Die Chronik des Duells Hamburger SV – Fortuna Düsseldorf enthält 48 Einträge für Punktspiele, das Jubiläum wird also diese Saison im Rückspiel gefeiert. In der 2. Liga! (NEWS: Alle aktuellen Infos zur 2. Bundesliga)
Hamburger SV - Fortuna Düsseldorf: Als es beim Duell 1982 um Meisterschaft und Abstieg ging
Der traurigste Meister aller Zeiten
Dort treffen sich die beiden am Samstag erst zum dritten Mal, in Hamburg steigt Topspiel des Spieltags.
Das Topspiel dieser Paarung liegt bald 40 Jahre zurück und fand in Düsseldorf statt. Für die einen ging es gegen den Abstieg, für die anderen um die Meisterschaft. Nach dem Spiel hatten sie ihre Ziele beide erreicht – fast.
Aber der Jubel darüber fiel äußerst merkwürdig aus.
HSV will ohne „Notnagel“ Beckenbauer den Titel
Der 22. Mai 1982 ist der vorletzte Spieltag der WM-Saison, in drei Wochen geht es nach Spanien. Den Kern der Nationalmannschaft stellt der HSV: Manfred Kaltz, Felix Magath und Horst Hrubesch sind Stammkräfte, Libero Holger Hieronymus gehört zum erweiterten Aufgebot.
Im Verein wird er sogar einem vorgezogen, der sonst immer in erster Reihe steht: Franz Beckenbauer. Der Kaiser ist mittlerweile 36 und das merkt er auch. Von diversen Verletzungen geplagt, ist er in seiner letzten Profisaison nur auf neun Einsätze gekommen. Auch im Endspurt sitzt er nur auf der Bank und findet sich damit ab. Zum Abschied noch einmal Meister werden wäre der Lohn für seine Demut („Ich bin hier nur der Notnagel“) – und das sollen eben die klar machen, die besser in Form sind als er.
Um die Form des HSV, der als Tabellenführer in die Partie geht, ist es allerdings nicht zum besten bestellt. Sie gibt Rätsel auf. In der Vorwoche noch fegen sie Werder Bremen mit 5:0 vom Platz, vier Tage später laufen sie im Finale des UEFA-Pokals dem IFK Göteborg im eigenen Stadion ins offene Messer. Das Spiel endet 0:3, nach dem 0:1 im Hinspiel ist der Traum vom Europapokal geplatzt. Das Volksparkstadion verabschiedet die Elf von Ernst Happel mit einem gellenden Pfeifkonzert und „das liegt uns allen noch auf der Seele“, gesteht Verteidiger Bernd Wehmeyer.
Irgendwie müssen sie trotzdem zur Tagesordnung übergehen und der nächste Punkt auf selbiger lautet: Deutscher Meister werden. In das Spiel in Düsseldorf gehen sie mit einem Vorsprung von zwei Punkten (damals gleichbedeutend mit einem Sieg) und 15 Toren. Verfolger 1. FC Köln kann nur auf einen Ausrutscher hoffen und muss selbst in Braunschweig gewinnen.
Fortuna möchte sich vor dem Abstieg retten
HSV-Gegner Fortuna hat jedoch nichts zu verschenken und die Chance, sich mit einem Sieg endgültig vor dem Abstieg zu retten. Verantwortlich dafür ist der aus der DDR geflohene Trainer Jörg Berger – in seiner ersten Bundesligasaison. (DATEN: Ergebnisse und Spielplan der 2. Bundesliga)
Das Rhein-Stadion ist bei Weitem nicht ausverkauft, doch sind 31.000 Zuschauer und eine knapp fünfzigprozentige Auslastung für damalige Verhältnisse schon beachtlich. Im HSV-Block stehen 1000 Fans, die den Gewinn der dritten Meisterschaft nicht verpassen wollen.
Danach sieht es aber zunächst nicht aus. Nach zehn Minuten krönt der Isländer Atli Edvaldsson Fortunas couragierte Anfangsphase mit dem 1:0. Die Hamburger reklamieren Abseits, doch derjenige, der am lautesten schimpft hat, es aufgehoben: Joschi Groh.
Das Tor weckt die Lebensgeister der Gäste, die anschließend über 70 Minuten ein Feuerwerk abbrennen. Manager Günter Netzer spricht hinterher von einer „hervorragenden Leistung, dann schlich sich jedoch Leichtsinn ein.“ In der Tat: Nach Treffern von Vorstopper Ditmar Jakobs (22.) und Horst Hrubesch (33.) – natürlich per Kopf nach einer Bananenflanke von Manfred Kaltz – geht er mit einer 2:1-Führung in die Pause.
HSV schenkt 3:1-Führung her
Die Meisterschale ist zum Greifen nah, zumal Köln 0:1 zurückliegt. Als Hrubesch in der 69. Minute eine Kombination, an der sieben Spieler beteiligt sind, zum 3:1 abschließt, ist allen klar: Hier spielt der neue Meister. Den Hamburgern selbst wohl zu sehr, sie lassen plötzlich nach und Fortuna wittert nach dem 2:3 von Holger Fach (74.) Morgenluft.
Berger wechselt den Torschützen aus und bringt den gefürchteten Joker Günter Thiele, für den zwölf Minuten nicht zu kurz sind, um ein Tor zu erzielen. Diesmal schießt er keins, liefert aber die Vorlage für den unerwarteten Ausgleich durch Thomas Allofs (84.), den einzigen Fortunen, der es ins WM-Aufgebot schaffen wird (wenn auch nur auf Abruf). (DATEN: Die Tabelle der 2. Bundesliga)
Plötzlich geht die Angst um beim ruhmreichen HSV, die Spieler meckern sich an, Hrubesch tobt hinterher über den Versuch „auf Abseits zu spielen. Da muss man doch die Laune verlieren“.
Spieler feiern vermeintliche Meisterschaft nicht
Der Schlusspfiff von Schiedsrichter Hontheim erlöst alle – auf der Anzeigetafel steht ein 3:3. Einen Glückwunsch zur Meisterschaft liest man nicht, dabei hat Köln durch das 4:4 in Braunschweig keinen Meter Boden gut gemacht.
Die Zweifel am Titel sind nur noch theoretischer Natur und Jörg Berger drückt Ernst Happel einen Blumenstrauß in die Hand. Mit dem steht er nach der Pressekonferenz vor dem Mannschaftsbus und knurrt: „Wir sind ein würdiger Meister, aber wir sind im Augenblick auch ein trauriger Meister.“
Zu sehr ärgern sich die Spieler über ein weiteres Spiel, das sie nicht gewonnen haben und weitere drei Tore, die im Kasten von Uli Stein eingeschlagen sind.
Womit sie noch gut davon gekommen sind, findet Düsseldorfs Thomas Allofs: „Fünf Minuten länger und wir hätten die Hamburger geschlagen, die waren doch mit den Kräften am Ende.“ Nur widerwillig geben die HSV-Spieler Interviews, die meisten drücken sich. Jimmy Hartwig nicht, er hat den besten Spruch parat für die Journalisten: „Da drin ist eine Stimmung wie auf dem Zentralfriedhof in Wien.“
Auf der Rückfahrt wird sie nur unwesentlich besser, alkoholische Getränke sind nicht an Bord – nur Wasser, Cola und Brause. Bei der Rückkehr in Ochsenzoll warten 50 Fans auf den neuen Meister, die Spieler zerstreuen sich. Einige sind gar nicht erst mitgefahren. Kaltz macht einen Altstadtbummel, Jakobs fährt zur Kommunion seines Patenkindes nach Oberhausen.
Eine Meisterfeier steht nicht auf der Tagesordnung an jenem Wochenende, nicht nur wegen der minimalen theoretischen Zweifel. Netzer sagt: „Wir tun einfach so, als sei nichts passiert!“ Die Bild am Sonntag titelt: „Meister! Aber HSV muß noch feiern lernen.“ Auch Franz Beckenbauer hat schon fröhlicher dreingeschaut. Sein Kommentar: „Dieses Ende war nicht mehr nötig.“
Zu Beckenbauers-Abschied wird der HSV Meister
Er meint das Spielende, nicht sein Karriereende eine Woche später. Denn da darf der Kaiser doch noch mal auf dem Platz stehen, ehe er nach 41 Minuten im Spiel gegen den Karlsruher SC die Bundesligabühne verlässt. Als Meister! Zum fünften Mal nach vier Titeln mit den Bayern.
Der letzte bringt ihm und den Mitspielern je 30.000 DM Prämie ein. „Jammerschade, dass dieser Mann aufhört“, seufzt Happel.
Dann wiederholt sich das Geschehen vom Düsseldorf – aus einem 3:1 wird noch ein 3:3. Nun ist es egal und sie feiern doch noch richtig. Allein auf dem Rathausplatz stehen 35.000 und Manfred Kaltz staunt: „Die haben uns fast südländisch gefeiert.“
Und Fortuna? Hält durch ein 2:1 in Duisburg die Klasse.