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3. Liga: Türkgücü München erntet nach Punktabzug und Insolvenz kein Mitleid

Türkgücü erntet nicht mal Mitleid

Türkgücü München werden aufgrund einer Insolvenz elf Punkte abgezogen. Bei SPORT1 sprechen ein ehemaliger Spieler und Trainer über die Lage beim Noch-Drittligisten. Mitgefühl gibt es nur mit den Spielern.
Ausgerechnet im Stadtderby gegen den TSV 1860 München hat Türkgücü München ein Lebenszeichen im Abstiegskampf gesendet. Beim 2:1 brachte ein sehenswerter Treffer die Hausherren auf die Siegerstraße.
Türkgücü München werden aufgrund einer Insolvenz elf Punkte abgezogen. Bei SPORT1 sprechen ein ehemaliger Spieler und Trainer über die Lage beim Noch-Drittligisten. Mitgefühl gibt es nur mit den Spielern.

Schleichend und stetig geht es dahin mit Türkgücü München. Keine Woche ohne eine neue Hiobsbotschaft für den Drittligisten.

Doch der Reihe nach: Kürzlich stellten die Verantwortlichen beim Amtsgericht München einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens. Präsident und Investor Hasan Kivran wird nämlich nicht weiter die finanziellen Löcher des maroden Klubs stopfen.

Vergangenen Freitag dann der nächste Schlag ins Gesicht für Geschäftsführer Max Kothny und seine Kollegen. Türkgücü wurden vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) elf (!) Punkte abgezogen. (DATEN: Die Tabelle der 3.Liga)

Sliskovic: „Selbst schuld!“

“Das tut mir für die Jungs unglaublich leid. Das haben sie nicht verdient. Die Strafe ist schon sehr hart. Es wird verdammt schwer, in der Liga zu bleiben“, sagt Petar Sliskovic zu SPORT1. „Auch für die Fans tut es mir leid. Es ist wirklich sehr bitter. Was die Verantwortlichen des Vereins angeht: ‚Selbst schuld!‘ Es war zu erwarten.“ (NEWS: Alle aktuellen Infos zur 3. Liga)

Der 31-Jährige war 2020 vom MSV Duisburg zu Türkgücü gewechselt, spielte dort bis Januar dieses Jahres, ehe er sich dem SV Wehen Wiesbaden anschloss. In der vergangenen Saison bildete Sliskovic zusammen mit Sercan Sararer den Topsturm bei Türkgücü. In 29 Einsätzen traf der Kroate 13 Mal.

Im Januar 2021 wollte Sliskovic die Münchner bereits verlassen, damals scheiterte ein Wechsel nach Südkorea aber am Veto von Kivran. Der Unternehmer hat den Geldhahn nun endgültig zugedreht. Wie der DFB mitteilte, setzte sich die harte Strafe aus zwei Sanktionen zusammen.

Türkgücü kann bis Freitag Einspruch einlegen

Neun Punkte werden wegen des Ende Januar gestellten Insolvenzantrags abgezogen, weitere zwei wegen eines Auflagenverstoßes. Türkgücü, mit nun 15 Punkten Tabellenletzter, kann innerhalb einer Woche Widerspruch einlegen. Diese Frist läuft am Freitag ab.

SPORT1 fragte nach und erfuhr, dass sich die Verantwortlichen des Klubs noch nicht entschieden haben, ob sie Widerspruch einlegen oder das Urteil akzeptieren und dem Profifußball Lebewohl sagen. (DATEN: Ergebnisse und Spielplan der 3. Liga)

Das ambitionierte Projekt von Kivran ist jedenfalls sechs Jahre nach seinem Einstieg gescheitert. Dabei war der Verein erst im Sommer 2020 mit großen Ambitionen von der Regionalliga Bayern aufgestiegen, der Sprung in die 2. Bundesliga wurde offiziell als Ziel ausgegeben. Knapp zwei Jahre später ist von den anspruchsvollen Plänen nicht mehr viel übrig.

Dayat: „Strafen hat man zu akzeptieren“

“Ein Abzug von elf Punkten ist natürlich nicht leicht zu verkraften, und das ist sozusagen der Abstieg. Mit tun am meisten die Spieler und die Fans leid. Die können am wenigsten dafür“, sagt der ehemalige Türkgücü-Trainer Serdar Dayat SPORT1.

“Ob dies eine harte Strafe ist oder nicht, kann ich eigentlich nicht kommentieren, da die Statuten dies so vorschreiben. Strafen hat man zu akzeptieren.“

Die schlechten Nachrichten reißen in diesen Tagen nicht ab. Wie die Süddeutsche Zeitung berichtet, ist sogar der Spielbetrieb bis Saisonende in Gefahr. Sollte der Klub bis zum 1. April keinen neuen Geldgeber finden, würde es schwer werden, den Spielbetrieb fortzusetzen.

Zudem berichtet der Kicker, dass die Münchner Schulden bei der Konkurrenz haben. So sei die Ablösesumme von 200.000 Euro für Paterson Chato noch nicht vollständig an Ligakonkurrent Wehen Wiesbaden überwiesen worden. Es sei noch eine sechsstellige Summe offen, schreibt das Magazin.

Ob diese überhaupt noch vollständig beglichen werden kann, erscheint angesichts des Insolvenzverfahrens ohnehin fraglich. Wie der Kicker weiter berichtet, habe der Klub Gehälter weit über dem Durchschnitt der Liga gezahlt.

Grund des Übels: „Fehlende Geduld“

Wie konnte es so weit kommen? „Durch fehlende Geduld“, meint Sliskovic. „Türkgücü ist schnell aufgestiegen - von der siebten bis in die 3. Liga. Und man dachte dann wohl, dass es dort so weiter geht. Aber die Bosse wurden jetzt eines Besseren belehrt.“

Und weiter: „Vereine wie Kaiserslautern und Rostock sind schon einige Jahre in der 3. Liga, obwohl eine tolle fußballverrückte Region dahinter steht. So einfach geht es nicht mit dem Aufstieg. Bei Türkgücü wollte man zu schnell zu viel und hat die Lage unterschätzt.“

Für Sliskovic steht eines fest. „Ich würde auf jeden Fall Widerspruch einlegen. Der Klub hat nichts zu verlieren. Vielleicht werden dann statt elf doch nur neun Punkte abgezogen. Türkgücü sollte alles versuchen, was möglich ist, um die Strafe zu reduzieren.“

Dayat sieht es genauso: „Diesen Weg sollte man auch gehen, damit man am Ende nicht sagt, dass man nicht alle Rechtsmittel ausgeschöpft hat.“

Entlassung von Schmidt

Sliskovic blickt mit gemischten Gefühlen zurück: „Ich hatte eine sehr intensive Zeit bei Türkgücü. Mit vielen Höhen und Tiefen. Bis zur Entlassung von Alexander Schmidt hatten wir viel Erfolg. Aber die Ungeduld war der große Fehler. Was danach passiert ist, ist der Wahnsinn.“

Diese Meinung hat auch der ehemalige Türkgücü-Trainer Serdar Dayat, der von März bis Mai des vergangenen Jahres Trainer bei den Münchnern war. “Ich muss sagen, dass diese Nachricht auf der einen Seite hinsichtlich des Zeitpunktes etwas überraschend kommt, aber andererseits früher oder später abzusehen war“, meint der 52-Jährige. Zuletzt hatte Dayat bei SPORT1 schwere Vorwürfe gegen den Verein erhoben, vor allem mit Kivran rechnete er ab. Jetzt schlägt er moderatere Töne an.

Vereinsfügrung hat „Geldgeber abgeschreckt“

“Türkgücü ist mein Jugendverein. Ich verbinde viele schöne Erinnerungen mit diesem Verein. Aus diesem Grund finde ich es sehr schade, dass man eher Negativschlagzeilen macht.“ Man habe andere Geldgeber gesucht, „so dass der einzige Investor eine Art Entlastung erfährt, aber die Art und Weise, wie der Verein geführt wurde, hat auch interessierte Geldgeber abgeschreckt“.

Türkgücü sei dem Grunde nach „ein sehr interessantes Projekt gewesen, auch für Investoren aus dem Ausland, aber Geldgeber möchten wissen, wie und wo ihr Geld angelegt wird und vor allem was für sie dabei herausspringt“.

Eine Spitze gibt es von Dayat doch noch in Richtung Investor. „Herr Kivran hat meiner Meinung nach nicht im Sinne des Vereins gehandelt. Man muss auch loslassen können, zumindest teilweise.“ Türkgücü sei nicht „sein Eigentum“.

Es müsse Spielregeln geben, die Investoren zwar anziehen, aber diese gleichzeitig auch kontrollieren. „Bei Türkgücü war die Grundkonstellation eigentlich zum Scheitern verurteilt. Der Investor ist nicht nur der Geldgeber, sondern auch derjenige, der sogar darüber entscheidet, wer eingewechselt wird und wer nicht.“

Dayat findet trotz der chaotischen Lage positive Worte: „Ich bin überzeugt davon, dass Türkgücü nicht von der Bildfläche verschwinden wird. Der Verein hatte auch in der Vergangenheit schwierige Tage gehabt. Trotzdem ist es dann erneut aufwärts gegangen. Auch diesmal wird es so sein. Wichtig ist nur, dass man aus Fehlern lernt.“