Hallo Fußball-Freunde,
Reif: Dann hast Du eine Löw-Debatte
der Druck auf Joachim Löw ist groß nach dieser WM und dem Aus in der Nations League. Wenn das in der EM-Qualifikation nun gleich krachend schief geht gegen Holland, dann hast du morgen eine Löw-Diskussion.
Doch natürlich muss er was ausprobieren. Der Satz "Ergebnisse sind wichtig, nicht Erkenntnisse" ist deshalb absurd. In Testspielen wie gegen Serbien musst Du Erkenntnisse sammeln. Wer ist wozu in der Lage? Mit wem kann ich länger planen? Und zwar mit Blick auf das nächste Turnier.
Was dazwischen ist, ist normalerweise nicht so furchtbar wichtig. Allerdings sind wir nicht in einer normalen Phase. Der Weltmeister hat in Russland ein absurd schlechtes Turnier gespielt und ist vorzeitig nach Hause gefahren.
Löw hat bei der WM weder die Einstellung der Spieler hinbekommen, noch hat er – wie sich dann herausgestellt hat – die richtigen Spieler aufgestellt. Schon da hätte man nach dem Leistungsprinzip Jüngere ranlassen müssen.
Dann hat er die Nations League mit dem praktisch identischen Personal gespielt. Das hat er gemacht, um den Spielern die Chancen zu geben zu zeigen, dass sie es besser können. Das ist auch schief gegangen.
Und: Schließlich hat Löw zwei Monate für die Analyse seines Scheiterns gebraucht. Für Erkenntnisse, die ein Regionalliga-Trainer zwölf Minuten nach dem Schlusspfiff hätte.
Doch es dauerte wieder derart lange, bis Löw nach München gefahren ist, um dort drei 29- und 30-Jährige auszusortieren (Thomas Müller, Mats Hummels und Jerome Boateng, Anm. d. Red.) – und zwar auf ewig, was ich nicht nachvollziehen kann.
Am Ende geht es aber auch um Fortune. Ein leitender Angestellter kann prima Ideen haben, aber irgendwann muss Löw Ergebnisse liefern. Das kann er nicht in seiner eigenen Welt machen, wir schauen halt zu dabei. Es ist keine Geduld da.
Wenn ich dazu auf Löws Personal schaue: Toni Kroos ist ein überragender Fußballspieler, so eine Art lebendes Metronom, der im Mittelfeld den Takt vorgibt. Allerdings: Als Ajax Amsterdam aus Madrid in der Champions League Hackfleisch gemacht hat, war Kroos ein Gesicht der Real-Krise. Völlig außer Form, keine Impulse, es kam nichts.
Löw macht sich angreifbar, wenn er ihn für unverzichtbar erklärt. Es geht ja nicht um Haltungsnoten, sondern darum, an wem sich die Anderen orientieren.
Wenn ich mir dann die Innenverteidigung anschaue: Niklas Süle muss mir erst mal nachweisen, dass er eine Abwehr führen kann. Beim FC Bayern haben sie zwar gesagt, dass er gesetzt ist, und Hummels oder Boateng sich dann um Platz streiten. Auf dem Platz konkret aber kümmern sich Hummels und Boateng wahlweise auch um Herrn Süle, und der guckt, was er denn darf. Thema Spieleröffnung: Die kommt meist von Hummels, nachdem ihm Süle den Ball gegeben hat.
Dann Antonio Rüdiger bei Chelsea: Da ist David Luiz. Rüdiger spielt keinen Ball in der Innenverteidigung, ohne dass der das abgenickt hat.
Bliebe noch Matthias Ginter: Wenn Du mir sagst, dass der hinten so richtig die Sache in die Hand nimmt und die Kommandos gibt – niemals im Leben. Deshalb habe ich es auch immer so verstanden, dass Du eine Mischung und Balance aus Jungen und Erfahrenen brauchst.
Die Torwartfrage wiederum ist für mich nicht das zentrale Thema – jedes Land wäre glücklich, wenn es solche Torhüter wie Deutschland hätte. Und doch: Ter Stegen spielt noch Champions League, hält überragend. Neuer dagegen macht zuletzt Fehler, die er davor nicht gemacht hat.
Wenn man also sagt, an einem Zeitpunkt X müssen auch die Besten spielen, so würde das nun für Ter Stegen sprechen. Aber wenn wir sagen, Löw hält an Neuer fest, dann setzt er das Leistungsprinzip außer Kraft.
Euer Marcel Reif
Marcel Reif ist nach rund 1.500 kommentierten Spielen eine Reporter-Legende. Für seine Arbeit erhielt Reif unter anderem den "Grimme Preis", den "Deutschen Fernsehpreis" und den "Bayerischen Fernsehpreis". Seit Sommer 2016 begleitet Marcel Reif als Experte den CHECK24 Doppelpass auf SPORT1.