Wie ein D-Zug, der jeden Zwischenhalt ignoriert, rasten die Würzburger Kickers in den vergangenen Jahren durch die deutsche Fußballlandschaft.
Das steckt hinter Würzburgs Erfolg
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Auch in der Zweiten Liga sorgen die Franken für Furore. Mit einem Sieg gegen den FC St. Pauli (ab 19.45 Uhr LIVE im TV auf SPORT1 und im LIVETICKER) würden die Kickers am Aufstiegsrang zur Bundesliga schnuppern.
Alles begann 2014, als der Fahrplan "3x3 - in 3 Jahren in die 3. Liga" ausgerufen wurde. Mit dem gebürtigen Würzburger Bernd Hollerbach als Trainer wollten die "Rothosen" wieder Profifußball in der Stadt am Main etablieren.
Kickers schaffen doppelten Durchmarsch
Das Projekt "misslang" - der Aufstieg in die dritte Liga glückte bereits nach einem Jahr.
Diese Gelegenheit packten die Würzburger beim Schopf und gaben ihrer Strategie ein Upgrade. Nun lautete der Slogan "3x2 - Würzburg kann mehr!" Bis 2019 sollte Unterfranken eine Zweitligamannschaft haben.
Bernd Hollerbach ignorierte auch dieses Vorhaben und drückte das Gaspedal weiter durch. In der Relegation schlugen die Kickers den MSV Duisburg, um schließlich den Durchmarsch von der Regionalliga bis ins deutsche Unterhaus innerhalb von zwei Spielzeiten zu schaffen.
Ein Kunststück, an dem sich zuvor selbst RB Leipzig und 1899 Hoffenheim vergeblich versucht hatten.
Würzburg kann auch Fußball
Fußball war in Würzburg wieder hip. Die Kickers liefen den Bundesliga-Basketballern von s.Oliver Würzburg zunehmend den Rang ab. Auch der berühmteste Sohn der Stadt, NBA-Star Dirk Nowitzki, ließ sich vom Kickers-Fieber anstecken und feierte den Relegationstriumph via Twitter.
Vorbild Darmstadt
Das vermeintliche Märchen beruht auf harter Arbeit, Disziplin und Realismus. Dafür steht Hollerbach, der das Schleifen auf dem Trainingsplatz unter Felix Magath als Co-Trainer beim VfL Wolfsburg lernte.
Nach dem Prinzip Darmstadt verpflichteten die Kickers aufgrund des geringen Etats überwiegend ablösefreie Spieler.
Hollerbach setzt wie sein Lehrmeister auf eine optimale Fitness und sorgt damit bei den Spielern für Leistungsexplosionen, wie bei Nejmeddin Daghfous. Mit 30 Jahren schaffte er den Sprung in den erweiterten Kader der tunesischen Nationalmannschaft.
Zu einer defensiven Stütze entwickelte sich Keeper Robert Wulnikowski. Auch dank des 39-Jährigen haben die Würzburger die drittbeste Abwehr der Liga.
Kein Mäzenatentum am Main
Ein guter Start, doch Aufsichtsratschef Thorsten Fischer traut dem Verein mehr zu. "Wir wollen vielleicht auch irgendwann die Nummer eins in Franken sein. Da ist der Club aus Nürnberg uns Lichtjahre voraus. Aber wenn ich mir so ein Ziel nicht setze, werde ich da nie ankommen", so der 41-Jährige beim Bayerischen Fernsehen.
Dank seiner Online-Druckerei Flyeralarm kann er den Klub seit sieben Jahren unterstützen. Angeblich aber nur mit einem überschaubaren Risiko und nicht in dem Ausmaß, mit dem ein Dietmar Hopp Hoffenheim finanziert.
Ohne den Wirklichkeitssinn zu verlieren, träumt auch sein Trainer Hollerbach von Höherem. "Mein Ziel ist es, wieder einmal da zu trainieren, wo ich auch selbst gespielt habe, in der ersten Liga" erzählte er 11 Freunde.
Von der Ersten Liga will in Würzburg aber keiner etwas wissen. Das Beispiel des SC Paderborn, für den der Aufstieg letztlich zu früh kam und im Absturz endete, ist ein warnendes. Würzburg sollte lieber einen Zwischenstopp mehr einlegen, ehe der Zug in den Zielbahnhof Bundesliga einfährt.