Streng genommen ist ja nicht wichtig, was Uli Hoeneß sagt zum Thema Sportchef beim FC Bayern München. Sagt Uli Hoeneß zumindest selber.
Das neue Macht-Domino beim FC Bayern
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"Die Entscheidung über den Sportdirektor-Posten fällt der Vorstand, ich werde mich da nicht einmischen", hat der neue, alte Präsident des Rekordmeisters der Sport Bild soeben mitgeteilt.
Und sich im gleichen Atemzug doch in genau dieses Thema eingemischt. "Mir wäre am liebsten, Philipp Lahm würde seinen Vertrag als Lizenzspieler bis zum 30. Juni 2018 erfüllen", sagte Hoeneß. Was alles in Frage stellt, was der Vorstand um Karl-Heinz Rummenigge schon entschieden zu haben schien.
In die Diskussion, wer ab dem kommenden Jahr das Erbe von Matthias Sammer antreten soll, ist damit neue Bewegung gekommen. Ein Überblick über die Gemengelage - und die Folgen von Hoeneß' Wortmeldung:
Was will Hoeneß?
Siehe oben: Lahm soll seinen 2018 auslaufenden Vertrag noch erfüllen, also nicht im Sommer Sportdirektor werden.
Gleichzeitig hat Hoeneß aber auch gefordert, dass der Sportchef-Posten im Sommer 2017 neu besetzt werden soll ("und basta"). Lahm wäre damit aus dem Spiel, zumindest für die nähere Zukunft.
Was will Rummenigge?
"Den Namen haben Sie sicher schon gehört, den werden wir auch holen, aber der muss im Moment noch Fußball spielen", hatte der Vorstandsboss vergangenen Freitag bei der Jahreshauptversammlung in Bezug auf den kommenden Sportdirektor erklärt.
Wenn Rummenigge mit diesem Satz nicht die ganze Fußballwelt mal tüchtig austricksen wollte, war damit Lahm gemeint. Da er den Sportchef-Posten wie Hoeneß schon 2017 neu vergeben will, ist die logische Schlussfolgerung: Der Kapitän soll 2017 Sportchef werden.
Dieser Wunsch widerspricht dem von Hoeneß, der Rummenigges Vorstoß schon am Wochenende einbremste und nun mit einer noch konkreteren Ansage nachlegte. Sollte er Gehör finden, müsste ein anderer Sportdirektor als Lahm her.
Wer ist der Alternativ-Kandidat?
Der Name, der sich aufdrängt: Max Eberl. Der 43-Jährige hat eine Bayern-Vergangenheit und noch viel Funktionärs-Zukunft vor sich. Sein Verhältnis zu Hoeneß ist blendend, bei Borussia Mönchengladbach hat er sich bewiesen - und stößt dort gleichzeitig an Grenzen, die er mit einem Wechsel zu den Bayern überschreiten könnte.
In Gladbach ahnten sie wohl, was Hoeneß' Worte bewirken würden und schoben gleich am Mittwoch der Sache via Mail an die Medien einen Riegel für weitere Spekulationen vor: "Ich habe bei Borussia einen Vertrag bis 2020, ich fühle mich in Gladbach total wohl, ich will hier etwas erreichen und alles andere ist kein Thema für mich", wird Eberl zitiert.
Was würde aus Lahm, sollte ein anderer Sportchef kommen?
Hoeneß und Rummenigge sind sich einig, dass Lahm in jedem Fall einen Führungsposten bei Bayern bekommen soll. Sollte er bei der Sportchef-Suche übergangen werden, bräuchte er eine anderen Aufgabe.
Wie die zugeschnitten ist, hängt davon ab, was für eine Persönlichkeit Sportchef X wäre: Sammer beispielsweise wirkte vor allem auf das Team ein, überließ die Transfer-Detailfragen Rummenigge und Michael Reschke, formell Technischer Direktor des Klubs. Sollte Eberl doch noch zum Thema werden, würden sich dessen Kompetenzen eher mit denen von Reschke beißen und Lahm die Gelegenheit geben, den neuen Sammer zu machen. Und langfristig wohl den neuen Rummenigge.
Lahm schwebt vom Typ her zwischen dem Vorstandschef und dem Ex-Sportvorstand, er ist der Welt zugewandt, auf Du und Du mit den wirtschaftlichen Größen - hat aber zugleich auch ein feines Gespür für die Teamchemie und führt die Mannschaft nach innen stärker, als es nach außen hin den Anschein hat.
Die Abteilung Attacke, wie sie Hoeneß verkörpert, ist dem Diplomaten Lahm allerdings fremd. Womöglich hätte Hoeneß genau deshalb gern noch ein Gegengewicht a la Eberl. Man könnte auch sagen: einen Hoeneß der Zukunft.
Und was will Lahm selber?
Vor allem will er den für ihn richtigen Zeitpunkt für sein Karriere-Ende finden. Nach SPORT1-Informationen tendiert er stark bis sehr stark dazu, im Sommer aufzuhören. Und die Erfahrung mit seinem Rücktritt aus der Nationalelf zeigt, dass er sich in so eine Entscheidung nicht reinreden lässt, auch nicht von Hoeneß. Es geht Lahm darum, auf hohem Niveau abzutreten, nicht um taktische Erwägungen in der Sportchef-Frage.
Bei dem Thema hält er sich öffentlich bedeckt, hat nur geäußert, dass der Job im Sommer besetzt werden sollte. Nehmen würde er ihn, es gibt in jedem Fall kein gegenteiliges Anzeichen.
Hoeneß will genau das aber offensichtlich nicht - und es bleibt die Frage, wie Rummenigge mit den Bedenken des Präsidenten umgeht. Räumt er sie aus, ist klar: Lahm wird 2017 Sportdirektor.
Wenn nicht, steht der Rekordmeister vor sehr spannenden Monaten.