Am 21. Dezember 2017 erklärte Sandro Wagner hocherfreut, für ihn gehe "eine lange Reise" zu Ende: "Ich komme wieder nach Hause zu meinem Verein, in meine Heimat", wurde der Stürmer in einer Mitteilung zitiert, die Wagners Wechsel von der TSG Hoffenheim zum FC Bayern München verkündete.
Bayerns gewagtes Spiel im Sturm
Ziemlich genau 13 Monate später packt den 31-Jährigen wieder das Reisefieber: Wagner wechselt mit sofortiger Wirkung nach China. Noch vor Ende der Winter-Transferperiode am 31. Januar unterschrieb er einen Vertrag bei Erstligist Tianjin Teda.
Eine überraschende Entwicklung, zumal es schien, als wäre Wagner gemeinsam mit Frau Denise, die im Februar 2018 das dritte gemeinsame Kind zur Welt gebracht hatte, wie erhofft im Münchner Vorort Unterhaching sesshaft geworden.
Sandro Wagner: China statt Chinesischer Turm
Nach sechs Stationen in zehn Jahren - nach seinem Abschied aus München ging es für Wagner über Duisburg, Bremen, Kaiserslautern, Berlin, Darmstadt und Hoffenheim zurück in die bayerische Landeshauptstadt - deutete alles darauf hin, dass der streitbare Profi beim Rekordmeister Richtung Karriereende steuern würde.
Nun also die Kehrtwende. China statt Chinesischer Turm.
In der Winterpause 2017/18 war der damalige Nationalspieler als dringend benötigter Backup für Robert Lewandowski nach München gewechselt. Trainer Jupp Heynckes wusste seine Dienste zu schätzen, in der Rückrunde der vergangenen Saison stand Wagner in 14 von 17 Liga-Partien auf dem Platz und steuerte dabei acht Tore sowie zwei Vorlagen zur souveränen Meisterschaft bei.
Wende unter Niko Kovac
Dann kam Niko Kovac.
Wagners enttäuschende Bilanz unter dem neuen Trainer: Von 28 möglichen Pflichtspielen bestritt er gerade einmal zwölf. Davon nur zwei von Anfang an, darunter das Pokalspiel bei Regionalligist SV Rödinghausen. In jenem Spiel erzielte Wagner auch sein einziges Saisontor.
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Zum Auftakt der Rückrunde stand Wagner bei den Bundesliga-Spielen bei der TSG Hoffenheim und zuhause gegen den VfB Stuttgart nicht einmal mehr im Kader.
Besonders erschreckend ist das vor dem Hintergrund, dass die Münchner im Angriffszentrum alles andere als üppig bestückt sind. Robert Lewandowski ist die klare Nummer eins. Dahinter folgte bislang Sandro Wagner. Und dann? Genau genommen niemand.
Lewandowski einziger Stürmer
Trotzdem durfte Wagner bisher erst 264 Einsatzminuten absolvieren. Das sind insgesamt nicht einmal drei Spiele über 90 Minuten.
Aus Sicht der Münchner ist das einerseits erfreulich, zeigt es doch, dass Robert Lewandowski seinem Ruf als robuster, selten verletzter Spieler einmal mehr gerecht wird. Und doch muss die Frage erlaubt sein: Was passiert, wenn der Pole doch mal ausfällt? Gerade jetzt, wo es für den FC Bayern in die entscheidende Phase im Kampf um die Titel geht.
Wie im Champions-League-Halbfinale 2014/15, als er nur eine Woche nach einem Nasenbein- und Kieferbruch mit Gehirnerschütterung in Barcelona rein physisch schon auf dem Platz war, beim vorentscheidenden 0:3 aber keinerlei Akzente setzen konnte.
Oder beim Münchner Viertelfinal-K.o. der Königsklasse 2017. Damals fiel Lewandowski im Hinspiel bei Real Madrid mit einer Schulterverletzung aus und war auch im Rückspiel, in dem er immerhin einen Elfmetertreffer erzielte, verständlicherweise nicht in bester Verfassung.
Müller gesperrt gegen Liverpool
Klar: Thomas Müller kann im Sturmzentrum aushelfen, ist aber auf anderen Positionen wertvoller. Noch entscheidender: In den Achtelfinalspielen der Champions League gegen den FC Liverpool ist er gesperrt.
Bliebe noch Serge Gnabry, der aufgrund der aktuellen Ausfälle von Franck Ribery und Arjen Robben jedoch dringend auf dem Flügel gebraucht wird. Oder Joshua Zirkzee. Der 17-jährige Niederländer macht in dieser Saison bisher vor allem mit starken Leistungen in der U19 auf sich aufmerksam. Elf Torbeteiligungen in zehn A-Junioren-Bundesligaspielen, sieben Torbeteiligungen in sechs Youth-League-Einsätzen.
In der Sommervorbereitung traf der 1,93 Meter große Stürmer zudem für die Profis im Testspiel gegen Paris Saint-Germain. Aber reicht das als Empfehlung für die K.o.-Phase in der Königsklasse?
Wagner-Ersatz wohl erst im Sommer
Im Ernstfall muss es womöglich reichen - ein Sturm-Neuzugang vor dem Ende der Transferfrist am 31. Januar scheint trotz des Wagner-Wechsels nahezu ausgeschlossen.
Wahrscheinlicher ist, dass die Münchner im Sommer aufrüsten. Ein junger Stürmer, der seine Klasse schon auf hohem Niveau nachgewiesen hat, soll dann kommen. In Luka Jovic und Timo Werner haben schon zwei junge, aufstrebende Angreifer ihr Interesse an einem Wechsel nach München bekundet. Bis dahin heißt es für Niko Kovac wohl weiterhin: hoffen, bangen und beten, dass Robert Lewandowski nichts passiert.