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2. Bundesliga: Horrorreisen des FC St. Pauli nach Regensburg – es begann mit Schlangen-Franz

Schlangen-Franz und ein Biss

Der FC St. Pauli reist zum Topspiel des 22. Spieltag der 2. Bundesliga zu Angstgegner Jahn Regensburg. Den Anfang einer schwarzen Serie machte „Schlangen-Franz“.
Franz Gerber (damals FC St. Pauli) mit einer Anaconda während der Schlangenausstellung im Schloss Nymphenburg in München
Franz Gerber (damals FC St. Pauli) mit einer Anaconda während der Schlangenausstellung im Schloss Nymphenburg in München
© Imago
Der FC St. Pauli reist zum Topspiel des 22. Spieltag der 2. Bundesliga zu Angstgegner Jahn Regensburg. Den Anfang einer schwarzen Serie machte „Schlangen-Franz“.

Dem Top-Spiel der 2. Bundesliga blickt der entthronte Tabellenführer FC St. Pauli nicht nur wegen der jüngsten Erfolglos-Serie (fünf Mal kein Sieg) mit Unbehagen entgegen. Nein, es war zu allen Zeiten schwer bei Jahn Regensburg, wo die Kiez-Kicker erst sechs Prozent der möglichen Punkte holten – präzise: einen von 15.

Daran ist ein Mann nicht unschuldig, der bei beiden Klubs arbeitete und zumindest am Millerntor bis heute Kult ist: Franz Gerber, genannt „Schlangen-Franz“. (NEWS: Alle aktuellen Infos zur 2. Bundesliga)

Schon mit 17 Jahren erhielt Gerber, in München geboren, einen Profivertrag bei den großen Bayern. In der Maier–Beckenbauer-Müller-Ära der Siebziger fielen für das Sturmtalent aber nur 21 Spielminuten ab, dank denen er sich offiziell Deutscher Meister 1972 nennen darf.

Franz Gerber verließ den FC Bayern als Meister

Er suchte dennoch das Weite, denn „ich wollte nicht länger im Schatten von Gerd Müller stehen“, sagte der Mann, der heute mit 68 als Investor und Geschäftsführer bei NOFV-Oberligist Rot-Weiß Erfurt fungiert, damals und ging zum FC St. Pauli.

Dort wurde er Kult, schoss in der Regionalliga Nord (damals 2. Liga) 1973/74 sagenhafte 33 Tore und Pauli zur Vizemeisterschaft. Das reichte immerhin zu einem Platz in der Aufstiegsrunde, zwei von zehn kamen aber nur durch. Dass St. Pauli es nicht schaffte, lag auch an Gerber. Der hatte nämlich ein skurriles Hobby: Schlangen züchten!

Gerber mit lebensgefährlichem Hobby

Die hielt er in seiner Wohnung und eines der Ungetüme, eine giftige Kobra, biss ihm eines weniger schönen April-Tages 1974 in den linken Zeigefinger, wovon eine lebenslange Narbe kündet. Das Leben des Franz Gerber wäre indes schon mit 20 beendet gewesen, wäre er nicht rechtzeitig ins Krankenhaus gekommen.

In der ersten Nacht bestand Lebensgefahr, volle sechs Wochen fiel er aus, während sein Klub sich anschickte, in die Bundesliga aufzusteigen. Im kicker war zunächst von einer Grippe, dann von einer Verletzung die Rede, ehe die Wahrheit heraus kam: „Schlangenzüchter Franz Gerber wird in den letzten Wochen sein Hobby oft verwünscht haben, denn der Biß einer Kobra brachte ihn wahrscheinlich darum, Torschützenkönig aller Regionalligen zu werden.“ (DATEN: Ergebnisse und Spielplan der 2. Bundesliga)

Nicht nur das. Zur Aufstiegsrunde stand er zwar wieder auf dem Platz, war aber nicht mehr der Alte: „Nur wegen des Bisses habe ich so unterschiedlich in der Aufstiegsrunde gespielt“, sagte er, als es vorbei und er trotzdem aufgestiegen war.

Der Wuppertaler SV holte den Mann, der „fast ein Gerd Müller“ sei, wie der kicker befand. In Wuppertal, versprach er seinem neuen Arbeitgeber, wolle er sich „keine Giftschlangen mehr halten“, bloß zwölf ungiftige Nattern. Er selbst verlor seine Giftigkeit nicht und schoss immerhin noch zwölf Tore in der hoffnungslos überforderten WSV-Truppe von 1974/75.

Schlangen-Franz, der etwas andere Fußballer

1976 kehrte er erstmals zu St. Pauli zurück und schoss den Klub mit 27 Toren in die Bundesliga. Schlangen züchtete er immer noch – und nicht nur das: „Ich halte Schlangen nicht wie andere Leute Kanarienvögel. Ich fange die Schlangen selber. Jeden Sommer zweige ich eine Woche Urlaub für mich allein ab und fange in Italien oder Jugoslawien Schlangen.“ Gefüttert würden sie „zweimal die Woche mit Lebendfutter, Mäusen und Fischen.“

Da muss man froh sein, dass es bei dem einen Biss geblieben ist. Das Image war sowieso zementiert, 1981 klagte er: „Es war schon ein großer Nachteil, dass die immer über mich frotzeln konnten, ich sei ein Schlangenbändiger.“

Dass der „Schlangen-Franz“ ein etwas anderer Fußballer war – allein schon, weil er Abitur hatte und sein Credo „Fußball ist nicht das Leben“ lautete – und vielleicht zu wenig aus seinen Möglichkeiten gemacht hat, hat so mancher Experte gesagt.(DATEN: Die Tabelle der 2. Bundesliga)

Gerber, der es fertig brachte, in nur vier Bundesligajahren dreimal abzusteigen (mit Wuppertal, St. Pauli und Hannover 96) hat dem stets widersprochen: „Ich hatte eine schöne Karriere. Als Spieler, Trainer und Manager“, sagte er 2015.

Ausflug nach Madagaskar

Allein für St. Pauli, für das er zum Karriereende 1986/87 ein drittes Mal spielte, schoss er 108 Tore. So einer hatte Kredit am Millerntor und so fungierte der Schlangen-Franz auch noch als Trainer (2003) bei dem Verein, der für den Münchner zur zweiten Heimat wurde.

Dann zog es ihn über Umwege – 2007 war er mal für ein paar Wochen Nationaltrainer von Madagaskar, ehe der Staatspräsident gestürzt wurde und er das Weite suchte – in die Nähe der eigentlichen Heimat.

Ab Oktober 2010 kümmerte er sich um Jahn Regensburg, damals sportlich wie wirtschaftlich ein Sanierungsfall. Als er kam, war der Drittligist „völlig kaputt und nur durch meine Idee, eine Kapitalgesellschaft zu gründen, konnte eine Insolvenz vermieden werden.“ Nicht nur das: 2012 glückte nach acht Jahren die Rückkehr in die 2. Liga und so gab es ein Wiedersehen mit seinem FC St. Pauli.

Das erste Pflichtspiel dieser beiden Klubs stieg am 28. September 2012 und in Gerbers Brust schlugen zwei Herzen. Jahn stand auf Platz elf, hatte fünf von sieben Spielen verloren. St. Pauli war Dreizehnter und hatte sich zwei Tage zuvor von Trainer André Schubert getrennt.

Der Beginn der schwarzen Serie

Ein Triumvirat von Co-Trainern war verantwortlich für dieses Spiel, an der Spitze stand Thomas Meggle, der ein Waterloo erlebte. 0:3 endete die erste Regensburg-Reise für die Kiez-Kicker und Meggle stöhnte: „Das war ein Tiefpunkt.“

12.000 Fans feierten dagegen ihren Jahn, für den die tristen Tage noch kommen sollten. Im November flog auch Regensburgs Trainer Oscar Corrochano und Schlangen-Franz übernahm für sieben (sieglose) Spiele seinen Job mit. Am Ende stand der Abstieg und Regensburg feuerte den Sportdirektor Gerber, der gegen die Lösung einer Doppelspitze in der sportlichen Leitung war, „weshalb es letztlich keine andere Möglichkeit gab, als ihn zu beurlauben“, vermeldete der Verein.

Auch ohne den Mann, der Jahn Regensburg auf dem Weg zu einem etablierten Profiklub wesentlich vorangebracht hatte, blieb der Verein vor allem für St. Pauli eine Hürde, die es nicht nehmen konnte. Nicht in Regensburg. Beim ersten Wiedersehen im April 2018 hieß es 3:1 für den Jahn, nur nach Platzverweisen 2:0 für St. Pauli, das unter Markus Kauczinski gegen den Abstieg kämpfte.

In Gerbers Brust schlagen zwei Herzen

Im November 2018 gab es den ersten und einzigen Hamburger Punkt in der Continental Arena (1:1), aber es fühlte sich wie eine Niederlage an nach dem späten Ausgleichstreffer von Sebastian Stolze.

Im November 2019, nun leitete bereits Mersad Selimbegovic den Jahn an, gab es ein 1:0 und wieder eine Rote Karte für den Gast (Ziereis). Einen Platzverweis gab es auch am 23. Mai des Vorjahres – gegen Paulis Buballa – als St. Pauli am letzten Spieltag quasi Spalier stand bei Regensburgs Klassenerhaltsfeier. Die brach gleich nach Abpfiff los. Endstand 3:0 – wie bei der Premiere unter Sportdirektor Schlangen-Franz.

Der wird am Samstag wohl aus dem fernen Erfurt zuschauen, denn „ich leide und ich freue mich bis heute noch mit meinen Ex-Klubs“. Da im Fußball nur einer gewinnen kann, wird von beidem etwas dabei sein.

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