Er kam mit dem Anspruch, ein Team aufzubauen, "das einmal um den Titel mitspielen kann".
Favres Aufstieg und Fall mit Hertha
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Er verblüffte Spieler, Klub und Fans mit seinem technisch-taktischen Sachverstand, löste durch schnell sichtbare Fortschritte Euphorie aus. Die Boulevard-Medien feierten ihn gar als "Super-Hirnli".
So war es damals, als Lucien Favre im Sommer 2007 zu Hertha BSC in die Bundesliga wechselte – dem Klub, den er am Samstagnachmittag mit Borussia Dortmund empfängt. (Bundesliga: Borussia Dortmund - Hertha BSC am Samstag ab 15.30 Uhr im LIVETICKER)
Das mit dem titelreifen Team klappte am Ende dann am Ende zwar doch nicht. Dennoch sind sie bei der Hertha sicher: Bei Dortmund kann das durchaus was werden.
Dardai: "Es ist ein anderer Lucien Favre"
"Es ist ein anderer Lucien Favre als damals", sagte Herthas jetziger Trainer Pal Dardai auf der Pressekonferenz vor dem Spiel beim aktuellen Tabellenführer: "Damals war die Bundesliga neu für ihn, das war ein Anfang. Er hat sich sehr entwickelt."
Dardai weiß, wovon er spricht: Der Ungar war Spieler bei Hertha, als Favre den Klub trainierte. Er erlebte Favres Höhenflug ebenso wie dessen drastischen Absturz, der ihn 2009 schließlich den Job gekostet hatte.
Unter Favre blühte Hertha BSC auf
Der damals 49 Jahre alte Favre hatte vor seinem Engagement bei Hertha zweimal die Schweizer Meisterschaft mit dem FC Zürich gewonnen. Die Arbeit des ehemaligen Nationalspielers aus dem 700-Seelen-Dorf Saint-Barthelemy sorgte dann auch in Berlin schnell für ein Aufhorchen weit über die Stadtgrenzen hinaus.
Favre beeindruckte mit seiner Akribie, seiner Detailbesessenheit, bei Weiterbildungsreisen nach England, Spanien, Frankreich, Argentinien (und auch zu Ottmar Hitzfelds FC Bayern 2002) schien er sich ein enzyklopädisches Verständnis des modernen Fußballs angeeignet zu haben.
"Ich habe bei keinem anderen Trainer so viel gelernt", schwärmte Herthas Nationalverteidiger Arne Friedrich. Hoeneß stellte fest, dass Favre "ohne banale und abgetragene Dinge auskommt".
Am Ende Stunk mit Hoeneß und Preetz
Unter Favres Führung erlebte die Hertha ein bemerkenswertes Hoch, qualifizierte sich zweimal hintereinander fürs internationale Geschäft, in der zweiten Saison wurde Hertha sogar Vierter – ehe die Stimmung dann aber schnell kippte.
Favre, der auch bei der Kaderplanung auf Gestaltungshoheit pochte, verkrachte sich mit dem in Berlin lange Zeit allmächtigen Manager Dieter Hoeneß. Er gewann den Machtkampf zwar, Hertha trennte sich von Hoeneß – aber auch bei Favre riss dann der Erfolgsfaden.
Nach einem Katastrophenstart in die Saison 2009/10 entließ Hoeneß' Nachfolger Michael Preetz Favre, der sich auch von der Mannschaft entfremdet hatte.
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Sein damaliger Co-Trainer Harald Gämperle warf einzelnen Spielern öffentlich vor, "hinter dem Rücken Politik" gegen ihren Coach zu machen.
Favre selbst rechnete nach seinem Aus in einer selbst einberufenen Pressekonferenz im Hotel Adlon mit der Klubführung ab, warf ihr unter anderem verfehlte Transferpolitik vor. Hertha zog die Konsequenzen und machte aus Favres Beurlaubung eine fristlose Kündigung.
Kostet Nerven – aber lohnt sich
Inzwischen ist auch Preetz' Ärger über Favre verraucht, vor dem Samstagsspiel würdigte der heute 51-Jährige Favre als Trainer mit "außergewöhnlichen Qualitäten".
Auch Dieter Hoeneß erzählte im Frühjahr bei SPORT1, dass Favre zwar ein Trainer sei, der "Nerven und Energie" koste: "Aber es lohnt sich." Schon damals war er überzeugt, dass Favre "Borussia Dortmund wieder nach vorne bringen wird".
Die Prognose hat sich bewahrheitet. Nur zu gerne würden Dardai und die Hertha den neuen Höhenflug ihres früheren Trainers nun aber etwas abbremsen.