Home>Leichtathletik>Leichtathletik-WM>

Leichathletik-WM: DLV-Arzt Andrew Lichtenthal über Hitze und Risiko in Katar

Leichtathletik-WM>

Leichathletik-WM: DLV-Arzt Andrew Lichtenthal über Hitze und Risiko in Katar

{}
{ "placement": "banner", "placementId": "banner" }
{ "placeholderType": "BANNER" }

DLV-Arzt über Hitze und Risiken

Mit dem Marathon und 20km Gehen stehen noch zwei WM-Wettbewerbe außerhalb des klimatisierten Stadions an. SPORT1 spricht mit DLV-Arzt Andrew Lichtenthal über die Risiken.
Die Leichtathletik-WM in Doha ist ein Anschlag auf den Sport. Der SPORT1-Kommentar von Matthias Becker, stellvertretender Chefredakteur Digital.
Johannes Fischer
Johannes Fischer

Noch nie in der Geschichte von Leichtathletik-Weltmeisterschaften standen Titelkämpfe so sehr in der Kritik wie die aktuellen von Doha. Kaum Zuschauer, miese Stimmung und der späte Zeitpunkt, der die Olympia-Vorbereitung stört, machen die WM bereits jetzt zur Farce.

{ "placeholderType": "MREC" }

Das größte Thema bleibt aber die große Hitze, die die Marathonläufer und Geher an ihre Grenzen bringt - und darüber hinaus. 

Vor den abschließenden Wettkämpfen der Männer über 20 Kilometer Gehen und im Marathonlauf fragte SPORT1 beim leitenden DLV-Mannschaftsarzt Dr. Andrew Lichtenthal nach, ob eine Leichtathletik-WM unter diesen Voraussetzungen überhaupt zu verantworten ist.

SPORT1: Dr. Lichtenthal, wenn man sich die Bilder der ersten Wettkampftage ansieht und mit den Athleten spricht, kann man daraus schließen, dass die Weltmeisterschaft auf dem Rücken der Geher und Marathonläufer ausgetragen wird?

{ "placeholderType": "MREC" }

Dr. Andrew Lichtenthal: Sie haben definitiv sehr schwierige Bedingungen. Unser Team ist zum Glück sehr gut vorbereitet und wurde perfekt auf die Bedingungen eingestellt. Seit Ende letzten Jahres beschäftigte sich das medizinische Kompetenzteam des DLV sowie medizinische Experten der Berliner Charité mit den besonderen Bedingungen. Aufgrund des Hitzemanagements haben unsere Athletinnen und Athleten die besonderen klimatischen Verhältnisse sehr gut weggesteckt.

Lesen Sie auch
Japan's Takashi Eto competes in the Men's High Jump heats at the 2019 IAAF Athletics World Championships at the Khalifa International stadium in Doha on October 1, 2019. (Photo by Antonin THUILLIER / AFP)        (Photo credit should read ANTONIN THUILLIER/AFP/Getty Images)
Leichtathletik-WM, Doha, Katar
Leichtathletik-WM
DOHA, QATAR - SEPTEMBER 27: Alisa Vainio of Finland is taken off on a wheelchair after the Women's Marathon on day one of 17th IAAF World Athletics Championships Doha 2019 at Khalifa International Stadium on September 27, 2019 in Doha, Qatar. (Photo by Alexander Hassenstein/Getty Images for IAAF)
+12
Leichathletik-WM in Doha: Die WM der Extreme

SPORT1: Kann man Marathonläufe und die Wettbewerbe im Gehen bei solchen Temperaturen ohne schlechtes Gewissen verantworten?

Dr. Lichtenthal: Das ist schwierig. Ich denke, man muss die Kriterien abwägen, wann so ein Rennen abgesagt wird. Das bestimmen aber nicht wir. Die medizinische Abteilung muss intensiv mit an Bord genommen werden. Ich habe mich lange mit Dr. Stephane Bermon, Leiter der medizinischen Abteilung der IAAF, unterhalten. Natürlich hat er keinen leichten Job. Das ist ein sehr guter Mediziner und er hat Kriterien festgelegt. Bis zum Schluss hat man überlegt, ob man Laufen kann oder nicht. Stephane ist jemand, der nüchtern analysiert und wenn es sein muss Rennen absagt.

SPORT1: Sind auch deshalb keine deutschen Starter bei den Marathonrennen gemeldet oder wären auch bei anderen Bedingungen keine deutschen Teilnehmer am Start gewesen?

{ "placeholderType": "MREC" }

Dr. Lichtenthal: Ich habe mit unseren Marathonläufern nicht gesprochen. Es gibt Athleten, die es ohne Probleme wegstecken, andere, die mehrere Wochen im Training eingeschränkt sind. Und letztlich muss man sich erst einmal über die Nominierungsrichtlinien qualifizieren.

Noch zwei Wettbewerbe außerhalb des gekühlten Stadions

SPORT1: Jetzt stehen noch zwei Wettkämpfe außerhalb des gekühlten Stadions an. Die 20 Kilometer Gehen und der Marathon der Männer. Wie werden dort die Bedingungen sein? Wird es ein bisschen kühler oder muss man die Befürchtung haben, dass es wieder Bilder von kollabierenden Athleten gibt?

Dr. Lichtenthal: Mein Team und ich werden die 20 Kilometer Gehen betreuen, denn es sind drei Sportler von uns mit dabei. Gestern und vorgestern Abend waren die Bedingungen deutlich besser. Es war weniger schwül und die Temperatur ist gefallen. Ich bin jetzt seit zwei Wochen hier und es kann sein, dass ich mich inzwischen an die Bedingungen gewöhnt habe. Wir machen es bei den Gehern genauso, wie bei den anderen Rennen. Wir sind an der Strecke und werden die Sportler optimal betreuen.

DAZN gratis testen und Sport-Highlights live & auf Abruf erleben | ANZEIGE

SPORT1: Hat man bei der IAAF schon die Hitzekapseln ausgewertet?

Dr. Lichtenthal: Das ist zu früh. Das geht nicht so schnell. Ich war an der Geherstrecke und habe beobachtet, wie alles analysiert wird. Die Athleten werden vor dem Rennen gewogen und mit einer Wärmebildkamera fotografiert. Nach dem Rennen genauso. Die Ergebnisse brauchen ein paar Monate, bis die Analyse abgeschlossen ist. Ich bin sehr gespannt auf die Ergebnisse, weil ich wissen möchte, wie welcher Athletentyp auf die unterschiedlichen Bedingungen reagiert.

Daten auch für Tokio 2020 wichtig

SPORT1: Das ist dann auch schon für Tokio wichtig?

Dr. Lichtenthal: Absolut. Tokio hat schon viel Erfahrung mit dem Marathon und die starten schon um 6:00 Uhr am Morgen, da dort die besten Bedingungen herrschen. In Tokio ist das Stadion nicht gekühlt und deswegen sind die Ergebnisse enorm wichtig, weil dann auch die Athleten im Stadion mehr mit der Hitze zu kämpfen haben. Wir können es schon als Vorbereitung für Tokio sehen.

TIPP: Hitze! Was wirklich hilft?

SPORT1: Werden die Athleten dort schon früher anreisen, um sich zu adaptieren?

Dr. Lichtenthal: Auf alle Fälle. Ich denke, dass wir in der Nähe bei ähnlichen klimatischen Verhältnissen trainieren werden.

Johannes Fischer berichtet für SPORT1 von der Leichtathletik-WM 2019 in Doha
Johannes Fischer berichtet für SPORT1 von der Leichtathletik-WM 2019 in Doha

Ärzte müssen Athleten auch vor sich selbst schützen

SPORT1: Ab welcher Körpertemperatur wird es für einen Sportler gefährlich?

Dr. Lichtenthal: Wir wissen nicht ganz sicher, ab welcher Körperkerntemperatur eine optimale Performance des Athleten stattfinden kann. Rein biochemisch-pathophysiologisch bekommt der Körper ab 42 Grad und höher Probleme, aufgrund der Tatsache, dass es hierbei zu Proteindenaturierung kommen kann. Unser Körper hat hierzu Mechanismen, um dies zu verhindern. Athleten können auch mal mit einer Körperkern-Temperatur von 40 Grad ihre Leistung bringen. Ideale Temperaturen für eine gute Leistung sind circa 38,5 bis 39 Grad.

Die besonderen Stars der Leichtathletik-WM 2019
Katharina Bauer
Katharina Bauer scheiterte bereits in der Qualifikation
Karsten Warholm
+15

SPORT1: Gibt es eine Fürsorgepflicht, wenn ein Sportler sichtlich Probleme hat? Kann man ihn notfalls gegen seinen Willen aus dem Rennen nehmen?

Dr. Lichtenthal: Das ist unsere Aufgabe und eigentlich sind die Ärzteteams insbesondere für solche Problemstellungen vor Ort. Von ärztlich-medizinischer Seite müssen wir viel organisieren, aber in dem Moment, in dem ein Sportler oder Teammitglied aufgrund gesundheitlicher Komplikationen erkennbar nicht mehr bewusst entscheiden kann, ob das was er macht korrekt ist, müssen wir als medizinische Abteilung handeln. Ich hätte auch kein Problem einen Geher aus dem Rennen zu nehmen, wenn er neurologisch und kreislauftechnisch auffällig ist.

SPORT1: Im Stadion herrschen dank der Klimaanlage nahezu ideale Temperaturen. Allerdings ist der Wechsel zwischen der Hitze außerhalb und den kühleren Innentemperaturen gefährlich. Was haben Sie den Athleten geraten?

Jetzt aktuelle Sportbekleidung bestellen - hier geht's zum Shop | ANZEIGE 

Dr. Lichtenthal: Ganz einfache Dinge wie Wechselkleidung, Kälte- und Wärmefolien. Falls sie etwas länger im T-Shirt oder Trikot unterwegs sind und frieren, können sie sich diese überziehen. Sie haben ihre Pullover und wirklich mannigfaltige Kleidungsstücke dabei. Wir haben außerdem geraten, dass die Sportler ausreichend Flüssigkeit zu sich nehmen. In der Regel im Verhältnis 50% Wasser und 50% Elektrolytlösung.

Klimaanlage kein großes Problem

SPORT1: Hat es im deutschen Team schon eine Erkältung gegeben?

Dr. Lichtenthal: Sehr wenige. Zwei Erkältungen gab es. Hier war aber die Klimaanlage im Flugzeug eher der Auslöser, denn dort kann man tatsächlich alle Klimazonen innerhalb kürzester Zeit erleben. Deswegen empfehlen wir, dass die Sportler im Flugzeug eine Jacke mitnehmen. Alle Athleten haben eine Nasensalbe und eine Nasenspülung als Schutz bekommen. Zwei richtige Erkältungen gab es und ein paar Klagen über Halsschmerzen. Wir haben aber viel weniger Erkältungen erlebt, als wir es erwartet hätten. Ich hoffe, dass das etwas mit unserer guten Vorarbeit zu tun hat.

CHICAGO, IL - OCTOBER 07: Galen Rupp of United States reacts following the 2018 Bank of America Chicago Marathon on October 7, 2018 in Chicago, Illinois. Rupp finished fifth in 2:06:21. (Photo by Andrew Weber/Getty Images)
Galen Rupp setzte sich über 10.000 Meter durch
Suguru Osako of Japan reacts after finishing third in the Chicago Marathon in Chicago, on October 7, 2018. - British athletics star Mo Farah won the Chicago Marathon men's title on Sunday in an unofficial time of 2hr 5min 11sec, shattering a European record with a spectacular finishing surge. The world and Olympic 5,000 and 10,000-meter champion became the first British man to capture the event since Paul Evans in 1996.The 35-year-old Somalia-born Briton claimed the biggest victory since he turned his attention to the distance a year ago to defeat Ethiopia's Mosinet Geremew by 13 seconds with Japan's Suguru Osako third in 2:05:50. (Photo by JIM YOUNG / AFP) / The erroneous mention appearing in the metadata of this photo by JIM YOUNG has been modified in AFP systems in the following manner: [Suguru Osako of Japan] instead of [Suguru Osaka of Japan]. Please immediately remove the erroneous mention from all your online services and delete it from your servers. If you have been authorized by AFP to distribute it to third parties, please ensure that the same actions are carried out by them. Failure to promptly comply with these instructions will entail liability on your part for any continued or post notification usage. Therefore we thank you very much for all your attention and prompt action. We are sorry for the inconvenience this notification may cause and remain at your disposal for any further information you may require.        (Photo credit should read JIM YOUNG/AFP/Getty Images)
+14
Die Athleten des Nike Oregon Projects

SPORT1: Abseits der klimatischen Bedingungen: Was sagen Sie zur Diskussion um Konstanze Klosterhalfen? Ist es gerechtfertigt, dass sie so massiv in der Kritik steht, obwohl das, wofür Salazar gesperrt wurde, weit vor ihrer Zeit in den USA liegt?

Dr. Lichtenthal: Ich möchte dazu nicht viel sagen. Sie kennen unser offizielles Statement. Es ist aber das normalste der Welt, dass dies in einem Gesamtkontext gesehen und diskutiert wird. Konstanze und alle anderen unserer Athletinnen und Athleten wurden und werden mehrfach im Jahr kontrolliert und nichts wurde bisher beanstandet.