Manche Dinge erschließen sich erst in der Retrospektive. Safa Semsary, Projektleiterin des Programms „Ready. Set. Coach.“ des Berliner Fußball-Verbands und Nike, kann sich noch gut erinnern, wie sie als Mädchen mit ihrem Bruder und dessen Jungs kickte.
"Dann gab’s tausend neue Regeln" - wie anders kann der Fußball sein? Flutlicht an!
Wie anders kann der Fußball sein?
War ihr Tor von der Mittellinie eines Nachmittages unentdecktes Talent? Oder einfach ein Glücksschuss?
Wer will das heute noch sagen. Fest steht nur so viel, der Treffer wurde von den anderen Kindern nicht gezählt. Ein Mädchen, das von der Mittellinie trifft, sowas konnte einfach nicht sein. „Dann gab’s tausend neue Regeln, die erfunden wurden“, erzählt Semsary.
Die Szene ist ihr deswegen besonders präsent, weil sie kürzlich im Rahmen von „Ready. Set. Coach.“ über den Moment nachgedacht hat, in dem ihr zum ersten Mal bewusstgeworden ist, dass ihr Geschlecht im Kontext Fußball eine Rolle spielt. So wie ihr geht es vielen FLINTA – Frauen, Lesben, Inter, Nicht-Binären, Agender – und an sie richtet sich das Programm.
Interesse am Fußball ist überall groß
Ziel ist, sie fürs Thema Coaching zu begeistern. Daneben geht es auch um Community. Denn der Fußball ist weiterhin ein stark hetero-cis-männlich dominierter Gesellschaftsbereich.
Und gleichzeitig interessieren sich Menschen verschiedener Gender und Sexualitäten dafür, zu kicken – oder innerhalb des Fußballs sportliche oder andere Verantwortung zu übernehmen. Sie zu empowern und zu vernetzen, bleibt daher ein wichtiges Thema.
Das auch deshalb, weil so neue Vorbilder entstehen: „Wenn ich keine Mädchen oder Frauen – in meinem Fall –, sehe, dann auch noch People of Color, die Rassismus erfahren, die Fußball spielen, Coaches sind, die vielleicht im Vorstand sind, Managerinnen sind im Fußball, entsteht die Idee für mich nicht von alleine, dass das für mich möglich ist“, sagt Semsary und fügt hinzu: „Ein Weg, den ich gehen kann, eine Perspektive, die die Zukunft für mich bereithält.“
Wie anders kann der Fußball sein?
Im Programm reden die Teilnehmenden auch darüber, wie sie sich in bestimmten Situationen fühlen, was sie selbst anders machen können, wie die Geschichte anders erzählen. Dabei ist es aus Sicht von Semsary Grundvoraussetzung, anzuerkennen: Fußball als Raum kann anders besetzt sein, als dies gerade der Fall ist. Und damit stellt sich die Frage: Wie anders?
Sie selbst ist auch im Verein aktiv. Bei Polar Pinguin Berlin e. V. war sie viele Jahre lang stilles Mitglied, seit 2021 gehört sie für die Themen Antidiskriminierung und Nachhaltigkeit dem Vorstand an. Von Ehrenamt habe sie vorher keine Ahnung gehabt, gesteht sie lachend. „Ich wusste natürlich, dass einige Leute im Verein Dinge machen und kein Geld dafür bekommen.“ Aber was das bedeute, auch für einen selbst, sich so einzubringen, erfährt sie erst seither.
Hilfreich für die Tätigkeit in Verband und Verein sei, dass sie beruflich schon lange dieselben Themen beackere, nämlich als freie Beraterin und Moderatorin. Die Fragen, die sich im Sport hinsichtlich offener Räume und dem Anerkennen eigener Vorurteilen stellten, seien dieselben wie in Unternehmen und Institutionen, findet Semsary. Der Vorteil im Kontext Sport sei die Leidenschaft, die Menschen für ihren Verein und beispielsweise den Fußball aufbringen, mit der große Freiwilligkeit und Bereitschaft einhergehe, den Raum für alle positiv zu gestalten.