will, ordentlich die Kasse klingeln lassen.
Aber auch wenn beide kommen sollten, gibt es ein weiteres Problem. Selbst Neymar, der im Dreigestirn mit Suarez und Messi am Ende sensationelle 250 Treffer in 299 Partien erzielte, brauchte Monate, bis er mit seinen kongenialen Partnern harmonierte. Fraglich, ob dies bei Dembele und/oder Coutinho schneller gehen kann.
- Trainer
Barca setzt traditionell auf Trainer mit Stallgeruch, so auch bei Neu-Coach Ernesto Valverde, der bereits Ende der 80er Jahre für Barca als Spieler auflief.
Der 53-Jährige löste Luis Enrique nach drei Jahren an der Spitze ab und ist ob seiner Vergangenheit beim baskischen Ausbildungsverein Athletic Bilbao, den er mit Spielern aus der Region regelmäßig ins internationale Geschäft führte, eigentlich der prädestinierte Mann für die Kaderverjüngung.
Wie Valverde dies in die Praxis umsetzt und vor allem, wie er mit den weitaus höheren Ansprüchen bei Weltklub Barca in Zukunft umgeht, bleibt abzuwarten. Erst recht, wenn erste Erfolge ausbleiben.
- Nachwuchs
Doch woher nehmen, wenn nicht stehlen? Ein weiteres Problem ist der Nachwuchs.
Unter Luis Enrique schaffte es kein Absolvent mehr der berühmten "La Masia" in die Stammelf. Der letzte Volltreffer war tatsächlich Sergio Busquets, dessen Durchbruch aber bereits neun Jahre zurückliegt.
Im Sommer verließen zudem die Toptalente Jordi Mboula (AS Monaco), Eric Garcia (Manchester City) und Mateu Morey (FC Bayern München) den Verein und auch bei den begehrten Jungstars der Liga bekam zuletzt stets Real den Zuschlag.
Dani Ceballos, Theo Hernandez oder Sturmjuwel Marco Asensio, an allen war auch Barca dran, sie wechselten aber lieber zu den Königlichen nach Madrid, wo Trainer Zinedine Zidane auf die Jugend erfolgreich setzt.
- Xavi-Loch
Zudem bereitet das Xavi-Loch, das seit dem Abgang der Barca-Legende vor zwei Jahren im Mittelfeld klafft, Sorgen.
Ivan Rakitic und Sergio Busquets sind in Topform Weltklasse. Freilich auch der mittlerweile 33-jährige Andres Iniesta, der sich aber immer öfter mit Verletzungen und Tempoproblemen herumplagt.
Dahinter ist die Personaldecke im Kader aber extrem dünn.
- Fans gehen auf die Barrikaden
Auch deshalb regt sich derzeit massiver Widerstand gegenüber Klubpräsident Josep Maria Bartomeu. Auf Twitter fordern Teile der Fans unter dem Hashtag #BartomeuDimiteYa (dt.: Bartomeu tritt zurück) bereits unverblümt seine Ablösung.
Der Vorwurf: Schlechte Kommunikation, der Neymar-Abgang nach Paris, das Verkaufen der Toptalente im Sommer. Auch Neuzugänge wie Paulinho, der jüngst für 40 Millionen Euro aus China kam, stimmen die Fans nicht milde.
Die beiden Clasico-Niederlagen dürften an dieser Situation herzlich wenig geändert haben.