Marie Reichert gewann 2024 in Paris mit der 3x3- Nationalmannschaft der Frauen gemeinsam mit Svenja Brunckhorst, Sonja Greinacher und Elisa Mevius olympisches Gold – die erste deutsche Olympiamedaille im Basketball überhaupt.
Wahl zur Sport-Stipendiatin des Jahres: Olympiasiegerin Marie Reichert im Interview
Glück im Unglück für Olympiasiegerin
Parallel zum Sport studiert die 24-Jährige Betriebswirtschaftslehre im Fernstudium an der IU Internationale Hochschule.
Frage: Sie sind nach dem Olympiasieg derzeit zum Nichtstun verdammt, weil Sie verletzt sind.
Marie Reichert: Ich habe mir Anfang des Jahres das Kreuzband im Knie gerissen und befinde mich zurzeit in der Reha am Olympiastützpunkt Hannover. Zuvor habe ich in Italien die erste Saisonhälfte gespielt, bis dahin lief es sehr gut für mich. Ich würde sagen, dass ich dort meine bis jetzt stärkste Saison gespielt habe. Der Zeitpunkt für solch eine Verletzung ist nie günstig, aber ich bin dankbar, dass das erst nach den Olympischen Spielen passiert ist. Es ist jetzt ein knappes halbes Jahr her und ich bin mit dem Verlauf der Reha bislang sehr zufrieden.
Frage: Lag das an der hohen Doppelbelastung durch 3x3-Basketball und den klassischen Basketball 5 gegen 5 in der Halle?
Reichert: Die Belastung ist hoch, aber bei mir war es tatsächlich nur Pech. Mir ist im Training eine andere Spielerin ohne Absicht reingesprungen. Ich peile jetzt an, im Januar oder Februar wieder einsatzbereit zu sein. Das wäre in der Mitte der Hallen-Saison. Die 3x3-Welt- und - Europameisterschaft dieses Jahr habe ich verpasst. Ich gehe da völlig ohne Druck ans Comeback und möchte nächstes Jahr für die internationalen Turniere wieder angreifen.
Frage: Welche Disziplin spielen Sie lieber, 5 gegen 5 oder 3x3?
Reichert: 3x3-Basketball hat einen für mich persönlich sehr coolen zusätzlichen Faktor, weil es ein sehr kleines Team ist und du eine noch intensivere Beziehung zu deinen Mitspielerinnen brauchst. Es ist ungemein wichtig, dass es zwischen allen matcht. Und es passiert nie, dass du mal ein Spiel über lange Zeit auf der Bank sitzt und gar nicht richtig reinkommst, weil es beim 3x3 eine feste Reihenfolge des Rotierens gibt und dadurch alle gleich viel Einsatzzeit haben.
Frage: Können Sie die Zwangspause etwas für Ihr Betriebswirtschaftsstudium nutzen?
Reichert: Im letzten Jahr war die Mehrfachbelastung schon eine große Herausforderung. 2024 war für mich sportlich sehr intensiv, da wir uns zuerst für die Olympiaqualifikation vorbereiteten und im Sommer dann auf die Olympischen Spiele an sich. Aufgrund dieses hohen Trainingspensums und der vielen Reisen war es tatsächlich nicht einfach, einen routinierten Alltag für das Studium zu finden. Aber dank meines Fernstudiums an der “IU” Internationalen Hochschule bin ich zum Glück sehr flexibel im Hinblick auf mein Studium und konnte schon im Herbst und Winter einiges nachholen.
Frage: Sie engagieren sich zurzeit auch im Management.
Reichert: Ja, ich studiere mit Schwerpunkt Sportmanagement und Marketing. Da war es jetzt die große Chance, während der Verletzungspause beim ersten 3x3-Profi-Team der TK Hannover die Rolle der Bundesliga-Managerin zu übernehmen. Ich organisiere das Drumherum fürs Team und suche Turniere heraus. Das ist eine tolle Herausforderung.
Frage: Wie wichtig sind die Sporthilfe-Förderung und das Deutsche Bank Sport-Stipendium für Sie?
Reichert: Ich bin der Deutschen Bank und Sporthilfe sehr dankbar für die Unterstützung über die letzten Jahre. Die finanzielle Unterstützung ist eine große Hilfe, um meinen Sport und mein Studium ganzjährig auszuführen und zu verbinden. Dadurch ist es mir möglich mein Fernstudium an einer privaten Hochschule zu finanzieren und somit flexibel genug für meinen Sport zu sein.
Frage: Zurückgeblickt auf Paris 2024: Was war der Erfolgsfaktor für den Gewinn der Goldmedaille?
Reichert: Es war eine ganz besondere Situation. Im Vergleich zur Qualifikation im Frühjahr wurde das Team auf einer Position neu besetzt. Wir hatten daher vor Paris nur ein einziges Vorbereitungsturnier in der neuen Konstellation. Aber es hat sofort extrem gut gematcht. Die Konstellation mit zwei Erfahrenen und zwei „Küken“, zu denen ich gehört habe, hat richtig gut funktioniert. Jede kannte ihre Rolle, hat ihren Job bestmöglich erledigt und war vor allem zufrieden mit dem, was ihr als Aufgabe zugeschrieben wurde.
Frage: Die Spielerinnen wurden nach dem Olympiasieg überall herumgereicht, für Sie gab es dann noch die besondere Auszeichnung in Ihrer Geburtsstadt.
Reichert: Das stimmt. Ich wusste bis dahin nicht, dass ich die erste Olympiasiegerin aus Kassel bin. Die Stadt ist eben keine klassische Sportmetropole. Ich bin auch ab dem Alter von 15 Jahren viel gependelt, nach Marburg und Grünberg, weil es in Kassel kein Team gab, das leistungsmäßig gepasst hätte. Umso mehr hat mich jetzt der Empfang mit dem Eintrag in das Goldene Buch der Stadt gefreut. Das war sehr, sehr cool.