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Ex-Bayern-Talent Chessa: Manuel Neuer? "Ich hatte sowas noch nie gesehen!"

Neuer? „So was noch nie gesehen“

Ex-Bayern-Talent Dennis Chessa ist mit dem SSV Ulm in die 3. Liga aufgestiegen. Wie er den Aufstieg erlebt hat und wie er auf seine Zeit beim FC Bayern München zurückblickt, erzählt der 30-Jährige im SPORT1-Interview.
Der FC Bayern präsentiert sein neues Wiesn-Trikot, das mit einigen interessanten Details aufwartet. Im Spitzenspiel gegen Bayer Leverkusen feiert der neue Dress seine Premiere.
Ex-Bayern-Talent Dennis Chessa ist mit dem SSV Ulm in die 3. Liga aufgestiegen. Wie er den Aufstieg erlebt hat und wie er auf seine Zeit beim FC Bayern München zurückblickt, erzählt der 30-Jährige im SPORT1-Interview.

Den Aufstieg in die 3. Liga mit dem SSV Ulm hat Dennis Chessa in vollen Zügen genossen. Für den Mittelfeldspieler und gebürtigen Ulmer ist die Rückkehr in den Profi-Fußball nach 22 Jahren etwas ganz Besonderes.

In der Jugend und die ersten Jahre als Profi spielte Chessa beim FC Bayern. Dort war einer seiner Trainer Erik ten Hag, der heutige Trainer von Manchester United.

Im SPORT1-Interview spricht der 30-Jährige über den Aufstieg mit den Spatzen, seine Zeit in München, Emre Can - und ten Hag.

Ex-Bayern-Talent Chessa: Aufstieg mit SSV Ulm

SPORT1: Herr Chessa, Glückwunsch zum Aufstieg mit Ihrem SSV Ulm. Bei diesem Verein kommt einem gleich eine Szene mit Janusz Góra in den Sinn ...

Dennis Chessa: Ich freue mich, dass wir den Verein, der so lange in der Versenkung verschwunden war, jetzt wieder zurück in den Profifußball bringen konnten. Ich bin gebürtiger Ulmer und habe schon in der F-Jugend angefangen beim SSV zu kicken. Ich habe alle Jugendabteilungen durchlaufen und die Bundesliga-Zeit habe ich als Balljunge und Einlaufkind miterlebt.

Und natürlich habe ich noch die Szene mit Janusz Góra im Kopf, als er damals nach dem Heimspiel gegen Hansa Rostock beim Gang in die Kabine ‚Skandal‘ brüllte, weil vier Ulmer Spieler und der damalige Trainer Martin Andermatt vom Platz gestellt wurden. Dieser Ausraster ist bis heute Kult. Für mich als kleiner Junge war Góra ein richtiger Star. Letztens tauchte diese Szene in einem Video bei Facebook auf und ich glaube, man wird auch in zehn Jahren noch darüber reden.

SPORT1: Wie wurde der Aufstieg gefeiert?

Chessa: Ich feiere schon gerne, aber seit ich Vater von zwei Kindern bin nicht mehr so oft, weil es den Kids egal ist, ob ich abends länger weg war. Sie sind trotzdem um sechs in der Früh wach. Aber wenn man etwas erreicht hat, darf man auch feiern. Die Stadt Ulm platzte aus allen Nähten. Wir haben es schon ordentlich krachen lassen - inklusive zwei Nächten auf Malle.

SPORT1: Auf was freuen Sie sich am meisten in der neuen Saison?

Chessa: Ich freue mich auf viele coole Duelle mit echten Kultklubs wie Mannheim, Saarbrücken, Bielefeld und 1860. Natürlich wird das Spiel im Grünwalder Stadion für mich besonders. Ich war lange bei Bayern und erinnere mich gerne an die Derbys gegen Sechzig. Es ist eine verdammt starke 3. Liga. Aber das Spiel gegen die Löwen im Grünwalder wird schon sehr speziell für mich.

Warum Chessa nochmal unter Ten Hag spielen würde

SPORT1: Wie blicken Sie auf Ihre Bayern-Zeit zurück?

Chessa: Absolut positiv. Es war eine so intensive Zeit. Es ging auf und ab, aber was bleibt: Ich bin in München erwachsen geworden. Mit 15 bin ich zuhause ausgezogen und kam ins Internat bei Bayern. Als kleiner Junge aus Ulm zum großen FC Bayern - das machte etwas mit mir. Leider gab es auch negative Momente mit Verletzungen, als ich mich durchbeißen musste. Ich wurde früh von Mehmet Scholl zu den Amateuren geholt und durfte in der 3. Liga spielen. Ich habe viele tolle Menschen kennengelernt, unter anderem Erik ten Hag.

SPORT1: Heute ist er Trainer von Manchester United. Wie war es, unter ihm zu spielen?

Chessa: Ten Hag und ich hatten eine sehr gute Verbindung. Er mochte mich und wollte einfach, dass ich besser werde. Zuletzt hat er mir Grüße ausrichten lassen. Ich erinnere mich noch an den Moment, als meine Eltern nach dem letzten Spiel zum Auto gelaufen sind und uns ten Hag entgegen kam. Er kam extra zu uns, begrüßte meine Eltern und sagte, dass sie einen talentierten, fleißigen und lieben Jungen haben. Das war sehr nett von ihm. Ten Hag ist ein unglaublicher Mensch und so ein guter Trainer. Er wird niemals arrogant sein. Ich gönne ihm alles.

SPORT1: Es gab sicher den Traum, nochmal unter ihm zu spielen.

Chessa: Auf jeden Fall. Einmal wollte er mich mitnehmen, als er in die Niederlande gewechselt ist. Aber es hat leider nicht geklappt, weil ich noch bei einem Verein unter Vertrag stand. Ich habe immer gesagt, dass er ein großer Trainer wird. Es ist schon krass, dass er damals die kleinen Bayern trainierte und heute Trainer von ManUnited ist. Ten Hag soll der nächste Bayern-Coach werden - das würde absolut passen.

SPORT1: Bei den kleinen Bayern verdient man schon gutes Geld. Hatten Sie damals plötzlich eine breitere Brust?

Chessa: Ich muss ehrlich sagen, dass ich das schnell gemerkt habe. Wenn du bei Bayern spielst, dann kommt das bei den Leuten gut an. Und ich spürte es an den Reaktionen. Als wir mit einigen Mädels und den Jungs aus der Mannschaft um die Häuser gezogen sind und in einer Disco waren, habe ich mich schon cool gefühlt. Mit 18 bekam ich von Bayern meinen ersten Audi mit dem berühmten Kennzeichen und war mächtig stolz.

SPORT1: Und Sie haben es voll und ganz genossen?

Chessa: Na klar, aber es war auch hart. Es gab viele gute Fußballer in der Mannschaft und dieses Bayern-Ding hat mich schon gepusht. Schon in der zweiten Mannschaft herrschte ein großer Konkurrenzkampf.

BVB-Star Emre Can: „Schon damals ein Bulle“

SPORT1: Sie spielten bei den kleinen Bayern mit Emre Can zusammen. Wie war das?

Chessa: Emre und ich kamen gleichzeitig ins Internat und schon damals war Emre ein Bulle. Er hatte einen unfassbaren Body, machte gefühlt einen Schritt und ich drei. Emre war ein höflicher, netter Kerl. Ich bin gut mit ihm ausgekommen. Wie bei ten Hag war für mich klar, dass Emre eine große Karriere hinlegen wird. Er war damals schon der Chef auf dem Platz.

SPORT1: Sollten die Bayern Can nochmal zurückholen?

Chessa: Es würde schon nochmal passen. Emre hätte einen perfekten Karriere-Abschluss. Eine Rückkehr zu den Bayern wäre ein cooler Move.

SPORT1: Warum hat es für Sie mit dem Durchbruch bei Bayern nicht geklappt?

Chessa: Darüber habe ich schon oft nachgedacht. Ich hatte leider mit einigen Verletzungen zu kämpfen. Einmal fiel ich acht Monate aus. Dann hatte ich mich wieder rangekämpft, doch Andries Jonker (damaliger Trainer der Bayern-Amateure, Anm. d. Red.) meinte zu mir: ‚Ich weiß gar nicht, welche Position du spielst und was ich mir dir anfangen soll.‘

Irgendwie lief es dann etwas besser für mich und ich durfte auch bei den Profis mittrainieren, doch erneut verletzte ich mich. Wenn du zweimal kurz hintereinander acht Monate ausfällst, dann gibt dir das einen Knacks. Das war die schlimmste Phase bei Bayern. Es war ohnehin schwer, in die erste Mannschaft richtig reinzukommen. Auf den Außen spielten Arjen Robben und Franck Ribéry und hinten links, wo ich hätte spielen können, war David Alaba gesetzt.

Warum Neuer wieder die Nummer 1 wird

SPORT1: Gibt es ein Kabinen-Erlebnis bei Bayern, an das Sie sich erinnern können?

Chessa: Kein krasses Kabinen-Erlebnis, aber etwas zum Schmunzeln. Eine gute Freundin besuchte mich in München und holte mich nach dem Training an der Säbener Straße ab. Wir standen an der Trambahn, als plötzlich Arjen Robben hupte, das Fenster runterkurbelte und sagte ‚Ciao Dennis‘. Das war natürlich sehr nett von ihm. Die Freundin konnte es nicht glauben, dass mir Arjen Robben zuwinkt. Ich war stolz wie Oskar. Soll ich noch etwas Lustiges erzählen?

SPORT1: Gerne!

Chessa: Es gibt noch eine nette Geschichte mit Manuel Neuer. Wir machten Torschusstraining und ich habe einfach drauf geschossen und der Ball war drin. Da ist Neuer komplett ausgerastet. Er hat mich angeraunzt, warum ich schon auf die Kiste schießen würde, er wäre noch gar nicht bereit gewesen. Ich war erstmal still, hatte Respekt vor ihm. Aber Lahm und Schweinsteiger haben sich schlapp gelacht und meinten nur ‚Lass ihn reden, er ist nur sauer, weil du ihm einen reingehauen hast.‘ Das zeigte mir, wie verbissen und ehrgeizig Neuer ist.

SPORT1: Wird Neuer wieder die Nummer 1 bei den Bayern und in der Nationalmannschaft?

Chessa: Ja, auf jeden Fall. Wir haben damals im Training Ballbesitz-Spiele gemacht und Neuer war in der Mitte. Er hat keinen einzigen Fehler gemacht. Ich hatte sowas noch nie gesehen. Was er da am Fuß konnte - unglaublich. Das Gesamtpaket Neuer ist schon der Wahnsinn.

Ex-Bayern-Talent schwärmt von Schweinsteiger

SPORT1: Gibt es weitere Anekdoten aus Ihrer Bayern-Zeit?

Chessa: Die gibt es. Hermann Gerland ist schon ein schroffer, aber herzlicher Typ. Mit 15 wollte ich den Amateuren zuschauen und bin runter zum Trainingsplatz. Plötzlich schreit mich Gerland an und fragt: ‚Ey, du Osterhase, hast du keinen Bock mitzutrainieren?‘

Eine andere Situation war, als wir Fördertraining hatten. Wir sollten von außen nach innen dribbeln und dann den Ball ins lange Eck schießen. Ich habe zweimal übers Tor geschossen. Gerland motzte nur: ‚Junge, schieß den Ball auf das Tor!‘ Ich war echt nervös und habe wieder übers Tor geschossen. Es gelang mir einfach nicht und der Tiger meinte nur: ‚Was habe ich verbrochen? Was habe ich hier nur für Spieler?‘ Er hat sich gerne über Spieler beschwert und seine Kappe auf den Boden geschmissen, aber ich hatte es bis dahin nie selbst erlebt. Ich war fix und fertig und habe auf dem Zimmer erstmal meine Eltern angerufen.

SPORT1: Welchen Bayern-Spieler haben Sie besonders gemocht?

Chessa: Basti Schweinsteiger. Er ist einfach ein freundlicher, netter Mensch. So habe ich ihn damals jedenfalls erlebt. Und er ist super lustig, hatte immer einen lockeren Spruch drauf. Wir haben uns auch mal zusammen mit Tobi (Bastians Bruder Tobias Schweinsteiger, Anm. d. Red.) getroffen. Basti ist einfach ein hilfsbereiter Kerl. Er hat sich sehr um mich gekümmert. Er hatte mega Druck in seiner Kariere, hat sich den Spaß und die Lockerheit aber stets bewahrt. Schweinsteiger war ein absolutes Vorbild.

SPORT1: Was war am schönsten - Meister mit den kleinen Bayern 2014, der Aufstieg 2018 mit dem KFC Uerdingen in die 3. Liga oder jetzt der Drittliga-Aufstieg mit Ulm?

Chessa: Das ist echt eine schwierige Frage. Jeder Erfolg hat etwas Besonderes für sich. Blöd war damals, dass wir mit Bayern diese Relegation hatten und es dann nicht geschafft haben. Wir sind mit Bayern Meister geworden, ich glaube, es war einige Spieltage vor Saisonende. Doch wir mussten dann noch die Relegation spielen gegen den Tabellenersten der Regionalliga West (damals Fortuna Köln, Anm. d. Red.). Da haben wir bis zur 90. Minute geführt, wären also aufgestiegen, doch in der 91. Minute gab es einen Torwartfehler und durch die Auswärtstorregel sind dann die Kölner aufgestiegen. Und wir als Erster leider nicht.

Uerdingen war ähnlich wie Ulm lange weg. Aber in Ulm habe ich alles erlebt, war Einlaufkind und Balljunge und komme von dort, deshalb ist dieser Aufstieg etwas ganz Besonderes.