Kaum ein Spieler steht so sehr für Fortuna Düsseldorf, wie er: Rouwen Hennings. Trotz seiner 34 Jahre ist der Routinier aus der Startelf der Fortuna nicht mehr wegzudenken und führt mit sieben Treffern deutlich die interne Torschützenliste an. (NEWS: Alle aktuellen Infos zur 2. Bundesliga)
2. Bundesliga: Rouwen Hennings vor dem Duell Fortuna Düsseldorf gegen FC St. Pauli im Interview
Hennings: „Hatten nicht das Ziel Klassenerhalt“
Hennings hat im Fußballgeschäft vieles erlebt. Er wurde 2015 Torschützenkönig der Zweiten Liga für den Karlsruher SC, Zweitliga-Meister mit Düsseldorf 2018 und spielte mit der Fortuna ebenso wie mit dem FC St. Pauli sogar in der Bundesliga.
Im Interview mit SPORT1 spricht der Knipser vor dem Duell mit seinem Ex-Verein über die aktuelle Situation bei der Fortuna, seine alte Liebe St. Pauli und seine Karrierepläne. (Fortuna Düsseldorf - FC St. Pauli: Das Topspiel der 2. Bundesliga am 11. Dezember ab 19.45 Uhr LIVE im TV auf SPORT1)
SPORT1: Endlich mal wieder ein Erfolgserlebnis am Wochenende, Herr Hennings. Wie ist die Gefühlslage nach diesem wichtigen Spiel in der Mannschaft?
Rouwen Hennings: Es tat sehr gut, mal wieder drei Punkte einzufahren. Vor allen Dingen in der Art und Weise. In der ersten Halbzeit haben wir sehr guten Fußball gespielt, haben viele Chancen rausgespielt. Wir haben die Räume gut besetzt und uns aus diesem Druck fußballerisch befreit. Ich glaube, das hat die Darmstädter auch ein bisschen verunsichert. In der zweiten Halbzeit haben sie dann umgestellt, sind mehr über lange Bälle gekommen. Da mussten wir dann eine Zeit lang vermehrt verteidigen, konnten aber nochmal Entlastungsangriffe starten und die Führung sogar ausbauen. Wir haben zwar hintenraus leider noch ein Tor kassiert, aber ich denke, alles in allem verdient gewonnen.
Hennings hadert mit den Ergebnissen der Fortuna
SPORT1: Sie selbst waren seit dem Paderborn-Spiel ohne Tor. Wie groß war der Frust vor diesem Spiel?
Hennings: Frust würde ich das gar nicht nennen. Ich hatte nicht so viele Chancen in den vergangenen Spielen, es war nicht so, dass ich das leere Tor nicht mehr getroffen hätte. Insgesamt war das für uns als Mannschaft eine schwierige Phase, in der wir nicht vor Selbstvertrauen gestrotzt haben. Wir haben Fußball nicht so gespielt, wie wir es gerne wollten und es war einfach unsauber im letzten Drittel in den letzten Wochen. Das haben wir im letzten Spiel viel besser gemacht.
SPORT1: Warum hat es in den letzten Spielen so gehakt?
Hennings: Ich glaube, wir sind fußballerisch sehr stark in die Saison gestartet. Da haben die Ergebnisse aber unsere Leistung nicht widergespiegelt. Dann hatten wir zum Ziel, die einfachen Dinge zu machen und Punkte zu holen, egal wie. Das hat dann eher mittelmäßig funktioniert. Wir haben nicht mit voller Überzeugung spielen können, weil die Ergebnisse nicht gestimmt haben. Solche Phasen gibt es einfach, deshalb war es wichtig, dass wir uns mit einer guten Leistung das Selbstvertrauen geholt haben. Alle dachten sich, Fortuna fährt nach Darmstadt, da weiß man ja schon vorher, wie es ausgeht. Deshalb tat es dann doppelt gut, so eine überzeugende Leistung zu bringen.
SPORT1: Wie so oft im Verein kam wieder Unruhe auf. Sie sind schon länger hier: Warum wird das große Ganze immer relativ schnell in Frage gestellt?
Hennings: Ich kann jeden verstehen, der unzufrieden mit der Situation ist. Wir sind selbst unzufrieden. Wir haben uns auch nicht das Ziel Klassenerhalt gesteckt. Von daher sind alle, die mit diesem Verein sympathisieren und uns die Daumen drücken, natürlich enttäuscht, genau wie wir. Wenn man aber richtig hinguckt, sieht man, dass wir bis auf wenige Ausnahmen in jedem Spiel die Möglichkeit hatten, etwas mitzunehmen. Ich habe von Anfang an gesagt, dass die Zweite Liga sehr eng ist, dass es in jedem Spiel in jede Richtung ausgehen kann. Leider ist es häufig gegen uns gelaufen, aber ich glaube, dass es jetzt ein Schritt in die richtige Richtung war. Wir haben mit Überzeugung an unserem Plan festgehalten. Ich hoffe, dass es jetzt weitere positive Ergebnisse für uns gibt.
Corona machte Fortuna Düsseldorf zu schaffen
SPORT1: Waren die Ambitionen vor der Saison vielleicht zu hoch gegriffen?
Hennings: Das Problem ist, dass alle Mannschaften auf einem ähnlichen Niveau sind. Dann hatten wir die eine oder andere Verletzung oder Krankheit. Hinzu kommen Corona-Ausfälle in einer Phase, in der es für uns ungünstig war. Das soll keine Ausrede sein, doch es ist ein Puzzleteil von dem, was wir in unseren Analysen aufarbeiten. Wenn wir alle gesund gewesen wären und auf keinen Spieler hätten verzichten müssen, wären wir in einer anderen Situation. Sind wir aber nicht, denn wir sind keine Träumer und wissen, in welcher Lage wir uns aktuell befinden und da versuchen wir mit aller Macht herauszukommen. Wir bleiben unserer Linie aber trotzdem treu.
SPORT1: Auffällig ist, dass die Fortuna besser spielt, wenn Sie treffen. Ist die Abhängigkeit von Ihnen vielleicht sogar zu groß?
Hennings: Das kann ich nicht beantworten. Ich denke schon, dass ich ein wichtiger Teil der Mannschaft bin. Ich versuche der Mannschaft immer zu helfen, auch, wenn ich nicht treffe. Wenn ich an das Heimspiel gegen Karlsruhe denke, haben wir sehr überzeugend gespielt und ich habe nicht getroffen. In solchen Fällen freue ich mich genauso mit der Mannschaft, weil ich mich nicht als was Besonderes oder Besseres ansehe. Ich bin Teil einer großartigen, guten Mannschaft und versuche, egal wie, ob mit Toren, Vorlagen, Zweikämpfen oder Kilometer fressen zu helfen.
Hennings schwärmt vom FC St. Pauli
SPORT1: Am Samstag geht es gegen den Tabellenführer. Warum marschiert St. Pauli plötzlich so durch die Liga? (DATEN: Ergebnisse und Spielplan der 2. Bundesliga)
Hennings: Vielleicht waren sie in der Hinrunde der letzten Saison in einer ähnlichen Situation wie wir, wo sie vernünftigen Fußball gespielt haben, aber die Ergebnisse nicht da waren. Ich glaube, damals war bei ihnen auch der eine oder andere wichtige Spieler verletzt. Anschließend haben sie eine super Rückrunde hingelegt und sich jetzt in einen Flow gespielt. Zu sagen, denen fällt alles vor die Füße, wäre auch nur die halbe Wahrheit. Die erarbeiten sich das ja auch. Die erspielen sich das, machen es defensiv super. Da wird richtig gut gearbeitet, sehr diszipliniert, und auch als Verbund wird zusammengearbeitet, nach hinten und nach vorne. Das macht sie im Moment so stark. Aber wir würden gerne am Wochenende für eine Delle in der Serie sorgen.
SPORT1: Dazu gilt es vor allem, einen Spieler auszuschalten: Guido Burgstaller. Warum trifft er gerade, wie er will? (DATEN: Die Tabelle der 2. Bundesliga)
Hennings: Er macht es einfach super. Wenn ich an das Spiel gegen Schalke denke, stellt er beim ersten Tor clever seinen Körper rein, ist dann in der besseren Position als der Verteidiger und nagelt das Ding in die lange Ecke. Das sind einfach die Abläufe, wenn du das Selbstvertrauen hast. Es reicht, wenn man eine Entscheidung nur eine Zehntelsekunde schneller und mit mehr Überzeugung fällt. Das kann man nicht trainieren und schlecht verhindern. Wir müssen gucken, dass wir an ihm, aber auch den anderen gefährlichen Spielern nah genug dran sind. Wir dürfen sie nicht in die Räume lassen, in denen sie dann gefährlich werden können.
Hennings macht sein eigenes Ding
SPORT1: Ist Burgstaller momentan der beste Stürmer der Liga?
Hennings: Er macht es auf jeden Fall sehr gut. Jetzt hat er einen mit rechts reingeknallt, mit dem Kopf danach. In Nürnberg hat er auch getroffen. Er ackert auch sehr viel, ich glaube, dass er im Moment sehr gut drauf ist. Aber die Superlative, ob er der Beste ist oder nicht, können andere beurteilen.
SPORT1: Vergleichen Sie sich mit anderen Stürmern in der Liga wie eben Burgstaller?
Hennings: Nein, nicht wirklich. Es spielen viele Faktoren eine Rolle. Spielertypen, Größe, Mitspieler, Systemausrichtung, alles spielt eine Rolle. Ich versuche meine Sache zu machen.
SPORT1: St. Pauli war auch eine Station in Ihrer Karriere, beim HSV sind Sie auch lange gewesen. Ist es am Samstag ein besonderes Spiel?
Hennings: Ja, gerade weil es auch gegen Schulle (St. Paulis Trainer Timo Schultz, Anm. d. Red) geht, ein ehemaliger Mitspieler von mir. Ich gucke schon auf meine ehemaligen Vereine. Beim HSV wurde ich ausgebildet, da habe ich eine sehr lange Zeit gespielt. Im Herrenbereich habe ich mich leider nicht durchsetzen können. Bei St. Pauli habe ich das erste Mal so richtig etwas bewegt und den Traum der Bundesliga realisieren können. Das ist jetzt mittlerweile fast zehn Jahre her, dass ich da weg bin. Im Januar, um genau zu sein. Das ist schon eine lange Zeit, trotzdem ist der eine oder andere noch da. Auf die bekannten Gesichter freue ich mich besonders.
Hennings ist glücklich bei Fortuna Düsseldorf
SPORT1: Haben Sie noch Kontakt zu Timo Schultz und was zeichnet ihn als Trainer aus?
Hennings: Wir haben in den letzten Jahren immer mal wieder telefoniert und geschrieben. Jetzt auch gerade in der letzten Woche, als er in Quarantäne war, habe ich ihn auch angerufen. Man unterhält sich, über die Jahre ist der Kontakt nicht abgerissen und ich gönne ihm den Erfolg. Er hat es sich erarbeitet, er hat glaube ich damals in der U23 als Co-Trainer angefangen, dann über die U19 wieder in der Profibereich gefunden. Er hat seine Idee dem Team aufgedrückt. In der schwierigen Phase vergangene Saison in der Hinrunde haben die Verantwortlichen von St. Pauli Ruhe bewahrt und das wurde belohnt. Ich freue mich sehr für ihn.
SPORT1: Wie geht es bei Ihnen selbst weiter? Der Vertrag läuft noch bis 2022, gibt es schon eine Idee?
Hennings: Ich werde auf jeden Fall weiter Fußballspielen. In meinem Alter kann man sich noch Zeit lassen mit den Gesprächen, es ist alles ganz entspannt. Ich freue mich, dass ich gesund bin, ich freue mich, hier zu sein. Ich bin sehr glücklich in Düsseldorf, ich glaube, die Verantwortlichen sind größtenteils auch froh, dass ich hier bin. Das sind schon mal gute Vorzeichen.
SPORT1: Wie lange wollen Sie noch spielen?
Hennings: Da habe ich mir kein Ziel gesetzt. Solange ich Spaß habe, mithalten kann und das Gefühl habe, mithelfen zu können, möchte ich weitermachen.
SPORT1: Und die Karriere in Düsseldorf beenden?
Hennings: Nach fünfeinhalb Jahren sollte man schon das Gefühl von Heimat haben. Wir fühlen uns als Familie hier sehr wohl. Ich habe schon vor Jahren gesagt, dass ich mir ein Karriereende in Düsseldorf vorstellen könnte. Daran hat sich aktuell nichts geändert. Ich möchte noch ein paar Jahre spielen, ich weiß auch nicht, was Fortuna plant, aber ich bin da ganz entspannt.