Mats Hummels suchte nach Worten, die ihm später nicht "um die Ohren gehauen" werden. "Wir sind, in dem was wir machen, mit die Besten", sagte der Innenverteidiger schließlich. "Wir haben viele Topspieler und normalerweise auch eine gute Nationalmannschaft."
DFB-Team: Schönreden vs. Klartext
Doch dass man angesichts der historischen 0:3-Pleite in den Niederlanden nicht einfach zur Normalität übergehen kann, ahnte Hummels am späten Abend in Amsterdam schon selbst.
"Sie haben mir alle oft genug vorgeworfen in meiner Karriere, dass ich zu kritisch bin, und jetzt wird mir wahrscheinlich vorgeworfen, dass ich nicht kritisch bin", sagte Hummels. Seiner Meinung nach habe die DFB-Elf aber "kein schlechtes Spiel abgeliefert".
Auch Toni Kroos verlor sich mehr oder weniger in Schönfärberei. Das 0:3 sei fraglos "ergebnistechnisch ein Rückschlag", meinte der Mittelfeldstratege. "Es tut mir für die Mannschaft auch leid, weil wir so viel Aufwand betrieben haben."
Kimmich: "Schönreden bringt nichts"
Deutlicher wurde da schon Joshua Kimmich. "Schönreden bringt nichts mehr", redete der Bayern-Star Klartext. "Immer Pech ist kein Zufall."
Und Julian Draxler pflichtete Kimmich, der auf der Sechserposition zu einem der wenigen Lichtblicke zählte, bei: "Wir haben jetzt viele solcher Spiele aneinander gereiht. Wir müssen jetzt endlich mal eine Lösung finden."
Die Meinungen und Sichtweisen innerhalb des Teams von Bundestrainer Joachim Löw gehen augenscheinlich auseinander und zeugen von einem gewissen Generationenkonflikt.
Auf der einen Seite stehen mit Hummels (29), Kroos (28) und Manuel Neuer (32) verdiente Säulen der Weltmeister-Elf von 2014, auf der anderen formuliert die jüngere Generation um Kimmich (23) und Draxler (25) immer deutlicher ihre Führungsansprüche.
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"Was auffällt ist, dass die jungen Spieler selbstkritischer sind als die älteren. Die kommentieren eher verteidigend", analysierte Rene Weiler, Trainer des FC Luzern, im CHECK24 Doppelpass auf SPORT1.
Beckmann kritisiert Neuers Auftritt
Während Draxler die beiden späten Gegentore, die er mit Ballverlusten einleitete, einsichtig auf seine Kappe nahm, tat sich Neuer mit einem Schuldeingeständnis in Zusammenhang mit dem ersten Gegentor schwer.
"Eine Mitschuld habe ich auf jeden Fall", räumte Neuer zumindest ein, nachdem er vor Virgil van Dijks Treffer eine Ecke unterschätzt hatte. "Wir verlieren dann auch wieder zwei Kopfballduelle. Ich habe eine Mitschuld und unsere Defensivspieler auch."
Generell flüchtete sich der Kapitän der Nationalelf aber in Floskeln. Man müsse nach vorne schauen und versuchen, das Beste gegen Frankreich zu geben, sagte Neuer noch.
"Ich war maßlos enttäuscht über Manuel Neuer nach dem Spiel", kritisierte SPORT1-Experte Reinhold Beckmann im CHECK24 Doppelpass Neuers Auftritt. "Er ist Kapitän, er muss Dinge ansprechen. Das war ein Phraseninterview. Als ehemaliger Welttorhüter darf ich mir was rausnehmen."
Hummels wirkt dünnhäutig und angefasst
Dass Hummels anschließend auch noch zu einer Medienschelte ausholte, kam bei Beckmann ebenfalls nicht gut an.
"Die Haut ist dünn, er wirkt richtig angefasst. Sonst ist Hummels in der Lage, die Dinge intellektuell anders zu interpretieren. Da merkt man, dass die Dinge bei ihm nicht laufen", sagte Beckmann.
"Er muss merken, dass wir aus einer WM kommen, wo sich eine Mannschaft selbstgefällig präsentiert hat. Diese Selbstgefälligkeit ist doch das, was bei den Fans hängen geblieben ist. Da muss man jetzt mal Demut zeigen."
Hummels hatte den seiner Meinung nach "respektlosen Umgang" der Presse mit den Spielern angeprangert. "Wir werden teilweise behandelt wie Vollamateure. Aber damit müssen wir leben", sagte er.
Weiler: Älteren Spielern fehlt Heißhunger
Dennoch ist für Weiler auch offensichtlich, dass die erfahreneren Spieler ihren Zenit schon überschritten haben. "Vielleicht haben sie den Heißhunger nicht mehr, den es braucht, um auf diesem Niveau diese Spiele gewinnen zu können."
Nur ein Sieg im kommenden Spiel der Nations League bei Weltmeister Frankreich am Dienstag würde helfen, auch die Diskussionen um den Bundestrainer Löw etwas zu beruhigen. Den Vorwurf, dass er nach dem Triumph 2014 zu lange an seinen WM-Helden festgehalten habe, wollte Löw so nicht stehen lassen: "Es ist wichtig, dass wir eine gute Mischung zwischen jung und erfahren haben."