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So überwand Brych das Phantomtor

Deutschlands bester Schiedsrichter Felix Brych spricht bei SPORT1 über seine Zeile bei der WM 2018, den Videobeweis und die Folgen des Phantomtors.
Videobeweis, die WM in Russland, persönliche Niederlagen – Felix Brych, Deutschlands einziger WM-Schiedsrichter, gewährt im SPORT1-Interview tiefe Einblicke.
Hartwig Thöne
Hartwig Thöne

Nach dem Pokalfinale zwischen Eintracht Frankfurt und Bayern München (3:1) stand Schiedsrichter Felix Zwayer im Fokus des öffentlichen Interesses. Felix Brych kennt solche Situationen aus eigener Erfahrung. Deutschlands bester Schiedsrichter und WM-Referee verzichtet daher bewusst auf eine Bewertung der Entscheidungen des Kollegen in Berlin. Im SPORT1-Interview spricht Brych stattdessen über seine größte Niederlage, seine WM-Vorbereitung und -Ziele und Bibiana Steinhaus.  

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SPORT1: Herr Brych, Sie standen am letzten Bundesligaspieltag noch einmal im Mittelpunkt. Wie waren die letzten wilden Minuten in Hamburg aus Ihrer Sicht?

Felix Brych: Das war nicht schön, aber ich stand mit den Verantwortlichen und den Spielern auf dem Platz im guten Kontakt und alle wollten, dass der Sport gewinnt – und nicht diese paar Chaoten. Deswegen haben wir uns auch mit Hilfe der Verantwortlichen dazu entschieden, dass Spiel nochmal anzupfeifen und ordentlich zu beenden. Wichtig ist, dass alle ruhig bleiben, die auf dem Platz stehen. In diesem Zusammenhang möchte ich auch die Spieler ausdrücklich loben. 

SPORT1: Hamburg war für Sie ein Finale Furioso. Welches Fazit ziehen Sie für sich von der kompletten Spielzeit?

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Brych: Der Start war für mich nach dem Champions-League-Finale etwas kompliziert. Das war mein großes Ziel und danach fiel ich – wie alle großen Sportler auch – in ein Loch. Ich musste erst einmal alles verarbeiten. Dann kam der Videobeweis, was für alle Beteiligten etwas komplett Neues war. Zudem verletzte ich mich gleich im zweiten Spiel und musste ausgewechselt werden. Anschließend war ich dann häufiger beim Physio als auf dem Platz. An den Videobeweis musste man sich erst gewöhnen. Dann gab es die eine oder andere Entscheidung, mit der man nicht zufrieden war. Und so ist die Hinrunde dann ein wenig an mir vorbei gelaufen.

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SPORT1: Welche Konsequenzen haben Sie daraus gezogen?

Brych: In der Winterpause haben wir uns dann zusammengesetzt, analysiert und Maßnahmen getroffen für die Rückrunde – gerade ein puncto Videobeweis. Das lief dann für uns alle ein bisschen besser. In der Champions League hatte ich dann viele große Spiele, habe auch in der Bundesliga wieder besser gepfiffen und bin mit der Rückrunde sehr zufrieden. 

SPORT1: Generell waren die Schiedsrichter in der Hinrunde deutlich mehr Thema als in der Rückrunde. In der Hinrunde hat mit Bibiana Steinhaus die erste Frau in der Bundesliga gepfiffen. Kann man sagen, das ist zum Glück kein Thema mehr?

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Brych: Genau so kann man es sagen. Bibiana hat es wirklich super gemacht. Gerade auch physisch. Der Fußball ist da ziemlich stark angewachsen und da hält sie mit. Da kann man ihr wirklich ein großes Kompliment aussprechen. 

SPORT1: Ist die Angst vor dem Scheitern, dem Fehlpfiff, der Fehlentscheidung bei Ihnen größer als der Genuss, jede Woche bei solchen großen Ereignissen dabei zu sein?

Brych: Demut ist ganz wichtig. Ich denke für jeden Sportler, vor jedem Wettkampf. Wir Schiedsrichter sind viel alleine. Natürlich macht man sich da auch Gedanken übers Scheitern, aber die Freude überwiegt. Nicht während des Spiels, denn das ist harte Arbeit, da muss man sich konzentrieren. Aber nach dem Spiel, wenn die Entscheidungen gepasst haben, fällt die Anspannung in der Kabine ab. 

SPORT1: Wie gehen Sie denn mit eigenen Niederlagen um? Nehmen Sie uns einmal mit in Ihre Gedankengänge nach dem Phantomtor von Leverkusens Stefan Kießling damals in Hoffenheim.

Brych: Das war damals nicht nur in der Kabine schlimm, sondern auch noch die nächsten Tage. Ich musste am Dienstag darauf Mailand gegen Barcelona in der Champions League pfeifen und mich dafür wieder einigermaßen in einen mentalen Zustand bringen, in dem ich so ein Spiel leiten kann. Ich habe schon vor dem Spiel gemerkt, dass ich ziemlich im Fokus stehe. Das bedeutet, dass etwas nicht geklappt hat. Damals in Hoffenheim war mir wichtig, mich gleich zu stellen. Das war für mich eine Art Abschluss dieses Abends. Ich bin direkt vor die Kamera getreten und habe meine Situation erklärt. Es ist wichtig, Verantwortung zu übernehmen, zu spüren und auch kundzutun. Das war damals eine heftige Niederlage, an der ich lange zu knabbern hatte. Das gehört dazu und macht einen in den meisten Fällen sogar noch stärker. So war es bei uns damals auch.

Brych entschuldigt sich bei TSG
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Brych entschuldigt sich bei TSG

SPORT1: Jetzt ist es für Sie regeltechnisch gar nicht so einfach. Es gibt unterschiedliche Rahmenbedingungen wie den Videobeweis und die Anzahl der Assistenten bei nationalen und internationalen Spielen...

Brych: Dieses Jahr war es ganz extrem. Wir hatten Spiele in der Bundesliga mit Videoassistenten, in der Zweiten Liga ohne, in der Champions League mit sechs Assistenten aber ohne Videobeweis, Länderspiele in der WM-Qualifikation ohne Videobeweis und teilweise auch ohne Torlinientechnik. Das ist auf der einen Seite ein wenig kompliziert aber auf der anderen Seite wieder ganz gut, weil man sich jedes Mal neu einstellen und vorbereiten muss. Wir haben es ganz gut hinbekommen. 

SPORT1: Welches Modell ist für Sie am zukunftsträchtigsten?

Brych: Mittlerweile geht es mir darum, jede Hilfe anzunehmen, die möglich ist. Das Spiel ist so schnell geworden. Schon die Einführung der Strafraumschiedsrichter war gut. Dann kam die Torlinientechnik – vielleicht auch aufgrund des Kießling-Tors (grinst). Und jetzt eben der Videobeweis als Fallschirm, wenn es mal ganz eng wird. Anfangs hatten wir Probleme, und ich habe mich damit nicht so wohl gefühlt. Am letzten Spieltag in Hamburg hat er mir sehr geholfen, mittlerweile komme ich damit ziemlich gut zurecht.

SPORT1: Also sind Sie ein Anhänger des Videobeweises?

Brych: Ich bin ein Anhänger von jeder Hilfe, die wir bekommen können. Dazu gehört eben auch der Videobeweis.

SPORT1: Tatsächlich hat sich dadurch ja das Spiel verändert.

Brych: Die Entscheidung treffe noch immer ich als Schiedsrichter. Jetzt gibt es jemanden, der mich auf eventuelle Fehler hinweist. Dann muss ich mir das in der Onfield-Area anschauen und aufgrund meiner eigenen Wahrnehmung entscheiden. Anfangs war das komisch, dass da jemand im Hintergrund Entscheidungen überprüft. Wir haben damals noch nicht so genau herausgefiltert, wann der wirklich eingreifen darf. Das war auch für uns Neuland. Wir mussten auch Erfahrungen sammeln. 

SPORT1: Wie wird es denn bei der WM ablaufen?

Brych: Wir fliegen am 3. Juni nach Moskau und werden uns dann entsprechend vorbereiten. Wie es dann genau vor Ort ablaufen wird, erfahren wir erst in Russland. 

SPORT1: Was sind denn Ihre WM-Ziele?

Brych: Ich bin Sportler. Daher möchte ich natürlich eine gute WM machen mit meinem Team. Wir wollen zeigen, dass wir den Anforderungen standhalten können. Da es unsere zweite WM ist, wissen wir schon ein wenig, was auf uns zukommt. Das Los eines Schiedsrichters hängt von vielen Faktoren ab, die wir nicht beeinflussen können - gerade das Abschneiden der deutschen Mannschaft. Deswegen kann man keine besonders großen Ziele aussprechen. Ich denke, dass wir ganz gute Spiele bekommen werden. Und die möchten wir gut pfeifen.

SPORT1: Sind Sie ein wenig im Zwiespalt? Wenn Löw und Co. weit kommen, würde das für Sie das frühe Aus bedeuten bzw. es ab dem Viertelfinale deutlich schwieriger machen...

Brych: Das ist ein Thema. Man kann das nicht von der Hand weisen. Aber ich kann auf eine ziemlich gute Laufbahn zurückblicken und bin froh, wie alles gelaufen ist. Ich habe jetzt keine großen Ansprüche mehr. Mein Ziel ist es gesund zu bleiben und meine Spiele gut zu pfeifen. 

SPORT1: Joachim Löw hat einen strikten Plan, mit Trainingslager und allem was dazu gehört. Wie sieht Ihre Vorbereitung aus?

Brych: Ähnlich. Es ist zwar kein Trainer vor Ort. Aber wir haben Remote-Trainer, die uns das ganze Jahr über mit Trainingsplänen versorgen. Wie wir Spiele vorbereiten, wie wir Spiele nachbereiten. So ist es jetzt auch bis zur Anreise nach Moskau. Da kommen dann natürlich noch technische Dinge dazu. Wir werden uns die Stadien und unsere Arbeitsplätze anschauen.

SPORT1: Es gibt die Torlinientechnnik und den Videobeweis bei der WM. Wie viele Schiedsrichter sind pro Spiel im Einsatz?

Brych: Wir sind vier am Platz und drei Videoschiedsrichter in der Box - den Hauptvideoschiedsrichter, einen Assistenten und eine Art Supervisor, der das ganze Geschehen überwacht und im Zweifelsfall eingreifen kann.

SPORT1: Zum Abschluss noch einmal: Der These, der Videoschiedsrichter wird die WM versauen, würden Sie entgegentreten?

Brych: Auf jeden Fall.