Die Frage schwebte über allem bei RB Leipzig, schon seit langem.
Imperium ohne Bremse
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Und trotzdem wurde sie von Ralf Rangnick bis zuletzt so behandelt, als wäre sie keine.
"Ein Stück weit respektlos" fand der Sportdirektor die Spekulationen um die Zukunft von Alexander Zorniger. Die Spekulationen, dass er irgendwann einem namhafteren Coach weichen muss. Thomas Tuchel zum Beispiel.
"Warum sollen wir uns über den Trainer Gedanken machen, der zweimal hintereinander aufgestiegen ist?", fragte Rangnick im SPORT1-Interview am 28. Januar.
Zwei Wochen und eine Pflichtspielniederlage in Aue später teilte Rangnick Zorniger mit, dass er sich da doch ein paar Gedanken gemacht hat.
"Am Wochenende gereift"
Leipzigs Vorstandschef Oliver Mintzlaff und er seien übereingekommen, "im Sommer den Trainer zu wechseln", sagte Rangnick am Mittwochnachmittag bei einer Pressekonferenz.
Die Entscheidung sei "am Wochenende gereift und wurde auch mit Dietrich Mateschitz besprochen", dem Konzernchef Red Bulls, dem Mann, an dem im Red-Bull-Klub folglich nichts vorbei geht.
Mit dieser Entscheidung konfrontiert, zog Zorniger am Dienstagabend die Konsequenzen. Er ging gleich. "Einvernehmlich", wie es hieß. So einvernehmlich, wie es heute eben zugeht im professionellen Fußball.
Rangnick verweist auf sportliche Gründe
"Leider ging der Trend in den letzten Monaten, den letzten neun Partien in eine negative Richtung - vor allem, was die Punkteausbeute betrifft", hielt Rangnick fest.
Er mühte sich, die Entscheidung des Klubs als eine rein sportliche darzustellen, auch wenn offensichtlich ist, dass das bestenfalls ein Teil der Wahrheit ist.
Zu sehr spricht die sportliche Gesamtbilanz für Zorniger. 2012 übernahm er die Leipziger, führte sie ohne Zwischenstopp von der Vierten in die Zweite Liga, war dort zuletzt Siebter mit fünf Punkten Rückstand auf die Aufstiegsplätze.
Kein normaler Klub wäre da auf die Idee gekommen, beim ersten Tief gleich den Trainer zu wechseln. RB Leipzig ist aber eben auch kein normaler Klub.
"Raschestmöglich" will Mateschitz den Fußball spielenden Arm seines Geschäftsimperiums in der ganz oben sehen, auch Rangnick hat bei SPORT1 deutlich gemacht: "Je früher, desto besser."
10,7 Millionen Euro gab er für Wintertransfers aus, deutschlandweit investierten nur zwei Klubs mehr: Borussia Dortmund durch den Kauf von Kevin Kampl von RB-Schwesterklub Salzburg und der VfL Wolfsburg durch den Deal mit Andre Schürrle.
Dortmund, Wolfsburg: Am liebsten wäre Rangnick schon jetzt direkter Konkurrent, "dann wäre höchstwahrscheinlich noch ein Kevin Kampl bei uns und dann wäre es mit Sicherheit auch nicht so klar gewesen, dass Joshua Kimmich zu den Bayern wechselt".
Unterschiedliche Vorstellungen über die Ziele
Dass ein Zweitligist solche Kaliber noch ziehen lassen muss, kann Rangnick – der ab Sommer nur noch die Leipziger verantworten wird – nicht verhindern.
Wohl aber will er verhindern, dass RB ein Zweitligist bleibt, der solche Kaliber ziehen lassen muss.
Das deckte sich nicht mit den Vorstellungen Zornigers, der ein weiteres Jahr Zweite Liga für gesünder gehalten hätte.
Es war für Leipzig der wohl entscheidende Grund, den Bremser fallen zu lassen.
Alles deutet auf Tuchel
Dass dieser Schritt kommen musste, hielten die meisten ohnehin für ausgemacht. Zu nahe liegt das Szenario, das sich nun immer deutlicher abzeichnet.
Nach SPORT1-Informationen hat Thomas Tuchel schon ein Haus im Raum Leipzig erworben.
Der ehrgeizige Akribiker, einst als Spieler in Ulm und als Jungtrainer in Stuttgart ein gelehriger Schüler Rangnick, passt exakt ins Anforderungsprofil von RB - und RB genau in seins.
Vertrag endet im Sommer
Im Sommer läuft der noch ruhende Vertrag Tuchels mit Ex-Klub Mainz 05 auf, er könnte also zur neuen Saison in Leipzig loslegen - ohne dass RB mit Mainz eine Ablöse aushandeln müsste.
Tuchel selbst hat am Wochenende in der Süddeutschen Zeitung zwar erklärt, dass er auch eine frühere Übernahme eines neuen Jobs nicht mehr ausschließe. Trotzdem geht Rangnick stattdessen bis zum Sommer einen anderen Weg, mit dem bisherigen U-17-Coach Achim Beierlorzer als Interimslösung.
Der zeigte sich bei seiner Vorstellung pflichtschuldig überzeugt, "dass es möglich ist, mit dieser Mannschaft in dieser Saison noch aufzusteigen".
Beierlorzer soll den Aufstieg schaffen
Ebenso überzeugt präsentierte sich Rangnick, dass der Bruder des früheren Bayern-Profis Bertram Beierlorzer das schaffen kann.
"Achim Beierlorzer kennt unsere Spielphilosophie bestens und hatte diese in der U 17 hervorragend umgesetzt", betonte der Sportchef: "Deshalb sind wir von der Lösung mit ihm als Trainer bis zum Sommer vollends überzeugt."
Dass der 47-Jährige etwas kann als Trainer, hat er auch schon beim DFB-Trainerlehrgang 2014 bewiesen. Er schloss ihn als Klassenbester mit der Note 1,0 ab.
Genau wie ein anderer Coach zwei Jahre vor ihm, der seitdem recht erfolgreich im Geschäft Fuß gefasst hat: Alexander Zorniger.