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Formel 1: Jochen Rindt starb vor 50 Jahren - Bernie Ecclestone erinnert sich

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Formel 1: Jochen Rindt starb vor 50 Jahren - Bernie Ecclestone erinnert sich

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Ecclestone: "Hatte Freund verloren"

Heute jährt sich zum 50. Mal der tragische Unfalltod von Jochen Rindt. Bernie Ecclestone erinnert sich bei SPORT1 an den Tag, an dem er schon am Morgen ein ungutes Gefühl hatte.
Jochen Rindt war einer der begnadetsten Rennfahrer der Geschichte
Jochen Rindt war einer der begnadetsten Rennfahrer der Geschichte
© Imago
Ralf Bach
Ralf Bach

Von Bernie Ecclestone

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Gibt es so was wie Vorsehung? Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass ich am 5. September vor 50 Jahren ein merkwürdiges Gefühl spürte, als ich morgens gegen 9.00 Uhr zur Rennstrecke abbog. Die Sonne schien, es gab kaum Wind, der Himmel war blau. Trotzdem hatten die mächtigen Bäume, die dem königlichen Park von Monza eine Art Übersinnlichkeit verliehen, für mich etwas Bedrohliches. Ich bin heute noch sicher, dass ich mich damals nicht wohl fühlte.

Für Jochen war der GP von Italien im Prinzip ein Rennen von vielen. Er konnte zwar Weltmeister werden, aber wenn nicht, auch gut. Er hatte bis dahin die Saison dominiert, fünf Rennen gewonnen. Sein Vorsprung war so groß, dass er den Titel in den darauffolgenden Events klarmachen würde. Kurz vorher hatte er mir erzählt, dass er aufhören wolle, wenn er den Titel in der Tasche hat.

Er wusste, wie gefährlich die Formel 1 damals war. Er wusste auch, dass sein Lotus das schnellste, aber auch gefährlichste Auto war.

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Colin Chapman war ein Genie, das dem filigranen Bau seiner Autos alles unterordnete. Oft brach was an Jochens Wagen. Im Jahr zuvor überlebte er einen schweren Unfall in Spanien, als ihm plötzlich der Heckflügel wegflog. Trotzdem blieb er bei Lotus. Weil er Weltmeister werden und erst danach die Risiken nicht mehr auf sich nehmen wollte. Sein Rücktritt stand eigentlich fest, nachdem er beim Rennen in Zandvoort seinen Freund Piers Courage in den Flammen hat sterben sehen.

Wette mit Ehefrau Nina

Damit er das auch durchziehen konnte, wettete er mit Ehefrau Nina. Er würde ihr 10.000 Pfund bezahlen, falls er 1971 doch noch weiterfahren würde. Chapman aber hat ihn überzeugt, 1971 sein neues Turbinenauto zum Titel zu führen. Der Wagen sei sauschnell und zuverlässig. Eine sichere Sache. Jochen gab mir die 10.000 Pfund für Nina in einem Umschlag. Weil er sich plötzlich nicht mehr sicher war.

Trotzdem: Unsere gemeinsame Zukunft war schon geplant. Wenn nicht 1971, so würde er 1972 definitiv nicht mehr dabei sein.

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Viele sagten, ich wäre sein erster Manager gewesen. Aber er hat mich mindestens genauso gemanagt. Wir redeten viel, spielten stundenlang Karten oder Backgammon. Dabei entstanden seine Ideen. Wir hatten ein gemeinsames Formel-2-Team, das wir kurz zuvor Colin Chapman abgekauft haben. Sein Kumpel aus Internats-Tagen Helmut Marko und das aufstrebende brasilianische Talent Emerson Fittipaldi sollten unsere Fahrer sein.

Jochen hatte zudem eine Rennwagenshow in Wien gestartet, die es heute noch in Form der Motor-Show in Essen gibt. Gleichzeitig moderierte er ein Automagazin in Österreich. Er interviewte seine Kollegen an der Strecke und brachte die Formel 1 so quasi in die Wohnzimmer. Sein größtes Anliegen war aber, Fahrer und Formel 1 besser zu vermarkten. "Wir riskieren unser Leben, die Menschen strömen weltweit zu den Rennstrecken, aber wir haben nur wenig davon", sagte er mir damals. "Lass uns eine große Sache daraus machen."

Rindt in Monza mit neuem Helm

In Monza hatte er einen neuen, weißen Vollvisierhelm dabei. Da könnten Sponsoren drauf werben, war seine Idee. Er wollte aber auch die Geschicke der Serie in die Hand nehmen. Mit großen Fernsehgeldern, die an Teams und Fahrer verteilt werden sollten.  

Es war kurz vor halb vier, als er mit dem Lotus ins Qualifying ging. Kurz zuvor hatte er sich von Nina verabschiedet, die wie immer auf einem hohen Hocker in der Box saß und seine Zeiten stoppte. Barfuß, mit einem weißen Hut. Sie waren das Glamourpaar der Formel 1. Jochen, der das Image eines Rockstars hatte, und Nina, das finnische Modell. Jochen war seiner Zeit voraus. Mit Nina und ihrer kleinen Tochter Natascha zog er als Erster in die Schweiz und setzte auch damit einen Trend.

Plötzlich wurde es still im Motodrom. Jochen war überfällig. Nina schaute besorgt, reckte ihren Hals immer wieder in die Ferne, doch ihr Ehemann kam nicht. Dann war von einem Unfall kurz vor der Parabolica die Rede. Ich wusste sofort, dass es Jochen war. Ich lief einfach los zur Unfallstelle. Schneller, immer schneller. Als ich ankam, lag Jochen schon zugedeckt im Heck eines Krankenwagens. Ich wusste sofort, dass er tot war.

Ich nahm seinen blutverschmierten Helm an mich, ging desillusioniert und sehr einsam wieder zurück zur Box. Ich hatte einen sehr engen Freund und Vertrauten verloren. Manche sagen, dass ich geweint habe. Ich möchte es nicht verneinen.

Ecclestone: Ich hoffe, er war sofort tot

Eine Bremsscheibe war gebrochen. Er hatte bei 300 Stundenkilometern keine Zeit zu reagieren. Ich denke und hoffe, er war sofort tot.

Für mich war Jochen einer der schnellsten Piloten, die es in der Formel 1 je gab. Für Frank Williams war er DER SCHNELLSTE. Er hatte sagenhafte Reflexe und Adleraugen. Er konnte eine Fliege erkennen, die in 50 Meter Entfernung auf einer Blume saß. Und er hatte eine sagenhafte Ausstrahlung. Als er starb, war er erst 28 Jahre alt. Aber sein Wesen war viel älter. Er war schon damals ein weiser Mann, ein Philosoph.

Wahrscheinlich, weil er seine deutschen Eltern schon früh verlor. Die kamen bei einem Bombenangriff in Hamburg im zweiten Weltkrieg ums Leben. Er wuchs als Vollwaise auf, verbrachte die Jugend in einem Internat in der Steiermark. Jochens Heimat war zwar Österreich, aber er fühlte sich als Deutscher. Er hatte schon früh ein Privatflugzeug und oft bestand er darauf, über die Gewürzmühle in Mainz zu fliegen, die er von seinen Eltern geerbt hatte. Er war stolz darauf. Er gab auch nie seinen deutschen Pass ab.

Was Jochen wirklich für die damalige Zeit bedeutete, zeigte seine Beerdigung. Die war ein Medienereignis, nicht nur in Graz. Ähnliches habe ich später nur bei Ayrton Senna erlebt.

Als Typ erinnert mich Sebastian Vettel sehr an Jochen. Er ist sehr ehrgeizig, ein super Kerl, ein netter Kerl, mit dem leicht auszukommen ist. Jochen war auch so. Ihn haben die Fans damals genauso geliebt wie Sebastian heute.