Nichts und niemand war in der Lage, die Emotionen an diesem Tag zu bremsen. Fans stürmten den Platz, Spieler wurden in die Höhe gestemmt oder knieten emotional auf dem Boden.
Neun Jahre nach der Tragödie: Ein Kultklub ist zurück!
Kultklub nach Tragödie zurück im Oberhaus
Fast auf den Tag genau neun Jahre nach dem Absturz von Flug Lamia 933 am 28. November 2016 – einem Unglück, das weit über die Welt des Fußballs hinausging – kehrt Chapecoense zurück in die erste brasilianische Liga.
Zunächst aber ein Rückblick zu dem Tag, der den wohl größten Erfolg der Klubgeschichte einleiten sollte und stattdessen in einer der größten Tragödien des Sports endete.
71 Tote: Der Tag der für Chapecoense zum Horror wurde
Auf dem Weg zum Final-Hinspiel der Copa Sudamericana in Medellín (Kolumbien) war der Charterflieger des Teams kurz vor der Landung mit leergeflogenen Treibstofftanks an einem Berghang zerschellt. Es starben insgesamt 71 der 77 Menschen an Bord. Darunter 19 Spieler, 14 Teammitglieder, neun Personen aus der Klubführung und 20 mitgereiste Journalisten.
Auf das kaum greifbare Unglück folgte eine sportlich bedrohliche Zeit, in der der Klub aus der brasilianischen Stadt Chapecó zahlreiche Angebote zur Unterstützung erhielt. Neben anderen Klubs boten auch Stars wie Ronaldinho ihre Hilfe beim Neuaufbau an.
Nach dreijährigem Kampf musste der Klub 2019 als Tabellenvorletzter aber schließlich in die Série B absteigen. Auf den direkten Wiederaufstieg folgte 2021 der erneute Abstieg und drei Jahre lang der Kampf gegen den Absturz in die Drittklassigkeit.
Zwischen 2022 und 2024 wurde Chape zweimal 15. und einmal 16. und landete damit nur knapp vor den Abstiegsrängen 17 bis 20. Umso überraschender kam die sensationelle Rückkehr in die Série A in dieser Saison.
Chapecoense übersteht verrücktes Aufstiegsrennen in Brasilien
Die Ausgangslage am letzten Spieltag der Saison hätte kaum dramatischer sein können. Hinter Meister Cortiba FC, der sicher als Aufsteiger fest stand, spielte sich ein Sechskampf um die verbliebenen drei Aufstiegsplätze ab.
Chapecoense führte beim 1:0-Sieg gegen Atlético Goianiense durch einen Elfmeter schon seit der Nachspielzeit der ersten Hälfte und sprang damit auf einen Aufstiegsplatz. Doch das Bangen im Stadion hielt bis zur letzten Sekunde an. Ein Gegentreffer oder die Ergebnisse in den anderen Stadien hätten die Träume im Handumdrehen zum Erliegen bringen können.
Club Athletico Paranaense hatte alles in der eigenen Hand und setzte sich durch einen Sieg sicher auf dem zweiten Platz fest. Dahinter waren Criciúma EC und Goiás EC mit zwei Punkten Vorsprung auf Chape eigentlich in der besseren Ausgangsposition. Beide verloren jedoch ihr Saisonendspiel und fielen hinter Chapecoense (3.) und Clube do Remo (4.) zurück. Bei einer eigenen Niederlage wäre Chape letztlich sogar auf Rang sieben abgerutscht.
Nach vier Jahren in Liga zwei brachen folglich nicht nur nach dem Abpfiff alle Dämme. Auch auf der Pressekonferenz nach dem Spiel herrschte pure Ekstase. Die Spieler stürmten den Raum und bewarfen oder überschütteten Trainer Gilmar Dal Pozzo mit jedem möglichen Mittel, das sie im Stadion auftreiben konnten. Es folgte eine Party, bei der man sich glücklich schätzen konnte, dass der Medienraum anschließend nicht kernsaniert werden musste.
Überlebende feiern Chapecoense-Aufstieg
Besonders emotional war der Wiederaufstieg von Chapecoense für die einzigen drei überlebenden Spieler des Flugzeugunglücks. Neben dem ehemaligen Torhüter Jakson Follman, dessen rechter Unterschenkel amputiert werden musste, meldete sich Abwehrspieler Neto in den sozialen Medien zu Wort.
„Wir sind zurück in der Série A, wir sind zurück an dem Ort, an dem wir immer gewesen sind, wir sind zu unserem Wesen zurückgekehrt, nämlich zu kämpfen und uns bis zum Schluss nicht aufzugeben“, schrieb der Brasilianer bei Instagram und führte aus: „Ein Trikot, das eine Geschichte von Kampf, Glauben, Mut, Hingabe und großer Bescheidenheit in sich trägt, konnte nicht außerhalb der Elite des brasilianischen Fußballs bleiben. Glückwunsch an die Vereinsführung, den Trainerstab, die Spieler und alle Mitarbeitenden des Klubs zu diesem Erfolg.“
Abschließend gedachte er auch seiner verstorbenen Freunde, Mitspielern und den weiteren Opfern: „Für immer‚ vom Zeugwart bis zum Präsidenten.“
Wenn Chapecoense in der nächsten Saison den zehnten Jahrestag des Unglücks in der ersten Liga erleben wird, könnte es zudem ein Wiedersehen mit dem dritten überlebenden Spieler geben. Der frühere Kapitän Alan Ruschel spielt mit 36 Jahren derzeit noch bei Juventude EC in der Série A, allerdings läuft der Vertrag des Linksverteidigers am 31. Dezember aus.
Ruschel hatte Chapecoense 2021 verlassen und kam in dieser Saison, zumeist von der Bank, zu 20 Einsätzen. Im Jahr des Unglücks war er an den Klub verliehen, ehe er 2018 zum zweiten Mal einen festen Vertrag bei Chape unterschrieb. Damit war er auch an den beiden Abstiegen der vergangenen Jahre beteiligt.
„Ich möchte Gott für die Gelegenheit danken. Wir wissen, dass es nicht einfach war, bei allem, was wir erlebt haben“, hatte Ruschel nach dem zwischenzeitlichen Wiederaufstieg gesagt.
2025, im zehnten Jahr nach dem Absturz, ist die Mission klar. Anders als nach dem letzten Aufstieg will sich der Klub aus dem Süden Brasiliens auch langfristig im Oberhaus festsetzen und den Opfern der Tragödie damit eine besondere Ehre erweisen.