Home>Fußball>

Olympia: Deutschlands Fußball-Bilanz bei den olympischen Spielen

Fußball>

Olympia: Deutschlands Fußball-Bilanz bei den olympischen Spielen

{}
{ "placement": "banner", "placementId": "banner" }
{ "placeholderType": "BANNER" }

Deutsche Kicker bei Olympia

Die deutsche Fußball-Bilanz bei den olympischen Spielen ist keine Erfolgsgeschichte. Meistens schafften es die Kicker gar nicht erst bis zum Turnier.
Mit Trainer Hannes Löhr (li.) holte die BRD 1988 in Seoul Bronze
Mit Trainer Hannes Löhr (li.) holte die BRD 1988 in Seoul Bronze
© Imago
Udo Muras
Udo Muras

Dass Stefan Kuntz lieber im Jahr 1912 gelebt hätte, ist nicht anzunehmen. Kein Fernsehen, kein Internet, keine Bundesliga. Aber Trainer der deutschen Olympiamannschaft wäre er vielleicht doch ganz gern gewesen.

{ "placeholderType": "MREC" }

Nach Stockholm reisten die Deutschen vor 109 Jahren jedenfalls mit 22 Spielern. Das waren elf (!) weniger als erlaubt – aber vier mehr als heute. Während der DFB damals das Kontingent absichtlich nicht voll ausschöpfte, hat er es für Tokio nicht mal voll bekommen. Von 100 angefragten Kandidaten bestiegen nur 18 den Flieger gen Fernost.

Olympia-Fußball war immer speziell. Deutschlands Bilanz bei den Spielen im Zeichen der fünf Ringe ist keine Erfolgsgeschichte, meistens schafften es die Kicker gar nicht bis zum Turnier und wenn sie mal da waren, herrschte keine Waffengleichheit. Amateure kämpften gegen Profis, Zweitligaspieler gegen Nationalspieler.

Doppelpass on Tour“: Deutschlands beliebtester Fußballtalk geht auf große Deutschlandtour! Auftakt in Mainz und Frankfurt am 11. und 12. August - weitere Tourtermine und Tickets unter www.printyourticket.de/doppelpass oder unter der Ticket-Hotline (Tel. 06073 722740; Mo.-Fr., 10-15 Uhr)

{ "placeholderType": "MREC" }

Regelmäßig Medaillen für die DDR

Medaillen gab es regelmäßig nur für die DDR, die viermal teilnahm und stets aufs Treppchen kam – mit ihrer A-Nationalmannschaft. Das war möglich, weil Olympia zwar offiziell nur eine Spielwiese für Amateure war, diese Regelung von den Ostblockstaaten nach dem Zweiten Weltkrieg aber kühl ausgehebelt wurde. Für Medaillen taten sie alles hinter dem Eisernen Vorhang, Doping war nur eine Methode.

Lesen Sie auch

Die Fußballer jedenfalls wurden einfach zu „Staatsamateuren“ deklariert, waren offiziell in Betrieben oder beim Militär beschäftigt, wo sie meist nur sporadisch ihren Dienst versahen. Das zur Entschuldigung für das (west)-deutsche Olympiadesaster.

1912 gab es diese Probleme noch nicht, damals waren alle Amateure und schickten ihre Nationalmannschaften. Deutschland hatte erst seit 1908 eine und noch immer keinen Bundestrainer (erst ab 1926), die Aufstellung war Sache des Spielausschusses. Auch sonst war vieles anders: Die Anreise erfolgte mit Zug und Schiff. Wechsel waren verboten und die Spielfelder zu klein, weshalb alle Mannschaftsführer unterschreiben mussten, hinterher keinen Protest einlegen zu wollen.

Protestgrund gab es dennoch nach dem 1:5 gegen Österreich. Bis in die zweite Hälfte hinein führten die Deutschen, dann prallte Torwart Albert Weber gegen den Pfosten und zog sich eine Gehirnerschütterung zu, kassierte zwei Tore und wurde ohnmächtig. Für einen solchen Fall war ein Wechsel erlaubt – aber nur mit gegnerischer Zustimmung, und die blieb aus. Stürmer Willi Worpitzky musste ins Tor und „seine begreifliche Unsicherheit nutzte Österreich aus“ (DFB-Jahrbuch 1912). Er ließ noch drei Bälle durch, der Medaillentraum war schon geplatzt und sie mussten in die Trostrunde.

{ "placeholderType": "MREC" }

Legendäres 16:0 gegen Russland

Sie trösteten sich reichlich und fegten am 1. Juli 1912 die unbedarften Russen, die bessere Reiter und Fechter waren, mit einem legendären 16:0 vom Platz, zu dem der Karlsruher Gottfried Fuchs zehn Tore beisteuerte. In der Tagespresse gab es allerdings widersprüchliche Meldungen. In einer süddeutschen Zeitung hatte er „nur“ neun erzielt, in der BZ am Mittag gar keins. Dafür sollte sein Klubkamerad Julius Hirsch acht Tore erzielt haben, dabei war der gar nicht dabei. Es waren eben auch andere Medienzeiten und keiner konnte hinterher in aller Ruhe Aufnahmen sichten.

Trotzdem, das Rätsel um Fuchs war schnell geklärt, die zehn Tore-Version setzte sich durch. Bis in die Gegenwart hält sich indes die Legende von den besoffenen Russen, die am Vortag mit den Deutschen auf einem Bankett gefeiert und halt weniger vertragen hätten. Das ist sehr wahrscheinlich ein Märchen, schon 1957 beteuerte Ersatztorwart Adolf Werner im Sport Magazin dass die Party auf einem Schiff mit Kaviar und Krimsekt natürlich nach dem Spiel stattgefunden hätte. Aber die andere Version liest sich natürlich besser. Ohne Medaille, mit einer weiteren Niederlage (1:3 gegen Ungarn), aber immerhin mit zwei Rekorden kehrten sie also heim.

Der Erste Weltkrieg verhinderte vorerst weitere Teilnahmen, als Mitverursacher durfte Deutschland erst 1928 in Amsterdam wieder ran. Auch da gab es einen Rekord. Im zweiten (und letzten) Spiel gegen Goldfavorit Uruguay (1:4) flogen mit Hans Kalb und Richard Hofmann erstmals Deutsche vom Platz. Und zwei in einem Spiel flogen nie mehr!

Der Nürnberger Kalb war so wütend, dass die Teamleitung ihn während der zweiten Hälfte in der Kabine einsperrte. Obwohl die versammelte Presse einheitlich dem ägyptischen Schiedsrichter die Schuld für den Eklat gab – „der kann vielleicht Honolulu gegen Westindien schiedsrichtern, aber niemals das Treffen zweier so starker Mannschaften“, ätzte der „Fußball“, wurden beide Sünder ein Jahr vom DFB gesperrt, Kalb spielte nie wieder.

Jähes Aus bei den Propagandaspielen

Weiter ging es erst 1936 in Berlin. Auch die Teilnahme an den Propagandaspielen der Nazis war jäh beendet, als es nach einem lockeren 9:0 über Luxemburg im zweiten Spiel unter den Augen des fußballunkundigen „Führers“ ein 0:2 gegen Norwegen gab. Hitler stürmte vor dem Abpfiff wütend aus dem Stadion. Das Desaster kostete Trainer Otto Nerz, der schrittweise entmachtet wurde, den Job. Sepp Herberger wurde als sein Nachfolger aufgebaut. Der wiederum aß seit jenem August-Tag 1936 kein Eisbein mehr. Das lag nämlich auf seinem Teller, als er von der „Katastrophe“ erfuhr.

Es folgte eine lange Kriegspause, zwei Spiele fielen aus, für 1948 war Deutschland ausgeschlossen. 1952 war Herberger dann selbst verantwortlich, als es nach Helsinki ging. Nun mit der neuen Amateurnationalmannschaft, denn in Deutschland gab es jetzt Halbprofis, die meisten „Vertragsspieler“ in den Oberligen durften nicht zu Olympia.

Sie schlugen sich wacker, gewannen zwei Spiele und verloren zwei, darunter das um Bronze gegen Schweden (1:3), das mit fünf Nationalspielern antrat.

BRD und DDR mit „gesamtdeutschen“ Olympiakader

Es folgten Jahre der Auseinandersetzungen mit der DDR um die Frage, wer Deutschland vertreten durfte. Das IOC gestattete nur eine deutsche Mannschaft, so gab es bis 1964 einen „gesamtdeutschen“ Olympiakader. Im Fußball nie, die DDR wollte keine gemischte Elf und bestand auf interne Ausscheidungsspiele. 1956 ließ sie die Duelle aber platzen und der „Westen“ flog allein nach Melbourne – für ein Spiel gegen die UdSSR (1:2) mit Weltstar Lew Jaschin im Tor. 17.000 Kilometer für 90 Minuten. Olympias Fußball, immer noch im K.o.-Modus ausgetragen, wurde zur Farce.

Das galt auch für die beiden innerdeutschen „Geisterspiele“ 1959 ohne Zuschauer, in denen sich die BRD durch setzte. Nach Rom schaffte sie es aber nicht, die Quali-Hürden waren zu hoch. Vor 1964 in Tokio gewann der „Osten“ die Duelle, diesmal vor Zuschauern – und die DDR-Auswahl holte sogar Bronze durch ein 3:1 gegen Ägypten. Kurios: Einer aus der Elf musste auf seine Medaille verzichten, denn die wurde für den im Halbfinale verletzten Kapitän Klaus Urbanczyk reserviert. So verlangte es Trainer Karoly Soos, „sonst spielen wir eben mit zehn Mann.“ Für Ersatzspieler hatte das IOC nämlich keine Medaillen übrig und so verzichtete Vertreter Peter Rock. Harte Sitten damals.

Nach Mexiko schaffte es keine deutsche Auswahl. 1972 in München waren endlich beide dabei, da auch das IOC die deutsche Teilung akzeptierte. So kam es am 7. September vor 80.000 Zuschauern zum ersten offiziellen Spiel der feindlichen Brüder. Der von Jupp Derwall betreute Westen bot zwar Bundesligakicker auf, aber nur Vertragsamateure. Unter ihnen stach ein gewisser Uli Hoeneß weit heraus, der schon Europameister geworden war. Um Olympia zu erleben, hatte er zwei Jahre auf einen Profivertrag verzichtet und offiziell auf der Geschäftsstelle gearbeitet, „wo er die Frankiermaschine bedient“, wie Bayern-Präsident Wilhelm Neudecker witzelte.

Hoeneß und Ottmar Hitzfeld vom FC Basel, 30 Jahre später Trainer unter dem Bayern-Manager Hoeneß, schossen die Tore bei der 2:3-Niederlage gegen die A-Nationalmannschaft der DDR. Zehn ihrer Spieler waren zwei Jahre später bei der WM dabei, als Sparwasser in Hamburg sein legendäres Tor schoss. 1974 gewannen sie nur Prestige, 1972 wieder Bronze. Das war kurios: Nach einem 2:2 nach Verlängerung gegen die UdSSR gab es für beide Teams Edelmetall.

1976: Größter Erfolg der DDR

1976 führte Nationaltrainer Georg Buschner die DDR in Montreal sogar ganz hoch aufs Treppchen. Überraschend holte die Auswahl um Dixie Dörner, „den Beckenbauer des Ostens“, in Kanada Gold. Nach dem 0:0 gegen Brasilien zum Auftakt hatte Sportminister Manfred Ewald noch mit Abreise gedroht. Gut dass sie blieben: Im Finale schlugen sie Favorit Polen, der die halbe WM-Elf von 1974 aufbot, mit 3:1. Es blieb der größte Erfolg einer Ländermannschaft der DDR.

Das Olympia-Finale 1976 zwischen der DDR und Polen
Das Olympia-Finale 1976 zwischen der DDR und Polen

Der Westen schaute weiter zu. 1980 notgedrungen, die Spiele in Moskau wurden von einem Teil der Welt boykottiert. Die DDR machte ihrem großen Bruder, von dem sie doch „Siegen lernen“ wollte, natürlich ihre Aufwartung – und bezwang ihn im Halbfinale zum Entsetzen der 95.000 Zuschauer (1:0). Im Regen-Finale musste sie sich aber den Tschechen geschlagen geben (0:1). So glänzte das Ende der Olympiageschichte der DDR-Fußballer silbern, jetzt war der Westen dran.

1984 stellte der DFB unter Trainer Erich Ribbeck erstmals eine Bundesligaauswahl ab, die Statuten erlaubten in Los Angeles den Einsatz von U 23-Profis, ohne WM-Erfahrung. Im Viertelfinale (2:5 gegen Jugoslawien) war jedoch Schluss.

Klinsmann und Häßler bei der Medaillenpremiere

Besser machten sie es 1988, als unter Trainer Hannes Löhr in Seoul Bronze geholt wurde. Dafür wurde sogar eigens die Bundesliga vier Wochen unterbrochen. Kommende Weltmeister wie Jürgen Klinsmann und Thomas Häßler sorgten mit einem abschließenden 4:0 über Italien für die umjubelte Medaillenpremiere, die 28 Jahre unerreicht blieb. DFB-Teamchef Franz Beckenbauer war persönlich angereist und gratulierte allen Spielern per Handschlag.

Erst 2016 schaffte es eine DFB-Equipe wieder nach Olympia und unter Horst Hrubesch in Rio sogar bis ins Finale, wo sie Gastgeber Brasilien nach 120 Minuten (1:1) erst im Elfmeterschießen unterlag, weil ausgerechnet Torjäger Nils Petersen patzte.

Komisch, so was gewinnen die Deutschen eigentlich immer. Olympia-Fußball hat eben seine eigenen Gesetze.