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In England eine legendäre Torwart-Ikone - vom DFB ignoriert

In England Ikone, vom DFB ignoriert

Der deutsche Torhüter Bert Trautmann wurde im Nachkriegs-England zur Legende, vor allem wegen seines berühmten Genickbruch-Dramas. Wegen der skeptischen Haltung des damaligen Bundestrainers zu „Legionären“ blieb er im Nationalteam außen vor.
Bert Trautmann im Jahr 1949
Bert Trautmann im Jahr 1949
© IMAGO / Colorsport
Der deutsche Torhüter Bert Trautmann wurde im Nachkriegs-England zur Legende, vor allem wegen seines berühmten Genickbruch-Dramas. Wegen der skeptischen Haltung des damaligen Bundestrainers zu „Legionären“ blieb er im Nationalteam außen vor.

Der Aufprall war brutal, die Folgen ebenfalls. Das spürte Bert Trautmann auch noch 57 Jahre nach dem Vorfall, der in seiner ganzen Dramatik zuerst gar nicht richtig sichtbar war. „Wenn ich meinen Kopf ruckartig bewege, fühle ich noch immer Schmerzen“, verriet der ehemalige Torhüter einmal, als er über seinen schweren Sportunfall sprach, der ihn weltberühmt und zur Legende von Manchester City machte.

Es geschah am 5. Mai 1956, also heute vor 69 Jahren. Der Tag, der alles im Leben von Bernhard Carl Trautmann, den alle nur Bert nannten, schlagartig veränderte.

Es geschah in der 75. Minute des FA-Cup-Finales zwischen City und Birmingham. Trautmann hatte sich damals waghalsig in eine flache Hereingabe geworfen und war von Birminghams Stürmer Peter Murphy unglücklich am Nacken getroffen worden. Mit schmerzverzerrtem Gesicht blieb er am Boden liegen.

Weil die heute üblichen Auswechslungen allerdings zu diesem Zeitpunkt noch nicht erlaubt waren, biss Trautmann auf die Zähne und spielte bis zum Ende durch. Am Rande der körperlichen Belastbarkeit, nahe an der Bewusstlosigkeit, medizinisch unverantwortlich, wie heute jedem klar sein muss. Dass es trotzdem geschah, war allerdings Stoff für eine Legende. Mit Glanzparaden führte er sein Team zum Sieg - erst drei Tage später erfuhr die Welt, welch irre Hintergründe seine Meisterleistung hatte.

Trautmann: “Wusste nicht genau, was passierte”

Untersuchungen ergaben, dass sich Trautmann bei dem schlimmen Zusammenprall das Genick gebrochen und fünf Halswirbel ausgerenkt hatte. Zweifellos hatte der Torhüter großes Glück und hätte nach dem Vorfall auch tot sein können. Doch am Ende sah er es nüchtern. “Ich wusste nicht genau, was passierte, aber so waren die Fußballer zu diesen Zeiten. Härter im Nehmen als heute”, blickte Trautmann zurück.

„An das Pokalendspiel wird man sich vor allem wegen der Heldentat des City-Torhüters erinnern“, titelte die Manchester Evening News damals - und sollte recht behalten. „Wo immer ich hinkam, wurde ich auf mein Genick angesprochen“, sagte der 2013 verstorbene Trautmann im Gespräch mit dem britischen Guardian, das er im Jahr 2010 führte. Bei City wurde er zum Fußballhelden, zum Publikumsliebling, was sich erst nicht abzeichnete, aber dann doch unvermeidlich war.

Der Hintergrund: Trautmann war wie viele seiner Generation Mitglied der Hitlerjugend und meldete sich mit 17 Jahren freiwillig zur Luftwaffe. Als einer der wenigen überlebte er mit 21 Jahren einen Bombenangriff. Nach einigen erfolgreichen Fluchtversuchen musste er sich den englischen Truppen ergeben, Trautmann wurde Kriegsgefangener. Zusammen mit anderen Gefangenen spielte er Fußball, und das Talent des jungen Deutschen machte bald die Runde.

City-Fans protestierten anfangs gegen Trautmann

Nach seiner Entlassung und seiner Wahl, weiter in England zu bleiben, erhielt Trautmann erste Angebote von verschiedenen Fußballklub. Über den Amateurverein St. Helen’s Town landete er schließlich beim renommierten Manchester City - doch die Fans empfingen ihn feindselig. 20.000 gingen gegen den Transfer von „Traut, the Kraut“ auf die Straße, einige bastelten Transparente mit Aufschriften wie „Off the German!“ (Raus mit dem Deutschen!). Andere Anhänger gaben ihre Dauerkarten ab, viele Gruppen schrieben offene Protestbriefe.

Mannschaftskapitän Eric Westwood hielt jedoch dagegen und empfing Trautmann mit warmen Worten: „Es gibt keinen Krieg in dieser Kabine.“ Trautmann half das, er zahlte den Zuspruch mit starken Leistungen zurück - und das vom ersten Einsatz an. “Ich wollte den Leuten zeigen, dass ich ein guter Torwart und ein guter Deutscher war und die Dinge liefen gut für mich an diesem Tag”, so Trautmann weiter. “Aber dass die Spieler beider Teams mir nach Ende des Spiels applaudierten und die Fulham-Fans mich mit Standing Ovations feierten, ist etwas, das ich nie vergessen werde.”

Die Stimmung um Trautmann kippte. Anfangs wurde er noch als Nazi beschimpft, der Hass auf sein Land war noch weit verbreitet. Die Zuschauer brüllten „Sieg Heil“ und hoben den rechten Arm zum Hitlergruß, wenn er einlief. Doch ausgerechnet der Rabbiner der Stadt rief zur Besinnung auf. Alexander Altmann, selbst dem Holocaust entkommen, weil er 1938 von Berlin nach Manchester geflohen war, appellierte eindringlich, die Wut auf Deutschland nicht an einem jungen Mann auszulassen.

Sogar die Queen ehrte Trautmann

„Dank Altmann war nach einem Monat alles vergessen“, sagte Trautmann, der dann zum Publikumsliebling avancierte und zwischen 1949 und 1964 sagenhafte 545 Spiele für City bestritt. Nur in die deutsche Nationalmannschaft wurde er nie berufen. Denn der damalige Bundestrainer Sepp Herberger und auch die Öffentlichkeit hatten arge Vorbehalte gegen sogenannte Legionäre, also Spieler, die ihr Geld nicht in der heimischen Liga verdienten. So verpasste Trautmann die WM 1954 - und wurde kein Teil des Weltmeister-Teams.

Seinem Legendenstatus schadete dies aber nicht. 2002 wurde Trautmann zur “Football Legend of the Football League” gewählt, 2004 verlieh ihm Königin Elisabeth II. den „Order of the British Empire“ für seine Verdienste um die deutsch-britische Verständigung, 2007 wählten ihn die Fans zum besten Spieler von Manchester City aller Zeiten. Die letzte Ehrung, die Trautmann erhielt, bevor er im Juli 2013 an einem Herzinfarkt starb, war die Aufnahme in die Hall of Fame des deutschen Sports.