Einsatz, Leidenschaft, Emotionen – das ist genau das, was die Fans auf Schalke sehen wollen. Und genau das bekamen die königsblauen Anhänger am Freitagabend zu sehen.
Schalke 04: Ein schmaler Grat - SPORT1-Kommentar
Schalke-Coach auf schmalem Grat
Jeder Spieler ging beim Auftaktsieg gegen Hertha BSC an seine Grenzen, kämpfte, grätschte, rackerte und bot über weite Strecken sogar ansehnlichen Fußball. Die Fans rieben sich zwischenzeitlich die Augen.
Maßgeblichen Anteil an diesem Traumstart hat der neue Coach, Miron Muslic. Er krempelte die Mannschaft um, lebt genau die Attribute vor, die er von seinen Profis erwartet: Immer wieder ballte er die Faust, beklatschte seine Spieler nach gelungenen Aktionen und feuerte lautstark an.
Dass sein Einfluss so schnell Wirkung erzielt, hätte sich wohl nicht mal der treueste Schalke-Anhänger und damit der bedingungsloseste Optimist erträumen lassen.
Doch in einer Situation machte er keinen guten Eindruck.
Muslic lässt sich vor der Nordkurve feiern
Direkt nach Schlusspfiff ging der neue Trainer zur Nordkurve und feierte sich – völlig allein und noch bevor die Mannschaft den Gang zu den Fans angetreten hatte.
Dass er in seinem allerersten Pflichtspiel vor heimischer Kulisse als Cheftrainer zu einem derartigen Solo-Gang antritt, hat einen faden Beigeschmack. Das gehört sich nicht. Denn der Star ist die Mannschaft. Und keine einzelne Person - schon gleich gar nicht bei einem Debüt.
Auch wenn es nicht seine Absicht war: Es entstand der Eindruck, als stelle sich jemand in den Mittelpunkt und vor allem über sein eigenes Team.
Muslics Jubel war im TV nicht zu sehen
Die TV-Bilder fingen diese Szenen, als er sich auf die Brust klopfte, nicht mal ein. Im Live-Programm lief gerade Werbung.
Klar: Das Spiel war „sehr emotional“, wie Muslic nach der Partie betonte. Die aufgeheizte und phänomenale Atmosphäre in der Veltins-Arena steckte alle Beteiligten auf dem Rasen und den Rängen an. Von diesen Emotionen getrieben, ließ sich auch der Schalke-Coach zu diesem Solo-Lauf hinreißen, um sich bei den Fans zu bedanken.
„Ich bin direkt nach Abpfiff zu meinen Trainerkollegen gegangen, danach zu den Schiedsrichtern und dann für fünf Sekunden rüber, weil ich das so gespürt habe“, rechtfertigte er sich auf der Pressekonferenz nach dem Spiel.
Peinlich oder echt?
Trotzdem wirkte es unglücklich. Man erinnere sich an den ehemaligen Coach des Erzrivalen Borussia Dortmund. Mike Tullberg ließ sich Ende Januar nach einem 2:1-Sieg in Heidenheim vor der Kurve feiern – als Interimstrainer. Damals war die Reaktion gespalten: Von „peinlich“ bis hin zu „emotional und echt“.
Die Fans in der Nordkurve nahmen Muslic diese Aktion nicht krumm. Im Gegenteil – sie grölten lautstark zurück. Zu groß war die Freude über diesen Sieg und vor allem über die starke Leistung. Und dennoch: Muslic bewegt sich jetzt auf demselben schmalen Grat.
Solange Schalke unter ihm erfolgreich ist, dürfte sich wohl kaum jemand groß daran stören. Und dennoch: Einen derartigen Jubellauf muss sich ein Trainer erst verdienen. Ein überzeugender Sieg gegen den Aufstiegsfavoriten reicht da nicht aus.