Es ist ja nicht so, dass Leipzig nicht das wäre, was man einen Traditionsstandort nennt.
Rangnick mit RB im nächsten Level
© Getty Images
Man denke an die historische Rolle der Stadt als Zentrum des Buchdrucks, des Messewesens, des Pelzhandels, der Hochschulbildung, des politischen Wandels. An Wagner und Leibniz, die dort geboren wurden. An Bach und Nietzsche, die dort wirkten.
In Leipzig war schon durchaus was los in den vergangenen Jahrhunderten. Trotzdem musste erst einmal der Fußballverein RasenBallsport in die Stadt kommen, ehe Oliver Burke auf die Idee kam mal nachzugucken: Wo eigentlich befindet sich dieses Leipzig?
"Ich musste im Internet schauen, wo es liegt", gab der 17-Millionen-Transfer aus Schottland nach seiner Ankunft in Leipzig am Montag offen zu. Soll also keiner sagen, der Klub und die hinter ihm stehende Getränkefirma trügen nichts dazu bei, den Ruhm der Stadt zu mehren.
Der BVB als Standortbestimmung
Ein Top-Talent, das für eine achtstellige Summe zu einem Bundesliga-Aufsteiger wechselt, den er erst einmal googlen muss: In dieser kleinen, modernen Fußballgeschichte steckt so einiges drin, was den Kritikern des Projekts RB Leipzig nicht gefallen wird.
Aber sie sagt eben auch viel darüber aus, wie weit seine Baumeister es schon vorangetrieben haben. Und nur zu gerne würde der Klub bei seiner Bundesliga-Heimpremiere am Samstagabend gegen Borussia Dortmund (ab 18 Uhr LIVE in unserem Sportradio SPORT1.fm und im LIVETICKER) den nächsten Beleg dafür liefern.
Fernab aller Dispute um Fanschals und Zuschauerboykotte wird das Duell mit dem Klub des früheren Leipziger Wunschtrainers Thomas Tuchel eine spannende Standortbestimmung für die RB-Macher um Sportchef Ralf Rangnick sein.
Das 2:2 bei Hoffenheim ließ sich in viele Richtungen deuten. Gegen den BVB wird deutlicher werden, ob die Mannschaft von Trainer Ralph Hasenhüttl in der Lage ist, einen Überraschungslauf a la Hoffenheim 2008 hinzulegen.
Rangnick macht es wie mit Hoffenheim
Rangnick selbst weist das ja weit von sich, hat nur den Nichtabstieg als Ziel ausgegeben. Eine Ansage, in der ein bisschen berechtigte Vorsicht mit Blick auf den jungen Kader steckt, aber doch weit mehr taktische Tiefstapelei.
Als Hoffenheimer Trainer sprach Rangnick seinerzeit auch bis kurz vor der Herbstmeisterschaft von "wichtigen Punkten im Kampf um den Klassenerhalt".
Und auch sonst macht Rangnick vieles ähnlich wie damals, als er den Klub von Software-Mäzen Dietmar Hopp im Oberhaus etablierte.
Wie damals hat der 58-Jährige einen mächtigen Geldgeber im Rücken, wie damals setzt er auf ein Jugendkonzept, auf große Investitionen in den Nachwuchs und in junge, entwicklungsfähige Spieler. Wie damals redet er klein und handelt groß: Fast 50 Millionen Euro steckte Leipzig in neue Spieler, nur Dortmund, Bayern und Wolfsburg gaben mehr für neues Personal aus.
In Hoffenheim stieß Rangnick an Grenzen
Rangnicks Vorgeschichte mit Hoffenheim kann eine Blaupause sein, im Guten wie im Schlechten: Auf die Herbstmeisterschaft folgte damals ja ein Absturz auf Platz sieben, der viel damit zu tun hatte, dass sich die Youngster von der Euphorie den Kopf verdrehen ließen.
Und weniger als ein Jahr später war Rangnick nicht mehr Hoffenheimer Trainer, weil er und Hopp sich in einen Konzept-Streit verharkten, der sich am Verkauf Luiz Gustavos an den FC Bayern entzündete: Hopp sah und sieht 1899 als Edel-Ausbildungsverein, Rangnick wollte ganz nach oben.
Beim aktuellen Arbeitgeber droht kein solcher Zwist.
RB Leipzig denkt noch größer
Firmenchef Dietrich Mateschitz will erklärtermaßen vor seinem 80. Geburtstag am 20. Mai 2024 eine Meisterschaft mit RB feiern. Er lässt seinem Baumeister Rangnick also Zeit, seine Vision nach und nach umzusetzen, nach oben sind ihm jedoch keine Grenzen gesetzt. Ganz genau, wie Rangnick es mag. Er ist mit RB im nächsten Level.
Nicht umsonst ist das ganze Projekt seinerzeit in keine Kleinstadt, sondern an einen Ort mit weit größerem Marktpotenzial verpflanzt worden.
Zu gerne würde Rangnick die Bach-, Buch- und Messestadt auch wieder zu einem historischen Zentrum des Fußballs machen. So wie Anfang des 20. Jahrhunderts, als der VfB Leipzig 1903, 1906 und 1913 drei gesamtdeutsche Meistertitel in die Stadt holte.
Oliver Burke wird auch das schon gegooglet haben.