Das Spitzenspiel beim FC Bayern München entwickelte sich zur Lehrstunde für RB Leipzig.
Wie Bayern Leipzigs Taktik-Code knackte
© SPORT1-Grafik: Paul Hänel/Getty Images
Der Überflieger der bisherigen Bundesliga-Hinrunde bekam bei der 0:3-Niederlage in München deutlich die Grenzen aufgezeigt.
Wie hat es die Mannschaft von Carlo Ancelotti geschafft, die so gefürchtete Pressing-Taktik des Rekord-Aufsteigers auszuhebeln?
Ancelotti findet entscheidende Schwachstelle
Für das System von Ralph Hasenhüttl war es der ultimative Test, denn bis dahin hatte Leipzig noch gegen keinen derart spielstarken Gegner verteidigen müssen. Taktisch sowie physisch waren die Gäste allerdings nicht in der Lage, die Münchener Angriffsmaschinerie aufzuhalten.
Normalerweise überzeugen die Leipziger mit hoher Intensität in ihren Partien. Aber von Verletzungen gezeichnet und mit angeschlagenen Spielern auf dem Platz war dies im direkten Duell um die Tabellenführung nicht möglich.
Zudem fand Ancelotti exakt jene Schwachstelle im gegnerischen Pressingsystem, was seine Mannschaft auf die Siegerstraße brachte. Für den aus Leipziger Sicht ernüchternden Spielausgang waren demnach drei Gründe von entscheidender Bedeutung:
- Faktor 1: Vidal manövriert Angriffspressing aus
Zum ersten wurde das Angriffspressing der Gäste ausmanövriert, da sich Arturo Vidal aus dem Mittelfeld in die Abwehrlinie zurückfallen ließ, wenn Bayern eigene Angriffe eröffnete.
Allerdings positionierte sich der Chilene zumeist nicht zwischen den Innenverteidigern Mats Hummels und Javi Martínez, sondern er ging nach halblinks, um auf dieser Seite zusammen mit David Alaba Überzahl gegen Leipzigs Rechtsaußen Marcel Sabitzer zu schaffen.
War Sabitzer einmal überspielt, nahmen die bayerischen Angreifer Tempo über den Flügel auf und düpierten regelmäßig Rechtsverteidiger Bernardo.
- Faktor 2: Bayerns Flügel brillieren
Was schon auf den zweiten Grund für Leipzigs Niederlage hindeutet. Hasenhüttls Team konnte in der ersten Halbzeit in nahezu keiner Szene die Flügel effektiv verteidigen. Ein Anschauungsbeispiel war der bayerische Treffer zum 1:0.
Da die erste Pressinglinie häufig rasch aus dem Spiel war, fanden sich Bernardo und Marcel Halstenberg, aber auch die beiden offensiven Flügelspieler, in vielen Eins-gegen-Eins-Situationen wieder, in denen sie der Dynamik und Agilität der Bayern wenig entgegenzusetzen hatten.
Douglas Costa zog regelmäßig die Außenlinie entlang oder hinterlief wie bei der Elfmeterszene kurz vor der Halbzeitpause seinen Gegenspieler. Arjen Robben wurde mehrfach per Diagonalpass von Mats Hummels gesucht, um im Anschluss auf Halstenberg zuzudribbeln.
- Faktor 3: Thiagos neue Rolle
Zu guter Letzt gelang Ancelotti mit der personellen Umstellung im Mittelfeld ein genialer Schachzug. Der oftmals gescholtene Italiener positionierte Thiago auf der Zehnerposition vor Vidal und Xabi Alonso. Eine an sich simple Idee mit großer Auswirkung.
Denn Thiago hatte alle Freiheiten, um in den Zwischenräumen nach Lücken zu suchen. Gerade wenn die Bayern im Spielaufbau auf eine Seite verlagerten, war der Spanier im Zentrum neben oder hinter den Leipziger Sechsern anspielbar. Somit war das bayerische Angriffsspiel flexibel und die Gäste aus Sachsen mussten sowohl mit Gefahr über außen als auch durchs Zentrum rechnen.
Da zudem im eigenen Aufbauspiel für RB Leipzig wenig zusammenlief und die gefährlichen Tormöglichkeiten an einer Hand abzählbar waren, wurde das Spitzenspiel ein Reinfall für Hasenhüttl und sein Team.
Ancelotti beweist seinen Sachverstand
Ancelotti, während der Hinrunde öfters kritisiert, stellte seine Qualitäten als Taktiker unter Beweis, seine Spieler setzten seine Ideen um und ließen den manchmal vermissten Spielwitz wieder aufblitzen.
Selbst das in den vergangenen Monaten eher wenig intensive Pressing entwickelte besseren Zugriff und erzwang sogar den Treffer zum zwischenzeitlichen 2:0.
Ancelottis Bayern haben Hasenhüttls Leipzigern überdeutlich gezeigt, wer Herr im Hause ist.