Home>Fußball>

Leadertalk mit Felix Magath: Privatleben der Spieler interessiert mich nicht

Fußball>

Leadertalk mit Felix Magath: Privatleben der Spieler interessiert mich nicht

{}
{ "placement": "banner", "placementId": "banner" }
{ "placeholderType": "BANNER" }

Magath: ”Jeder Pippifax wird aufgebauscht”

In der neuen Ausgabe von “Leadertalk - der SPORT1 Podcast” verrät der Erfolgstrainer, was ihn am heutigen Fußball stört.
Felix Magath ist nach dem ernüchternden Abschneiden der deutschen Nationalmannschaft bei der EM hart mit Joachim Löw und dem Deutschen Fußball-Bund ins Gericht gegangen.
Mounir Zitouni
Mounir Zitouni

Felix Magath (68) holte mit dem FC Bayern zweimal hintereinander das Double, er führte den VfL Wolfsburg sensationell zur Meisterschaft, arbeitete für den Hamburger SV, 1. FC Nürnberg, VfB Stuttgart, Eintracht Frankfurt, Werder Bremen und den FC Schalke 04.

{ "placeholderType": "MREC" }

Nach dem Ende seiner höchst erfolgreichen Spielerkarriere arbeitete er zunächst sechs Jahre als Manager in der Bundesliga.

Wieviel Macht ein Trainer braucht, um erfolgreich zu sein, wieso ihm die Sympathien der Spieler nie wichtig waren, weshalb die Systemfrage in Deutschland überschätzt wird, warum er mit 15 Jahren nicht nach Nürnberg wechselte und weshalb er eher weniger mit den Spielern kommunizierte, das alles erzählt Felix Magath Business-Coach und Autor Mounir Zitouni in einer neuen Ausgabe des Leadertalk. (SERVICE: Die volle Ladung Sport aufs Ohr mit der Podcast-Familie von SPORT1)

Felix Magath ist erfolgs- und leistungsgetrieben. Das spiegelt sich auch in seiner Trainingsarbeit wider: “Es kommt der Erfolg und sonst gar nichts. Zu hundert Prozent sehe ich meine Aufgabe als Trainer darin, für den Verein so erfolgreich wie es nur irgendwie ging zu sein. Bei mir zählt allein der Erfolg und allein die Leistung.”

{ "placeholderType": "MREC" }

Magath: “Ich bin nicht für den Menschen verantwortlich”

Die Konsequenz daraus: “Mich interessiert das Privatleben der Spieler nicht. Jeder ist alt genug zu sagen, ich mache das so und so. Jeder ist für sich verantwortlich. Ich bin nicht für den Menschen verantwortlich. Aber ich habe gesagt, wenn jemand ein Problem hat, dann muss er mir das sagen, damit ich das berücksichtigen kann. Da es von mir nicht gewünscht war, Privatleben zu beurteilen oder im Privatleben Einfluss zu nehmen, haben sich natürlich auch nur wenige gemeldet. Wenn es nicht anders ging kam dann auch jemand”, erzählt der 68-Jährige, der das Wohl der Gruppe, des Vereins immer über das Schicksal der einzelnen Spieler stellte.

“Als Trainer ist man für das Auftreten der Mannschaft verantwortlich. Wenn ein Spieler das nicht akzeptiert hat, was ich von ihm wollte, wie er sich in der Gruppe zu verhalten hat, dann hat man sich auch getrennt. Ich habe nie behauptet, dass meine Auffassung die alleinseligmachende ist. Ich habe immer nur gesagt: Ich kenne einen Weg. Wenn man den geht, kommt man ganz nach oben. Das ist aber nur ein Weg von vielen, die es gibt, um erfolgreich zu sein.”

Magaths Vorgehensweise ist konsequent, hart und erfolgsorientiert. Was die Spieler von ihm hielten, interessierte ihn kaum.

Magath hat “nie versucht, Menschen zu verändern”

“Ich habe nie versucht, Menschen zu verändern. Ich habe nicht darauf hingearbeitet, dass mich die Spieler mögen, wie das heute scheinbar der Fall ist. Man hat den Eindruck, dass es nur noch darum geht, beliebt zu sein”, kritisiert er das aktuelle Geschehen.

{ "placeholderType": "MREC" }

Von seiner Art mag er nicht abrücken. “Es gibt keinen Trainer, der mehr Spieler in die Bundesliga gebracht hat als ich”, lautet seine Bilanz.

Leadertalk - der SPORT1 Podcast von und mit Business-Coach und Autor Mounir Zitouni

Hinter der konsequenten Haltung steckte deshalb auch immer das Bedürfnis, Spielern etwas mitzugeben.

“Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die meisten Menschen unter ihren Möglichkeiten bleiben, weil sie sich zu wenig zutrauen, weil sie sich nicht zutrauen, dass sie besser sein könnten. Das ist das, was ich aus meinem Leben gelernt habe. Ich hatte mit 15 schon ein Angebot vom 1.FC Nürnberg, um dort auf Fußball zu setzen. Ich habe es nicht gemacht, weil ich es mir nicht zugetraut habe. Ich hatte dann mit 18 Angebote aus dem bezahlten Fußball. Ich habe es nicht gemacht, weil ich es mir nicht zugetraut habe. Als ich gezwungen war es zu machen, habe ich es doch geschafft.”

Magath: “Ich war nicht so extrem wie Zebec”

Auch weil er zu Beginn seiner Karriere zwei Welttrainer hatte: “Ernst Happel und Branko Zebec waren die besten, die ich hatte. Beide waren davon überzeugt, was sie gemacht haben und wie sie es gemacht haben. Und es hat bei beiden zu tausend Prozent funktioniert, obwohl es so unterschiedlich war. Der eine: Disziplin ohne Ende, den anderen, Happel, hat nur das Spiel interessiert. Wir hatten bei ihm nur Freiheiten. Da gab es im Grunde keine Vorschriften. Bei Branko Zebec war alles vorgeschrieben. Er hat uns beigebracht, Fußball professionell zu spielen. Ich war trotzdem nicht so extrem wie Zebec, weil ich danach mit Ernst Happel auch erlebt habe, dass das spielerische Moment höher war mit ein bisschen mehr Freiheit.”

Den Erfolg mit dem HSV schreibt er auch der Machtfülle des damaligen Trainers zu. “Der Trainer muss den meisten Einfluss auf die Mannschaft haben. Er muss nicht alles machen. Er muss nicht die Spieler verpflichten, aber er muss Einfluss haben auf die Verpflichtung, was dann dem sportlichen Erfolg zugutekommt. Ich glaube auch, dass der HSV in den Jahren 1979 bis 1983 die beste Mannschaft Europas war, weil der Trainer viel Einfluss auf die Zusammenstellung der Mannschaft hatte und der Manager den Trainer überall unterstützt hat.”

Magath: “Macht hat ein Trainer eh kaum noch”

Die aktuelle Entwicklung ist Magath ein Dorn im Auge: “Macht hat ein Trainer eh kaum noch. Als ich Spieler, war war der Trainer der entscheidende Mann. Dann kamen die ersten Manager. Dadurch haben sich auch die Machtverhältnisse verschoben, wurde der Trainer immer mehr entmachtet, so dass die Trainer viel zu wenig Einfluss auf das Geschehen bekommen haben. Und der Trainer hat sich eben so angepasst, dass er versucht hat, so zu arbeiten, dass er überall ankommt und von allen akzeptiert wird.”

Das Ergebnis für ihn: “Die Mittelmäßigkeit hat in Deutschland Einzug gehalten. Es wird alles nur noch mittelmäßig gemacht. Und so wird die Mittelmäßigkeit weiter zementiert.”

Auch weil die Spieler ein Verhalten an den Tag legen, das Magath als wenig professionell erachtet. “Nehmen Sie den Hallenhandball. Da ist doch viel mehr Emotion drin, da ist doch viel mehr Sportsgeist drin. Da tun sich die Spieler auch mal weh, weil jeder um den Sieg ringt. Beim Fußball geht es ja immer mehr verloren. In der Bundesliga wird bald jeder Körperkontakt abgepfiffen und als Foul gewertet. Die Spieler rollen sich auf dem Boden und halten sich den Kopf. Gesellschaftlich gibt es eine Entwicklung, wo jeder Pippifax aufgebauscht wird. Ich weiß nicht, wem diese Entwicklung Spaß macht.”

Magath: “Wir leben nur noch in Bildern”

Und auch die vielen zur Schau gestellten Taktiksitzungen auf dem Feld findet Magath übertrieben. “Das ist doch Papperlapapp. Fragen Sie doch mal einen Tischtennisspieler, ob der Trainer ihm, bevor er an den Tisch geht, noch was taktisch mitgibt. Sie können mir doch nicht erzählen, wenn ein Spieler vor dem EM-Finale steht, dass sie ihm noch fünf Minuten vor dem Spiel taktische Anweisungen geben können. Wenn jetzt keine Kamera da wäre, glauben Sie nicht, dass so etwas gemacht wird. Das hat nichts mit Fußball zu tun, sondern mit unserer Gesellschaft. Wir leben ja nur noch in Bildern. Was dahinter steckt ist ja alles pillepalle.”

Mounir Zitouni (50) war von 2005 bis 2018 Redakteur beim kicker und arbeitet seit dem 1. Januar 2019 als Businesscoach, betreut Sportler, Trainer und Führungskräfte in punkto Auftreten, Kommunikation und Persönlichkeitsentwicklung. Der ehemalige Profifußballer (OFC, SV Wehen, FSV Frankfurt, Esperance Tunis) hat zuletzt die Autobiographie von Dieter Müller verfasst und veröffentlicht regelmäßig eine Kolumne auf www.sport1.de