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Russische Drohungen von ungeheuerlichem Ausmaß: "Nehme sie sehr ernst"

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Eishockey-Legende ist in Gefahr

Der ehemalige Eishockey-Torwart Dominik Hasek sieht sich schweren Drohungen der Russen ausgesetzt. Im SPORT1-Interview klärt der 60-Jährige über die Umstände auf - und verrät, wie er mit der Angst umgeht.
Dominik Hasek ist ein ehemaliger tschechischer Eishockeytorwart
Dominik Hasek ist ein ehemaliger tschechischer Eishockeytorwart
© IMAGO/CTK Photo
Vít Chalupa
Der ehemalige Eishockey-Torwart Dominik Hasek sieht sich schweren Drohungen der Russen ausgesetzt. Im SPORT1-Interview klärt der 60-Jährige über die Umstände auf - und verrät, wie er mit der Angst umgeht.

Der frühere tschechische Torwart Dominik Hasek (60) hat die beiden prestigeträchtigsten Trophäen im Eishockey gewonnen.

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Mit der Nationalmannschaft triumphierte er 1998 sensationell bei den Olympischen Spielen in Nagano, wo zum ersten Mal in der Geschichte Profis aus der kanadisch-amerikanischen NHL antraten. Und zweimal holte er in den Farben der Detroit Red Wings den Stanley Cup für den Sieger der Playoffs.

Inzwischen hat Hasek aber andere Sorgen. Wegen seiner Forderung, alle russischen Profis aus der NHL und weiteren Wettbewerben auszuschließen, sieht er sich schweren Drohungen des ehemaligen russischen Präsidenten Dmitri Medwedew ausgesetzt.

Russische Drohungen: „Nehme sie sehr ernst“

„Wir warten auf den Suizid des irren Tschechen Hasek“, schrieb Medwedew unter anderem Anfang April bei Telegram.

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Im SPORT1-Interview spricht Hasek nun über die drohende Gefahr aus Russland, wie er mit der Angst umgeht - und was er sich für die russischen Sportler wünscht.

SPORT1: Herr Hasek, wie ernst nehmen Sie die wiederholten Drohungen des ehemaligen russischen Präsidenten Dmitri Medwedew, der Ihre Beseitigung fordert?

Dominik Hasek: Ich nehme sie sehr ernst. Und nicht nur ich, sondern auch meine Verwandten, denn er ist ein ehemaliger Präsident und heute einer der einflussreichsten russischen Politiker. Außerdem wissen wir, dass Russland in der Vergangenheit terroristische Straftaten auf dem Gebiet der EU begangen hat.

SPORT1: Haben Sie Angst um Ihr Leben und Ihrer Familie?

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Hasek: Angst ist ein normaler menschlicher Charakterzug, mit dem man arbeiten muss. Ich habe von ganz normalen Menschen sowohl in Tschechien als auch im Ausland enorme Unterstützung erhalten. Das hilft und motiviert mich natürlich, meine Arbeit fortzusetzen. Außerdem erhielt ich sofortige Unterstützung vom tschechischen Premierminister, dem Außenministerium und dem Innenministerium. In der Folge wurde ich von der Polizei der Tschechischen Republik kontaktiert.

Hasek steht unter Polizeischutz

SPORT1: Mussten Sie aus Sicherheitsgründen etwas ändern?

Hasek: Es tut mir leid, aber ich kann mich nicht zu Einzelheiten in diesem Zusammenhang äußern. Die tschechische Regierung hat die Drohungen aus Moskau klar verurteilt und Polizeischutz angeboten. Wie ich bereits erwähnt habe, weiß ich diese Unterstützung der Regierung sehr zu schätzen. Wir haben uns jedoch darauf geeinigt, nichts weiter dazu zu sagen. Und ob wir uns ausreichend geschützt fühlen? Ich glaube nicht, dass es jemals einen hundertprozentigen Schutz gibt.

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SPORT1: Haben die Vertreter des Internationalen Hockey-Verbandes (IIHF) und des Internationalen Olympischen Komitees auf die Briefe reagiert, in denen Sie sie über die „Aktivitäten“ von Dmitri Medwedew informiert haben?

Hasek: Ich habe von beiden Sportorganisationen Antworten erhalten, und beide haben ihre Unterstützung zum Ausdruck gebracht. Darüber hinaus schrieb die IIHF, dass sie den Vorfall auf ihrer Sitzung im Mai während der Weltmeisterschaften in Dänemark und Schweden ansprechen werde.

„Ich bin froh, die öffentliche Meinung beeinflussen zu können“

SPORT1: Die ganze Sache hängt damit zusammen, dass Sie seit mehr als drei Jahren die aktive Teilnahme russischer Spieler in der kanadisch-amerikanischen NHL und russischer Athleten bei internationalen Wettkämpfen kritisieren. Was war für Sie der ausschlaggebende Moment, als Sie das Gefühl bekamen: Jetzt muss ich öffentlich Stellung beziehen?

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Hasek: Ich habe meine Meinung seit dem Ausbruch des russischen imperialistischen Krieges in der Ukraine im Februar 2022 öffentlich geäußert. Daran hat sich für mich seit Beginn der russischen Aggression bis heute nichts geändert. Ich bin froh, dass sowohl in Tschechien als auch in der Welt Interesse an meinen Ansichten besteht und dass ich die öffentliche Meinung mit meinen Meinungen und Positionen beeinflussen kann.

SPORT1: Sie haben sich wiederholt schriftlich an die NHL-Leitung gewandt, was den Eintritt der Russen in den Wettbewerb betrifft. Haben sich die Meinungen der dortigen Funktionäre geändert?

Hasek: Ja, ich habe dem NHL-Chef Gary Bettman etwa zehn Tage nach Ausbruch des Krieges geschrieben. Ich glaube nicht, dass die NHL ihre Haltung grundlegend geändert hat. Deshalb wiederhole ich, dass die NHL mit ihrer Haltung ein riesiges Aushängeschild für den russischen Angriffskrieg ist, durch den viele Menschen ihr Leben verloren haben und verstümmelt wurden. Deshalb wird die Ukraine eines Tages für den enormen Schaden, den die NHL ihr mit ihrer Haltung zugefügt hat, mit zig Milliarden Euro aufkommen müssen.

SPORT1: Ist das nicht ein Kampf gegen Windmühlen?

Hasek: Im Moment ist die öffentliche Meinung in Nordamerika sicherlich noch nicht so, dass es an der Zeit wäre, die Verantwortung für den schrecklichen Schaden zu übernehmen, den die NHL der Ukraine zugefügt hat. Aber das wird sich früher oder später ändern. Für mich ist es wichtig, immer wieder auf diese Tatsachen hinzuweisen, damit weiterhin darüber gesprochen wird und die NHL, wenn die Zeit gekommen ist, dafür bezahlen wird. Das wird auch der NHL selbst zugute kommen.

SPORT1: Würden Sie jetzt gerne Ihre russischen Teamkollegen aus dem Stanley-Cup-Siegerteam von 2002 - Sergei Fedorov, Igor Larionov oder Pavel Datsyuk - treffen?

Hasek: Darüber habe ich noch gar nicht nachgedacht. Ich erinnere mich an alle drei als großartige Teamkollegen bei den Detroit Red Wings, mit denen wir zweimal den Stanley Cup gewonnen haben.

SPORT1: Wie würde ein solches Wiedersehen aussehen? Worum ginge es bei dem Gespräch?

Hasek: Ich habe echt keine Ahnung.

„Ich bin gegen jede Kollektivschuld“

SPORT1: Könnten Sie ihnen erklären, was Sie getan haben und warum Sie seit drei Jahren gegen russische Eishockeyspieler in der NHL sind?

Hasek: Sehen Sie, ich habe kein Problem damit, es jemandem zu erklären. Aber es hängt davon ab, ob die andere Seite es hören will. Wenn ich das Gefühl habe, dass kein Interesse besteht, hat es keinen Sinn, dem anderen etwas aufzuzwingen. Wenn ich aber das Gefühl habe, dass die andere Seite Interesse hat, dann erkläre ich ihnen die Dinge gerne.

SPORT1: Wie unterscheiden Sie die russischen Sportler? Gibt es für Sie individuelle Ausnahmen?

Hasek: Ich bin grundsätzlich gegen jede Kollektivschuld. Jeder der russischen Athleten sollte...

SPORT1: ... was?

Hasek: Nicht sollte, sondern müsste die Möglichkeit erhalten, den russischen imperialistischen Krieg offiziell zu verurteilen. Leider haben das Internationale Olympische Komitee oder andere Organisationen den russischen Sportlern dies nicht erlaubt - und so wird jeder von ihnen, wenn er sich meldet, zu einem riesigen Aushängeschild für den russischen Krieg und die russischen Verbrechen. Natürlich sterben Menschen deswegen und das dürfen wir nicht zulassen.

Hasek: „Das muss sich ändern“

SPORT1: Haben Sie bestimmte Erwartungen an die russischen Sportler, zum Beispiel eine klare Distanzierung vom Krieg?

Hasek: Das hängt von jedem einzelnen ab. Auf jeden Fall dürfen wir niemanden zu etwas zwingen. Jeder Sportverband oder -verein sollte jedem russischen Bürger-Sportler die Möglichkeit geben, den russischen Angriffskrieg offiziell zu verurteilen. Wenn der Sportler dies tut und sich entsprechend verhält, muss er an Wettkämpfen teilnehmen dürfen. Natürlich brauchen die russischen Athleten dabei viel Hilfe von uns. Leider werden sie in dieser Hinsicht von allen völlig ignoriert. Sowohl einzelne Länder als auch Organisationen haben es versäumt, ihnen zu helfen, selbst nach mehr als drei Jahren des Krieges. Das muss sich ändern.

SPORT1: Sie werden von vielen als moralische Stimme in dieser sportpolitischen Debatte gesehen, gleichzeitig werden Sie aber auch öffentlich verunglimpft. Fühlen Sie sich manchmal allein oder spüren Sie auch internationale Solidarität?

Hasek: Ich spüre viel nationale und internationale Unterstützung. Das ist eine große Motivation für mich, diese öffentliche Tätigkeit fortzusetzen. Aber das Wichtigste für mich ist, dass ich weiß, dass das, was ich tue, richtig ist. Und dass ich mit dem, was ich tue, eine große Anzahl von Leben retten kann. Das ist die größte Motivation für mich.

SPORT1: Wer unterstützt Sie? Gibt es andere wichtige Stimmen, mit denen Sie sich austauschen?

Hasek: Es gibt eine Menge Leute. Aber viele von ihnen melden sich nicht annähernd so oft zu Wort. Und diejenigen, die sich äußern, sind oft nicht so bekannt. Aber ich möchte zumindest einen Namen nennen, der in der Welt - und nicht nur im Sport - viel bekannter ist als meiner: Garry Kasparow (weltberühmter Schachspieler, geboren in der ehemaligen Sowjetunion; Anm. d. Red.). Aber natürlich würde ich mich sehr freuen, wenn sich noch mehr bekannte ehemalige Sportler öffentlich gegen jegliche Werbung für den russischen Krieg in Sportwettkämpfen aussprechen würden.

SPORT1: Was erwarten Sie, wenn der Krieg eines Tages zu Ende ist?

Hasek: Der Krieg wird vollständig beendet sein, wenn Russland alle Gebiete der Ukraine verlässt. Bis dahin könnte es sich um eine Art Wiegenlied-Krieg handeln, aber es wird immer noch illegal gehaltene Gebiete geben - und das müssen wir entsprechend angehen.

„Die demokratische Welt sollte der Ukraine helfen“

SPORT1: Glauben Sie, dass es überhaupt möglich sein wird, eine Entschädigung von den Russen zu erhalten?

Hasek: Das hängt von der internationalen Lage ab und davon, ob die demokratischen Länder an einem Strang ziehen. Es gibt eine riesige Menge an russischen Vermögenswerten, die weltweit eingefroren sind, Berichten zufolge rund 300 Milliarden Dollar, und damit sollte man auf jeden Fall beginnen. Der Schaden, den Russland in der Ukraine angerichtet hat, ist jedoch viel größer und die Ukraine hat das Recht, ihn von Russland einzufordern. Und die demokratische Welt sollte der Ukraine bei der Durchsetzung helfen.

SPORT1: Sind Sie besorgt, dass Russland die gesamte Ukraine übernehmen könnte?

Hasek: Ja, ohne internationale Hilfe wäre die Ukraine wahrscheinlich nicht in der Lage, sich auf Dauer zu behaupten.

„Ich bin für freiwillige Unterstützung“

SPORT1: Sind Sie auch für eine militärische und materielle Unterstützung eines sich verteidigenden Landes?

Hasek: Das ist eine sehr schwierige Frage. Ich bin auf jeden Fall für eine freiwillige Unterstützung. Materielle Unterstützung natürlich auch.

SPORT1: Mit Blick auf die nächsten Monate: Was ist Ihre Hauptforderung an den Sport, an die Politiker, an die Öffentlichkeit?

Hasek: Die Ukraine so weit wie möglich in ihrem Friedensplan zu unterstützen. Sie ist ein Land, das von einem imperialistischen Feind überfallen wurde und nicht nur sich selbst, sondern ganz Europa verteidigt. Und damit ist automatisch auch der Sport verbunden.

SPORT1: Und was wünschen Sie sich persönlich in dieser schwierigen Situation?

Hasek: Ich werde weiterhin helfen, so gut ich kann. Wenn ich dem IOC einen Plan vorlegen kann, wie man die Regeln so gestalten kann, dass die Wettkämpfe keine Werbung für den russischen Krieg sind - und wie man den russischen Sportlern helfen kann, wieder „unter uns“ zu sein, werde ich sehr glücklich sein.