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Traditionsklub am Abgrund! "Ich habe nichts bereut"

Traditionsklub am Abgrund

Dem niederländischen Traditionsklub Vitesse Arnheim droht das Aus – der Verband hat die Profilizenz entzogen. Trainer Rüdiger Rehm zeigt sich im SPORT1-Gespräch trotz der dramatischen Lage kämpferisch – er spricht über Vertrauen, Hoffnung und einen möglichen Neustart.
Die Zukunft von Vitesse Arnheim steht in den Sternen
Die Zukunft von Vitesse Arnheim steht in den Sternen
© IMAGO/Pro Shots
Dem niederländischen Traditionsklub Vitesse Arnheim droht das Aus – der Verband hat die Profilizenz entzogen. Trainer Rüdiger Rehm zeigt sich im SPORT1-Gespräch trotz der dramatischen Lage kämpferisch – er spricht über Vertrauen, Hoffnung und einen möglichen Neustart.

Die Sonne schien über dem Trainingsgelände in Papendal, als gelb-schwarzer Rauch der Ultras die Luft vernebelte – ein kraftvolles Zeichen der Treue. Doch was wie der freudige Auftakt in eine neue Saison wirkte, könnte bald das bittere Ende markieren: Vitesse Arnheim steht vor dem finanziellen Kollaps. Am 11. Juli entzog der niederländische Fußballverband KNVB dem Traditionsverein erneut die Profilizenz – diesmal mit besonders deutlichen Worten.

Die Vorwürfe wiegen schwer: Der Zweitligist habe das Lizenzierungssystem „über einen längeren Zeitraum hinweg konsequent umgangen und untergraben“. Bereits im Vorjahr war dem Klub die Lizenz unter der Maßgabe einer „letzten Chance“ gewährt worden – doch laut KNVB wurden viele der damit verbundenen Auflagen nicht erfüllt. Aufsichtsratsmitglieder wurden abgesetzt, Kontrollmechanismen ausgehebelt, eine unabhängige Stiftung aufgelöst. Die Folge: Die Integrität des Wettbewerbs sei gefährdet. Der Verband zog die Notbremse – mit drastischen Konsequenzen.

Der 1892 gegründete Verein, Pokalsieger von 2017 und Ausbildungsstätte für Stars wie Roy Makaay und Phillip Cocu, steht damit vor der Existenzfrage. Nach dem sportlichen Abstieg 2024 und zwei massiven Punktabzügen – 18 im April, weitere 12 für die kommende Saison – droht nun auch der strukturelle Zusammenbruch. Trainer Rüdiger Rehm, der erst im Juni das Amt übernahm und zuvor bei Waldhof Mannheim tätig war, ist mitten in eine Krise geraten, deren Ausmaß kaum größer sein könnte.

Rehm: „Ich habe nichts bereut“

Trotzdem gibt sich der 46-Jährige im Gespräch mit SPORT1 kämpferisch: „Natürlich mussten wir kurz schlucken, aber unser Blick geht nach vorne. Ich habe nichts bereut, seit ich unterschrieben habe.“

Rehm betont, dass hinter den Kulissen alle Hebel in Bewegung gesetzt werden: „Ich weiß, wie der Klub im vergangenen Jahr gearbeitet hat und was aktuell versucht wird, realistisch umzusetzen, damit wir die Lizenz behalten können. Dafür wird alles getan. Es wurde immer transparent kommuniziert – ich vertraue hier jedem. Ich blicke wirklich optimistisch in die Zukunft, weil ich grundsätzlich ein optimistisch denkender Mensch bin.“

Der Coach sieht in der Krise nicht nur eine Gefahr, sondern auch das Potenzial für Zusammenhalt: „Die Moral in der Mannschaft ist top. Die Jungs wollen diesen Kampf annehmen. Es ist eine schwere Zeit, aber sie schweißt uns zusammen.“ Rehm betont: „Es gibt keinen Spieler, der aktuell den Verein verlassen möchte.“

Investorengruppe macht Hoffnung

Der Verein will gegen den Lizenzentzug Einspruch einlegen – dieser muss innerhalb von fünf Werktagen erfolgen, also spätestens am 18. Juli. Hoffnung macht eine kürzliche Einigung mit einer regionalen Investorengruppe namens De Sterkhouders, die sämtliche Anteile übernehmen will. Doch auch dieser Schritt steht unter Vorbehalt: Zunächst muss der KNVB die Lizenz wieder erteilen – erst danach kann der Einstieg der Investoren offiziell genehmigt werden. Der Klub hängt damit in der Schwebe – sportlich wie wirtschaftlich.

Rehm kam auf Empfehlung von Ex-Coach Thomas Letsch nach Arnheim und spricht mit Zuversicht über seinen Start: „Ich wurde immer mitgenommen und über alles informiert. Ich habe Vertrauen in das Management. Die Strahlkraft dieses Klubs ist enorm – wir wollen in dieser Krise wachsen.“

Zusammenfassend sagt Rehm: „Es ist eine sehr schwierige Aufgabe, aber wir haben gute Möglichkeiten, erfolgreich zu arbeiten – vorausgesetzt, wir bekommen die Lizenz. Ich bin zuversichtlich, dass wir das schaffen. Die Fans unterstützen den Verein derzeit fast noch mehr als zu seinen Glanzzeiten im Europapokal. Deshalb ist es auch schön, dass der Klub wieder in einheimische Hände gekommen ist. Wir wollen in dieser Krise wachsen.“

Rehm erklärt seine Arbeit in der Krise

Sein Fokus liegt trotz der Turbulenzen auf dem Sportlichen: „Ich plane meine Saison und die Vorbereitungsphase immer gleich: sehr detailliert, mit dem Ziel, verschiedene Themen und Bausteine unseres Spiels auch im Fitnessbereich auf den bestmöglichen Stand zu bringen. Alles andere müssen andere klären.“

Der deutsche Trainer glaubt an den Neustart – auch wenn dieser womöglich tiefer beginnt, als erhofft. Das Fundament sei gelegt, betont Rehm, auch wenn es „eine sehr schwierige Aufgabe“ bleibe.

„Ich glaube trotz allem, dass Vitesse auf dem richtigen Weg ist – vor allem aufgrund des vergangenen Jahres", sagt der deutsche Coach: „Der Vorwurf des Verbands bezieht sich nicht auf die Gegenwart oder die Zukunft, sondern auf Dinge, die vor zwei, drei Jahren passiert sind.“

Neue Chance für Vitesse?

Ob der Klub tatsächlich eine neue Chance erhält, liegt nun in den Händen des KNVB. Sollte das Berufungsverfahren scheitern, droht Vitesse nicht nur der sportliche Stillstand, sondern die Insolvenz – mit weitreichenden sozialen Folgen für die Region.

Der Verein müsste sich dann – Stand heute – in der Amateurliga Hoofdklasse oder darunter neu aufstellen, da ein professioneller Spielbetrieb ohne Lizenz nicht mehr möglich wäre.

Doch bis dahin klammern sich Spieler, Fans, Verantwortliche – und Trainer Rehm – an die letzte Hoffnung.