Michael Schumacher war schon immer kompromisslos. In jeglicher Hinsicht.
Schumacher: Legende mit zwei Seiten
Was sein Privatleben betraf, da gab es nie zwei Meinungen: Keine Chance, auch am 3. Januar nicht, als zu seinem 50. Geburtstag Fans in aller Welt wissen wollten, wie es ihm fünf Jahre nach seinem verhängnisvollen Skiunfall genau geht.
Privat ist privat und bleibt privat. Deshalb geht die Familie des Formel-1-Rekordweltmeisters seit dem 29. Dezember 2013 sehr zurückhaltend mit Informationen zu seinem Gesundheitszustand um.
Schumacher "in besten Händen"
Seine Frau Corinna in einem Statement zu Schumachers Ehrentag: "Ihr könnt euch sicher sein, dass er in besten Händen ist und wir alles Menschenmögliche tun, um ihm zu helfen. Bitte habt Verständnis, wenn wir uns nach Michaels Wünschen richten und ein so sensibles Thema wie Gesundheit, so wie früher auch immer, in der Privatsphäre belassen."
Es entbehrt nicht einer gewissen tragischen Ironie, dass Schumacher inzwischen weltweit eine Fanliebe erfährt, die während seiner Karriere vor allem in seiner Heimat zu einem gewissen Teil ausblieb.
Vielleicht ist es das Schicksal, das ihn ereilte. Vielleicht der oft etwas verklärte Blick zurück. Dass seine Siege und Rekorde erst mit Abstand ihre ganze Wirkung und Ausstrahlung entfalten. Dass Legenden oft erst in den Jahren nach der Karriere die Bewertung erfahren, die sie verdienen.
Vorher war es Respekt, keine Frage, der war ihm immer sicher. Bewunderung und Anerkennung auch. Auch die Zuneigung seiner größten Fans, und das waren stets sehr viele.
Er machte die Formel 1 in Deutschland salonfähig, löste einen Hype aus, mobilisierte ein Millionenpublikum, füllte die Tribünen. Aber diese bedingungslose Liebe, die ganz große emotionale und flächendeckende Verbindung zu seinen Landsleuten, die fehlte irgendwie trotzdem. Dieser allerletzte Funke.
Schumacher wusste das. Und bedauerte es.
Schumacher: "Wollte immer mehr geliebt werden"
"Ich habe über viele Jahre gemauert und mich abgeschirmt. Rennsportfans hatten nie wirklich die Chance zu erkennen, wer denn dieser Schumacher in Wirklichkeit ist. Natürlich wollte ich von meinen Landsleuten immer mehr geliebt werden", sagte er nach seinem Rücktritt 2006.
Bei seinem Comeback 2010 war er wesentlich lockerer, aber die zwei Gesichter, die hatte er trotzdem noch: Eines war der Schumacher für die Öffentlichkeit und die Medien, der andere war der private Mensch. Zwei komplett unterschiedliche Personen. Die eine versehen mit einer harten Schale, die andere mit direktem Zugang zum weichen Kern.
Denn den hatte er, auch wenn es vielleicht nicht immer so aussah.
Wie seine Managerin Sabine Kehm mal verriet, war der erfolgreichste Rennfahrer der Formel-1-Historie in erster Linie introvertiert. Einer, "der sich unwohl fühlt, wenn er im Mittelpunkt steht. Für ihn waren öffentliche Auftritte immer eine kleine Überwindung, auch wenn er versucht hat, sich das nicht anmerken zu lassen."
Zwei Persönlichkeiten
Zwei Persönlichkeiten habe er gehabt, so Kehm. Im Privatleben "sehr locker, sehr rheinländisch, sehr großzügig, auch sensibel. Ein äußerst liebevoller Familienvater und Familienpartner", sagte Kehm dem RedaktionsNetzwerk Deutschland und ergänzte: "Ein guter, verlässlicher, manchmal bis ins Alberne gehender Freund, der Spaß haben wollte und konnte im Leben."
Aber: "Die Familie war immer das Wichtigste. Das war immer ganz klar." Da verstand Schumacher keinen Spaß, in sein Privatleben ließ er nur diejenigen, die dazugehörten. Das war seine Oase, sein Rückzugsort. Im Mittelpunkt, im Scheinwerferlicht stand er schließlich oft genug.
Ohne Frage ein facettenreicher und vielschichtiger Mensch. Denn da gab es ja auch noch den Rennfahrer Schumacher.
Rosberg: "Im Kopf ein Krieger"
"Im Kopf war er ein Krieger. Mental war es gegen ihn eine unfassbare Herausforderung. Er versuchte immer, in meinen Kopf zu gelangen", sagte Nico Rosberg, der Schumacher während dessen zweiter Karriere bei Mercedes von 2010 bis 2012 hautnah erlebte. Und lernte. "Es gibt einen Grund, warum er siebenmaliger Weltmeister ist. Sein Ansatz war phänomenal." Und: "Im Team war er wie Gott. Wenn er den Raum betrat, hörte jeder auf zu arbeiten."
Das hatte Gründe. Schumacher war im Umgang mit den Mechanikern nahbar, der Kumpeltyp, interessierte sich für das Privatleben der Kollegen.
Schumacher verstand es, sein Team um sich zu scharen, zu motivieren, zu führen, alles aus der Mannschaft herauszukitzeln. Ohne, dass es gezwungen oder unehrlich wirkte.
"Er war kein Star, sondern immer auf Augenhöhe. Der Kollege vom Band war ihm genauso wichtig wie der Mann vom Board. 'Alleine bin ich nichts, aber in einem positiv agierenden Team kann ich alles sein.' Diese gelebte Michael-Schumacher-Philosophie kann uns allen ein Beispiel sein", sagte der frühere Mercedes-Motorsportchef Norbert Haug.
Er war ein echter Leader, ein Teamplayer. Er war die Nummer eins, nicht nur sportlich. Seine Teamkollegen bestätigen, dass er nie das bessere Material bekam, dafür aber die mentale Unterstützung. Sein früherer Ferrari-Teamkollege Eddie Irvine brachte es mal auf den Punkt: "Immer, wenn du denkst, du hast ihn, legt er wieder zu. Über kurz oder lang gehst du als Teamkollege daran kaputt - oder weg."
Deutsche Tugenden in Maranello
Er schaffte es, dem chaotischen Ferrari-Haufen deutsche Tugenden einzuimpfen, nachdem er nach seinem Wechsel 1996 in Maranello im wahrsten Sinne des Wortes aufräumte. Der Respekt wuchs, am Ende war er riesig.
"Sie hätten alles für ihn getan" ist dann auch ein Satz, den man von Wegbegleitern oft hört. "Wir gewinnen und wir verlieren zusammen" war aus Schumachers Mund keine Phrase. Das Standing hat er sich erkämpft, auch durch kleine Tricks oder Gesten, mit denen er zuerst das Eis brach und dann die Motivation hochhielt. Öffentliche Kritik? Niemals!
Schumacher war immer bis in die Haarspitzen motiviert, extrem diszipliniert, ein akribischer Arbeiter. Unbändig sein Kampfgeist, unfassbar ausgeprägt sein Siegeswillen, mit dem er immer an die Grenze des Machbaren und oft auch darüber hinausging.
Schumacher war wissbegierig, fokussiert und kompromisslos, vor allem auf der Strecke, wo er keine Freunde kannte und sich auch keine machte. Wie beim Foul gegen Damon Hill 1994 in Adelaide, das ihm den ersten Titel bescherte. Oder beim Rammstoß gegen Jacques Villeneuve 1997 in Jerez, oder bei der verrückten Park-Aktion in Monaco 2006, als er seinen Ferrari in der Rascasse abstellte.
Auch das war Schumacher. Es waren wohl auch diese Mätzchen, das Verbissene, das ihm den Zugang zu seinen Landsleuten bisweilen erschwerte.
Die Rivalen verzweifelten
Fakt ist: Seine Rivalen trieb er zur Weißglut, aber auch zur Verzweiflung und sogar ans Limit, zu Höchstleistungen und Glanztaten. Schumacher war zu Hochzeiten an guten Tagen im Auto ein Magier, unschlagbar, an schlechten den meisten immer noch überlegen.
Was auch an seiner unglaublichen Fitness lag, mit der setzte er Maßstäbe für die nachfolgenden Fahrer-Generationen. Er ordnete alles dem Sieg, dem sportlichen Erfolg unter.
So unnachgiebig er seinen Konkurrenten gegenüber war, so gnadenlos war er auch gegenüber sich selbst.
Kompromisslos eben. In jeglicher Hinsicht.