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Fußball: "Wir wollen in die Top 20 Deutschlands"

„Wollen in Top 20 Deutschlands“

Michael Becker hat den Karlsruher SC grundlegend umgebaut und aus einer angespannten Situation zu einem modernen, strategisch gefestigten Klub geführt. Im SPORT1-Podcast Leadertalk spricht Becker über die Herausforderungen, die Kulturwende im Verein und das langfristige Ziel des KSC.
Michael Becker will den KSC unter die Top 20 führen
Michael Becker will den KSC unter die Top 20 führen
© IMAGO/Eibner
Michael Becker hat den Karlsruher SC grundlegend umgebaut und aus einer angespannten Situation zu einem modernen, strategisch gefestigten Klub geführt. Im SPORT1-Podcast Leadertalk spricht Becker über die Herausforderungen, die Kulturwende im Verein und das langfristige Ziel des KSC.

Als Michael Becker 2018 Geschäftsführer des Karlsruher SC wurde, war die Lage angespannt: der verpasste Aufstieg in die 2. Liga gegen Erzgebirge Aue, hoher Erwartungsdruck, strukturelle Müdigkeit – und ein Traditionsverein, der sich neu ausrichten musste.

Für Becker, der als Sohn der KSC-Legende Edmund „Ede“ Becker im Wildpark groß geworden ist, war diese Aufgabe nicht nur eine berufliche Herausforderung, sondern auch tief mit seiner Herkunft verbunden. Sieben Jahre später ist aus diesem Neubeginn ein fundamentaler Wandel geworden.

Becker ist heute Sprecher der Geschäftsführung und gemeinsam mit Sportgeschäftsführer Mario Eggimann für die strategische Ausrichtung des Klubs und den sportlichen Erfolg verantwortlich. Aus einem kleinen Verwaltungsapparat ist eine Organisation mit mehreren Hundert Mitarbeitenden geworden, gestützt von einem neuen Stadion, professionellen Strukturen und klaren Werten. Der KSC wirkt heute moderner, mutiger und strategisch gefestigter als noch vor wenigen Jahren.

Im neuen LEADERTALK spricht Becker mit Business-Coach und Host Mounir Zitouni offen darüber, wie dieser Weg möglich war: über konsequente Entscheidungen, über die Kraft von Gelassenheit und Bodenständigkeit, die er auch von seinem Vater übernommen hat, über Widerstände und Dynamiken in einem emotionalen Umfeld - und über eine Führungskultur, die auf Transparenz, Dialog und Verantwortung basiert.

KSC-Boss Becker strebt hohe Ziele an

Und Becker spricht über ein Ziel, das zeigt, wie weit der Klub inzwischen denkt: Der KSC will sich langfristig unter den Top 20 in Deutschland etablieren. Ambitioniert, aber strategisch begründet - getragen von einer wachsenden Region, einer treuen Fanbasis, wirtschaftlicher Stabilität und einem klaren, nachhaltigen Plan für die Zukunft. Ein Gespräch über Führung und Herkunft, über Mut und Modernisierung, über Wandel und Haltung - und über die Überzeugung, dass der Karlsruher SC am Anfang einer neuen, selbstbewussten Ära steht.

Der 41-jährige Becker beschreibt die vergangenen Jahre mit einer Klarheit, die viel über seine Haltung verrät. „Seit 2018 ja wirklich kein Stein auf dem anderen geblieben“, sagt er - ein Satz, der die Radikalität des Umbruchs beim KSC bündelt. Die verlorene Relegation gegen Erzgebirge Aue war ein Wendepunkt: „Da wurde natürlich auch der Druck von außen massiv hoch, sodass gewisse Dinge einfach nicht mehr angepackt worden sind.“ Themen, die lange geschoben worden waren, mussten endlich auf den Tisch.

Wildparkstadion als Kulturwende

Ein zentraler Wendepunkt war der Neubau des Wildparkstadions - für Becker weit mehr als ein Bauprojekt. Die neue Arena veränderte den Verein, seine Wahrnehmung und die Atmosphäre im Alltag. Er erinnert sich an frühere Zeiten: Spiele, bei denen „die Hälfte wäre nass geworden und hätte keine Toilette gehabt und kein Catering“. Heute erlebt er ein völlig anderes Bild mit fast immer ausverkauften Spielen. Die Stimmung beschreibt er mit einem Schmunzeln: „Meine Uhr, die meldet immer so spätestens nach zehn Minuten, dass die Lärmbelästigung zu laut ist.“

Für Becker ist das nicht nur ein sportliches Bild, sondern ein kulturelles: Der Klub hat seine Energie zurückgewonnen. Diese Energie hat Wurzeln - und viel davon liegt in Beckers eigener Geschichte.

„Ja zunächst mal, ich hatte eine sehr schöne Kindheit“, sagt er - eine, in der sein Vater, KSC-Legende, Ex-Spieler und Aufstiegstrainer Ede Becker, Ruhe, Bodenständigkeit und Gelassenheit vorlebte. „Sich so nicht so leicht aus der Ruhe bringen zu lassen“ sei eine Eigenschaft, „die bei uns in der Familie... der Fall ist.“ Dass er diese Ruhe braucht, sieht Becker besonders deutlich in seiner heutigen Rolle: „Man ist nah dran, man kennt die Region...“ Der Nachteil: „Der KSC ist dann auch immer Thema.“

Der Umbau der vergangenen Jahre ging weit über Strukturen hinaus. Es ging um Mentalität. Um Kultur. Becker spricht offen darüber, wie sich Anforderungen verändert haben: „Früher war es natürlich so, da gab es die Führungskraft und die Führungskraft hat gesagt, wir gehen rechts rum und dann sind halt alle rechts rum gelaufen.“ Heute brauche es etwas anderes: klare Entscheidungen, aber mit Transparenz und Dialog. „Wichtig ist, dass man einfach dann die Entscheidungen auch klar kommuniziert.“ Das sei Voraussetzung für eine Kultur, „wo man Dinge kritisieren kann, ansprechen kann - wo es aber keiner persönlich nimmt.“

Sportliche Stabilität trotz Herausforderungen

Auch im Sport setzte der KSC auf Klarheit - und nahm Widerstand in Kauf. Die Trennung von Oliver Kreuzer markierte einen tiefen Eingriff. „Da ist man in die Herzkammer gegangen und hat da nochmal eine komplette Restrukturierung vorgenommen“, sagt Becker. „Da gab es natürlich schon nochmal ordentlich Gegenwind, auch von außen, auch von innen von Gremien teilweise.“ Heute steht der Verein sportlich stabil da, was Becker als Bestätigung des eingeschlagenen Kurses sieht: „Der Erfolg gibt uns ja auch in diesem Bereich recht.“

Trotz aller strategischen Themen verliert Becker die sportliche Realität nicht aus dem Blick. Die Zweite Liga beschreibt er als „total ausgeglichen“ – mit großen Chancen und ebenso großen Schwankungen. Doch für den KSC sei jede Saison offen: „Die Chance, mit dieser Mannschaft aufzusteigen, die ist durchaus da.“ Entscheidend sei, „dass diese Schwächephasen, die jeder mal hat, die dürfen nicht sehr lange sein - und die dürfen nicht sehr oft sein.“

„Der Karlsruher an sich ...“

Gleichzeitig blickt Becker weiter voraus als viele im Tagesgeschäft: „Wir haben langfristig das Ziel, in die Top 20 Deutschland zu kommen.“ Ein ambitioniertes Ziel, aber für ihn strategisch begründet. Die Region sei stark, der Klub emotional tief verankert, die Perspektive gegeben. Und er betont: ambitioniert ja, aber nicht blind. „Wir setzen uns da jetzt auch nicht unter Druck … aber jetzt nicht ins Casino gehen und irgendwelche verrückte Sachen machen.“

Besonders eindrücklich beschreibt Becker, wie er den Karlsruher Fan erlebt - ein Charakterzug, der erklärt, warum der Verein heute wieder so viel Energie spürt: „Der Karlsruher an sich ist, glaube ich, schon jetzt schon eine herausfordernde Persönlichkeit.“ Wer ihn gewinne, habe ihn jedoch lange, sagt Becker: „Wenn man dann mal mit ihm warm ist, dann ist das ein schön jahrelanges Vertrauensverhältnis.“

Und dieses Verhältnis zeigt sich im Wildpark deutlicher denn je. Der Verein lebt, wächst, atmet - und wirkt nach Jahren der Unruhe wieder stabil. Becker bringt es zum Schluss auf eine einfache, aber präzise Formel: „Wir sind überzeugt, dass es irgendwann auch klappen wird in den nächsten Jahren.“

Mounir Zitouni (55) war von 2005 bis 2018 Redakteur beim kicker und arbeitet seitdem als Businesscoach, betreut Führungskräfte und Unternehmen in puncto Leadership, Kommunikation und Teamentwicklung. Der ehemalige Profifußballer hat die Autobiographie von Dieter Müller geschrieben und im Buch „Teams erfolgreich führen“ (Metropolitan-Verlag, 2024) die Erkenntnisse aus den Gesprächen im Podcast LEADERTALK zum Thema Leadership zusammengefasst.