Einen Betrag in zweistelliger Millionenhöhe hat der FC Arsenal letztes Jahr dem Vernehmen nach überwiesen, um sich die Dienste des früheren Chefscouts des BVB, Sven Mislintat zu sichern. Elf Jahre lang war er für Borussia Dortmund auf der Suche nach Talenten, erarbeitete sich den Spitznamen "Diamanten-Auge". Sein Abgang tat weh, doch die Schwarz-Gelben reagierten auf den Verlust.
Scouts als neue Erfolgsgaranten
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Im Sommer 2018 lotste Borussia Dortmund im Gegenzug Talente-Spürhund Sebastian Frank vom FC Liverpool in den Pott. Manchester United wiederum soll daran interessiert sein, Paul Mitchell, den RB Leipzig erst im Winter 2018 in seiner Scouting-Abteilung installierte, unter Vertrag zu nehmen.
Parallel zum Rennen um die besten Talente ist im Fußball inzwischen ein neuer Transfermarkt entstanden. Ähnlich wie für Spieler und Trainer stecken die Vereine immer mehr Ressourcen in die Aufstellung der Scouting-Abteilung.
In England hat diese Entwicklung bereits eine immense Dimension erreicht. Teilweise beschäftigen die Klubs über 50 Talente-Späher. Die Bundesliga setzt dagegen mehr auf qualitative Aufrüstung.
Mainz installiert Direktor für Scouting
Der FSV Mainz 05 hat als erster deutscher Verein einen neuen Direktorenposten geschaffen. Bernd Legien wurde vor dieser Saison zum "Direktor Scouting und Analyse" ernannt.
Neben der Koordination der Scouts und der Funktion als Schnittstelle zur sportlichen Leitung kümmert sich Legien vor allem um die Auswertung und Nutzung der Spieler-Datenbanken, die immer umfangreicher werden und an Relevanz gewinnen.
Werder Bremen setzt neuerdings auf Künstliche Intelligenz. Ein speziell entwickeltes System, das unzählige Scouting-Berichte und Daten über Spieler aus aller Welt sammelt und daraus zukünftige Marktwerte berechnet, soll den Scouts die Arbeit erleichtern.
Korell und Vossen für Gladbach-Erfolg verantwortlich
Trotz der zunehmenden Datenmenge und des immer größer werdenden Videomaterials, das den Scouts zur Verfügung steht, werden Stadionbesuche nicht ersetzt werden.
"Wir werden nie auf das Live-Scouting verzichten, weil das immer noch das wichtigste ist", betonte Steffen Korell, hochrangiger Mitarbeiter der in dieser Saison extrem erfolgreichen Scouting-Abteilung von Borussia Mönchengladbach, der NRZ.
Gemeinsam mit über zehn Scouts versucht er unter der Leitung von Chef-Talente-Späher Mario Vossen die Fohlen personell optimal zu verstärken. Dem Team gelangen mit Thorgan Hazard, Nico Elvedi, Denis Zakaria, Michael Cuisance und allen voran Alassane Plea im Laufe der letzten Jahre einige Transfercoups, die sich aktuell mit Platz zwei in der Bundesliga auszahlen.
Die Gladbacher legen bei der Spielerauswahl großen Wert auf Details. "Er muss zur Fußballphilosophie des Vereins und in die Vorstellungen des Trainers passen. Wir versuchen, ganz genau zu beurteilen, ob ein Spieler in unser Mannschaftsgefüge passt", verrät Korell den zentralen Punkt des Konzepts. Zudem legt er Wert darauf, dass Transfers wie Plea immer ein Produkt enger Zusammenarbeit ist.
Frau verstärkt Frankfurt-Scouts
Ähnlich ertragreich wie in Gladbach, arbeitet seit Jahren die Scouting-Abteilung von Eintracht Frankfurt. Seit 2016 steht Ben Manga an der Spitze, er folgte auf Legien, der sich Mainz anschloss. Ihn unterstützen seit 2017 unter anderem Matthias Hamann, Bruder von Didi Hamann, sowie Helena Costa. Die Portugiesin arbeitete schon als Frauen-Nationaltrainerin in Katar und im Iran.
Auch dank ihrer zahlreichen internationalen Beziehungen und Sprachkenntnisse gelangen der Eintracht zuletzt die Verpflichtungen von Carlos Salcedo (kam aus Mexiko), Chico Geraldes und Goncalo Paciencia (beide Portugal).
Wie hart der Job eines Talente-Spähers ist, offenbart Manga. Der Mann aus Äquatorialguinea schläft nur wenige Nächte pro Monat in seiner Wahlheimat Frankfurt. Ansonsten fliegt Manga um die Welt – von Spiel zu Spiel. Sein tägliches Arbeitspensum beträgt 18 Stunden, "aber mir macht das riesigen Spaß", sagte er op-online.
Sein Erfolgsrezept für erfolgreiche und nachhaltige Transfers lautet Vertrauen. Die sportliche Leitung des Vereins ist abhängig von ihren Scouts. Dabei ist eine Vertrauensbasis unabdingbar.
Talente vor allem aus Frankreich und der Schweiz
In dieser Saison sind auffällig viele Klubs in der oberen Hälfte zu finden, die sich im Scouting neu aufgestellt haben oder dieses intensiv betreiben.
Bestes Beispiel ist der BVB, der nach dem Abgang von Mislintat in Person von Chefscout Markus Pilawa und seinen Kollegen um Sebastian Frank das Niveau der Talente sogar noch einmal erhöht hat. Manuel Akanji, Achraf Hakimi, Paco Alcacer und Jadon Sancho sind nur ein paar der Neuzugänge, die gezündet haben.
Auch RB Leipzig legt unter Ralf Rangnick seit Jahren großen Wert auf Talente-Sichtung. Derzeit sind Paul Mitchell sowie Benjamin Ehresmann verantwortlich für die sinnvollen Ergänzungen des Kaders.
Hoffenheim (unter anderem mit Lutz Pfannenstiel) und Hertha BSC (Chefscouts: Sven Kretschmer und Torsten Wohlert) setzen aktuell hauptsächlich auf eigenen Nachwuchs, Spieler wie Reiss Nelson und Joelinton bei der TSG oder Valentino Lazaro und Javairo Dilrosun bei den Berlinern müssen aber auch erst einmal entdeckt werden.
Grundsätzlich ist in der Bundesliga klar die Tendenz erkennbar, dass die Vereine verstärkt auf Talente aus Frankreich und sekundär der Schweiz setzen. Von den genannten Teams hat jedes mindestens einen Spieler aus diesen beiden Ländern geholt.