Cem “KenDeep” Anar ist ein bekanntes Gesicht innerhalb der deutschen Fighting Game-Szene. Auch im europäischen und globalen Raum konnte er bereits Spuren hinterlassen. Sein jüngster Erfolg war das Erreichen des vierten Platzes im europäischen Guilty Gear Strive-Turnier auf EVO 2021.
Guilty Gear: Interview mit deutschem Pro-Spieler Cem “KenDeep” Anar
© Khanh David (Gosuland.org)
Wir konnten ein paar Worte mit dem I-No-Spieler wechseln.
Hallo Cem, stell dich doch kurz einmal vor.
Hallo, ich bin Cem Anar, aktuell 28 Jahre alt und im angenehmen Mainz sesshaft. Ich bin hauptberuflich als UI/UX Designer unterwegs und übe das kompetitive Spielen von Fighting Games als leidenschaftliches Hobby aus. Wahrscheinlich kennen mich die meisten entweder als Kum Haehyun Spieler in Guilty Gear Xrd, als Kommentator und Laborratte in Dragon Ball FighterZ, oder als bester I-No im Europäischen Raum für Guilty Gear Strive.
Wann hast du zum ersten Mal ein Fighting Game gespielt?
Normalerweise haben die meisten Genre-Veteranen ihren Anfang mit Street Fighter II auf dem Super Nintendo gemacht. Bei mir sieht das tatsächlich anders aus. Ich bin durch einen Freund, in einem RPG Maker-Forum, auf die Spiele Garou: Mark of the Wolves und Melty Blood Act Cadenza aufmerksam geworden. Diese habe ich dann 2004 mit ihm gemeinsam online gespielt.
Was hat dich dazu motiviert das Genre “richtig” zu lernen und zu verstehen? Welches Titel war dein erstes, ernstes Fighting Game?
Ehrlich gesagt war es einfach eine Spaßfrage. Es hat mir damals sehr viel Freude bereitet, ein 1-gegen-1-Spiel zu spielen. Das besser werden kam dann quasi nebenbei. Es hat aber definitiv geholfen, dass ich gute Lehrer hatte, die mir beim Verständnis von vielen verschiedenen Games zur Seite standen.
Mein erstes “ernstes” Fighting Game... kann man unterschiedlich beantworten. Das erste Fighting Game in dem ich gut war ist Real Bout Fatal Fury 2. In diesem hat mir einer meiner Senioren auch das meiste beigebracht, was ich heute noch nutze. Wirkliche, internationale Turnierteilnahmen hatte ich jedoch erst mit Guilty Gear Xrd im Jahr 2014.
Kannst du dich noch daran erinnern was dein erster - auch für dich - großer Erfolg in einem Turnier war?
Das dürfte wahrscheinlich mein Sieg in einem japanischen Invitational im Jahr 2016 gewesen sein. Ich habe es als erster Europäer geschafft, in einem Guilty Gear Spiel einen Japaner, auf deren Boden, zu besiegen. Und das mit dem Druck, eine ganze Region zu vertreten.
Du hast auf EVO 2021 den vierten Platz in der EU-Division von Guilty Gear Strive errungen. Welches Match ist dir besonders im Kopf geblieben?
Mein Set gegen Kyouse ist das, was mich am meisten beschäftigt hatte. Das I-No vs. May Matchup ist sehr schwierig für meinen Charakter, und Kyouse ist auch ein exzellenter Spieler. Allerdings habe ich ziemlich viel Mühe darin investiert, zu verstehen, wie ich gegen May spielen muss. Das hat sich am Ende ausgezahlt und ich konnte mir den Sieg garantieren.
Guilty Gear Strive bekommt immer wieder starke Kritik von Fans und Serien-Veteranen. Wie stehst du zu dem aktuellen Teil der Reihe?
Ich bin an der Stelle zwiegespalten. Ich bin definitiv der Auffassung, dass Strive nicht die Aspekte bedient, die Guilty Gear-Fans von der Serie gewohnt sind. Andererseits finde ich die Diskussion meistens Fehl am Platz, und es artet immer in eine “welches Spiel ist besser” Konversation aus, die keinem was bringt. Ich persönlich bevorzuge Guilty Gear Xrd, habe aber auch mit Strive meinen Spaß. Sie bieten einfach zwei unterschiedliche Arten von Spiel-Erfahrungen. Was ich mir jedoch wünschen würde, ist eine eventuelle Chance darauf, dass Arc System Works sowohl die Veteranen, als auch die Neuzukömmlinge bedient, indem sie sowohl Strive als auch Xrd weiterhin Support schenken.
Wenn es eine Sache gäbe, die du an Guilty Gear Strive ändern könntest, was wäre es?
Ich vermisse vor allem die defensiven Mechaniken aus den vorherigen Guilty Gear-Teilen. Sachen wie Instant Blocks, die tatsächlich auch Timings ändern und auch einfacher anzuwenden sind, oder Blitz würden dem Spiel gut tun denke ich.
EVO 2021 war ein reines Online-Event. Wie würdest du die Erfahrung als Spieler zu regulären Turnieren vergleichen?
Es ist schon ein sehr großer Unterschied. Turniere sind für mich ein Socializing Event mit einer kompetitiven Atmosphäre. Das schöne an Events ist es, Leute zu treffen, die in komplett anderen Regionen leben, mit diesen Essen zu gehen, über die Matches zu diskutieren, mit anderen Spielern zu fiebern und die eigenen Freunde anzufeuern. Sowas geht in einem Online-Kontext verloren. Daher freu ich mich schon sehr auf die Rückkehr von Offline Events!
Was fehlt dir an Offline-Events momentan besonders?
Definitiv das “Sich in Person treffen” und das Reisen. Ich lerne liebend gern andere Kulturen kennen, und es ist dann eine besondere Erfahrung sich mit den ansässigen der unterschiedlichen Länder zu treffen und mit diesen zu spielen. Vor allem erhoffe ich mir wieder mehr in Regionen zu reisen, in denen die Szene eventuell nicht ganz ausgewachsen ist - wie zum Beispiel Israel, Tschechien oder ähnliches.
Gibt es etwas, das du jedem raten kannst, der plant in Fighting Games einzusteigen?
Das wichtigste ist es, Spaß zu haben. Fighting Games sind Gemeinschaftsspiele. Nicht jeder muss ein Profi sein. Meine ursprüngliche Intention hinter Fighting Games war nie das professionelle. Das besser werden kommt mit der Zeit.
Ansonsten empfehle ich auch, sich nach lokalen Communities umzuschauen. Wir haben auf hardedge.org sowohl einen Discord-Server als auch eine Liste an Offline-Szenen, die sich regelmäßig für das Hobby treffen. Unter anderem das Mad Gear FFM, bei dem ich auch aushelfe und mitspiele. Schaut gern mal vorbei!
Zum Abschluss: Was ist das, aus deiner Sicht, beste Fighting Game aller Zeiten?
Definitiv Real Bout Fatal Fury 2 für den Neo Geo! Wobei ich große Hoffnungen auf das neue Melty Blood Type Lumina habe.
Vielen Dank für deine Zeit!