Grollend brechen die Wellen vor der marokkanischen Atlantikküste, die Luft über dem brodelnden Meer dampft. Es ist, als wolle die Natur bekräftigen: Hier ist ordentlich Druck auf dem Kessel. Schließlich steht der große Moment unmittelbar bevor.
Afrika Cup: Marokko auf Weg zur Fußball-Weltmacht
Druck auf dem Kessel
Der Ausrichter des „Africa Cup of Nations“, den hier alle nur AFCON nennen, trifft in seinem Auftaktmatch in der Hauptstadt Rabat auf die Komoren (So., 20 Uhr im LIVETICKER).
„Es wird ein großer Tag werden“
„Wir haben zwei Jahre lang hart gearbeitet. Es wird ein großer Tag werden“, sagt Nationaltrainer Walid Regragui: „Unser Ziel war es immer, den AFCON zu gewinnen und alles zu geben. Unsere Fans stehen hinter uns.“
In der Tat ist die Vorfreude greifbar. Trikots und Fahnen sind ebenso allgegenwärtig wie Werbung mit dem Event des Jahres. Von jeder Ecke prangt ein Nationalspieler und bewirbt so ziemlich alles vom Mobilfunk bis zur Mayonnaise.
Am prominentesten vertreten sind die Topstars Achraf Hakimi (Paris St. Germain), um dessen Einsatz nach seiner Knöchelverletzung im Champions-League-Spiel gegen Bayern München noch gebangt wird, und Brahim Diaz (Real Madrid). Große Namen, große Klubs.
„Marokko wird das Turnier gewinnen“
Ist bei allem Optimismus der Druck vielleicht sogar zu hoch? Fatima El Ghazouani glaubt das nicht. „Es ist ein guter Druck“, sagt die Nationalspielerin im Gespräch mit SPORT1. Sie ist wie zahlreiche ihrer Landsleute felsenfest überzeugt: „Marokko wird das Turnier gewinnen.“
Auch El Ghazouani profitierte in ihrer noch jungen Karriere von der Fußballoffensive mit einem umfangreichen Förderprogramm, das die Regierung ins Leben gerufen hat. Dabei heraus sprangen unter anderem das WM-Halbfinale 2022, Olympia-Bronze 2024 und der WM-Titel bei den U20-Junioren in diesem Jahr.
Mit der WM 2030 am Horizont, die Marokko zusammen mit Portugal und Spanien ausrichtet, zeichnet sich das Bild einer neuen Fußball-Großmacht.
Uneingeschränkte Freude über die Investitionen besteht allerdings nicht. Im Vorfeld des Turniers gab es ernsthafte Proteste der jungen Generation, die das Geld lieber in Bildung und Krankhäusern investiert sähe.
In Casablanca Downtown fliegen die Fetzen
Gute 24 Stunden vor dem Anpfiff des großen Matches fliegen in Casablanca Downtown die Fetzen. Auf dem bunten Beton geht es ohne Rücksicht auf Verluste zur Sache. Sponsor Puma weiht mit viel lokaler Prominenz einen Bolzplatz ein – nicht alle Fördermaßnahmen sind regierungsfinanziert.
Am Ende hat die ultraehrgeizige Truppe aus dem Stadtviertel Bachkou die Nase vorn im Finale unter Flutlicht. Die ambitionierten Amateure liefern einen beeindruckenden Beweis der Leidenschaft, mit der der Fußball hier gelebt wird: Bengalos und Platzsturm sind inklusive.
Nassim El Bouh, einer der Organisatoren, sagt zu SPORT1: „Ich denke, die Afrikaner sind beim Fußball noch emotionaler als die Europäer. Das wollen wir an diesem Ort feiern. Und die Tickets für die Spiele sind teuer, das kann sich nicht jeder leisten – so können die Leute ein Stück weit am AFCON teilhaben.“
Seine Eltern hätten hier noch am Strand gekickt, erzählt er: „Jetzt haben die jungen Leute bessere Bedingungen.“
Africa Cup of Nations: Marokko klarer Favorit zum Auftakt
Dass nun ausgerechnet die Komoren zum Auftakt Marokko ein Bein stellen können, glaubt eigentlich keiner.
Zwar waren die „Quastenflosser“, so der Spitzname des Teams von der Inselgruppe im Indischen Ozean, beim AFCON 2022 in einer märchenhaften Story ins Achtelfinale eingezogen - ihre Chancen gegen die neue afrikanische Großmacht, die „Löwen vom Atlas“, sind aber marginal.
Ein Sieg ist aus Sicht des Gastgebers also fest eingeplant. Richtig Druck entweichen würde ohnehin erst, wenn Marokko sich wirklich am 18. Januar zum zweiten Mal nach 1976 zum Sieger des Turniers krönt.
--
*Transparenzhinweis: Teile der Recherche vor Ort für diesen Text entstanden mit der Unterstützung von Puma
--