Was war das damals genau vor einem Jahr für ein Blitzlichtgewitter auf dem roten Teppich vor der Alten Oper in Frankfurt. Der ältere Herr mit Smoking und Fliege lächelte, an seiner Seite eine deutlich jüngere Partnerin, die ein Abendkleid mit schwarz schimmerndem Unterteil und silbrig glänzendem Oberteil trug.
Schicksalstag für Erfolgsmensch Niersbach
Das Getuschel an den Stehtischen im Foyer nahm fast Zimmerlautstärke an: Er hatte sie beim Sportpresseball erstmals öffentlich präsentiert. Wolfgang Niersbach, der DFB-Präsident, war mit seiner neuen Lebensgefährtin Marion Popp gekommen.
Das Aufsehen geriet so groß, dass sogar Stars und Sternchen wie Bettina Wulf, Robert Blanco oder die Familie Geiss zurückstehen mussten. Wenn es eines Beweises bedurfte, dass der oberste Dienstherr eines als stocksteif verschrienen Verbands auch zum Strahlemann taugt, dann erbrachte ihn Niersbach in dieser Nacht.
Niersbach fehlt bei Gala
Nun an diesem Wochenende bei der 34. Auflage einer Gala für Spitzensportler, Showbranche, Wirtschafts- und Politikvertretern glänzte der oberste Dienstherr des größten deutschen Sportverbandes nur noch durch Abwesenheit.
An Tischnummer acht versammelten sich allein Generalsekretär Helmut Sandrock, Mediendirektor Ralf Köttker, Marketingdirektor Denni Strich oder Reisebüro-Leiter Wolfgang Wirthmann. Die Runde wirkte alles anderes als glücklich.
"Diese Situation", wie Sandrock es nannte, ist unschön. Und lastet auch wie Blei auf dem Verband.
Präsidiumssitzung am Nachmittag
Die verfahrene Situation reicht bis an die Basis, weshalb es am heutigen Montag zu einer außerordentlichen Präsidiumssitzung kommt. Einziger Tagesordnungspunkt: die (Nicht)-Aufarbeitung des Skandals.
Niersbach dämmert, dass er spätestens nach seinem grandios missglückten Befreiungsschlag mehr Antworten liefern muss als bislang. Wenn namhafte Organe und Vertreter seinen Rücktritt oder zumindest das Ruhen seiner Amtsgeschäfte fordern, dann ist Gefahr für den 64-Jährigen im Verzuge.
Fest steht: Die um 14.30 Uhr beginnende hausinterne Sitzung - erst tagt das Präsidium, dann die Landesverbände - wird gewiss ein Stimmungsbild bringen. Zur Palastrevolution wird es dem Vernehmen nach noch nicht kommen, aber der Pragmatiker Niersbach ist – nicht nur wegen der ständigen Querschüsse seines Erzfeindes Theo Zwanziger - angespannt.
Auf der Tribüne in Mainz
Er besuchte am Samstag das Bundesliga-Spiel beim FSV Mainz 05 gegen den VfL Wolfsburg (2:0). In Reihe 13 auf der Ehrentribüne saß nicht zufällig Harald Strutz neben ihm: Der joviale Vereinsboss des selbst ernannten Karnevalsvereins ist einer, der uneingeschränkt zu Niersbach hält.
"Kein Mann im deutschen Fußball hat so ein Netzwerk. Man sollte vorsichtig sein, aus allen Richtungen auf ihn zu schießen."
Falschgeld-Wurf vom falschen Niersbach
Das Ansehen schwindet. Vor dem Sportpresseball flog Falschgeld durch die Luft. Geworfen von einem Wutbürger, der eine Wolfgang-Niersbach-Maske übergestülpt hatte, um mittels dieser 500-Euro-Doubletten zu mahnen.
"Wir sind der DFB! Wir können uns alles leisten" stand auf der Rückseite, womit offensichtlich weniger gegen die undurchsichtigen Geldflüsse vor der WM 2006, sondern den geplanten Bau der DFB-Akademie 2018 protestiert werden sollte.
Nach oben geklettert
Die Stimmung hat sich gedreht. Für den beharrlich nach oben gekletterten Agenturjournalisten ist das neu, der es mit seiner Art doch immer geschafft hatte, seine direkte Umgebung für sich zu gewinnen. Der gebürtige Rheinländer galt als verbindlich und verlässlich – bis auch ihn die Wirren um den korrupten Weltverband erfassten.
Niersbach wusste seit längerem, dass eine WM nur bekommt, wer die bisweilen eigenartigen Vorgaben der FIFA erfüllt – und der Groll gegen die allmächtige Organisation vom Züricher Sonnenberg hat er in Hintergrundgesprächen ja nicht nur einmal vorgetragen.
Das macht seine Versäumnisse im Fall der mysteriös verschwundenen 6,7 Millionen Euro und einer von ihm als Generalsekretär 2007 unterschriebenen Steuererklärung nicht besser, auch wenn derzeit die Rollen von Theo Zwanziger und Franz Beckenbauer ebenso fragwürdig sind. Sie haben nur keine wichtigen Ämter mehr inne.
Lachen verloren
Niersbach ließ am Samstag in Mainz ausrichten, er sei nicht abgetaucht. Aber er hat sein Lachen verloren. Beste Laune verbreitete der Hobby-Tennisspieler, dem das gemeinsame Bier im Vereinsheim mit den alten Kumpels heilig ist, immer dann, wenn ihn Fußball-Größen umgaben.
Niersbachs enge Bande mit fast allen Weggefährten der WM 1990, die er einst als Medienchef mit orchestrieren durfte, ist verbürgt.
Überhaupt haben ihn die in verschiedenen Rollen erlebten WM-Turniere besonders geprägt; er kann auf Knopfdruck Ereignisse und Anekdoten abrufen. Und bis heute vermag er schlüssig erklären, wann eine Nationalmannschaft als Gemeinschaft funktionierte (2014) und wann nicht (1994).
Niersbach hat die Nähe zu denjenigen, die berühmter und mächtiger waren als er selbst, immer genossen – bis er selbst zu einem Machthaber aufstieg. Was er dabei unterschätzt hat: all die Tretminen, die in diesem Revier versteckt sind. Ein Laufsteg wie der rote Teppich vor der Alten Oper wäre da viel sicherer. Das Problem: Eigentlich ist das auch nicht seine Welt.