Die Liste an Rückschlägen von Philippe Coutinho wird immer länger.
Die bittere Akte Coutinho
Am Freitag hatte der FC Bayern mitgeteilt, dass sich Coutinho einer Sprunggelenksoperation unterzogen hat. In 14 Tagen soll er mit dem Aufbautraining beginnen.
Falls die Bundesliga den Spielbetrieb tatsächlich am 9. Mai wieder aufnimmt, wird Coutinho mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nur zusehen. Und das, nachdem ihn die Coronakrise bereits ausgebremst hatte.
Selbst wenn der Brasilianer einen idealen Heilungsprozess durchlaufen sollte, bliebe ihm kaum mehr Zeit, die Verantwortlichen der Bayern doch noch mit überragenden Leistungen zu überzeugen.
Kaum mehr Zeit, um seine Kaufoption von satten 120 Millionen Euro zu rechtfertigen, die der deutsche Rekordmeister am Saisonende ziehen könnte.
Ein Abschied aus München ist wohl nicht mehr zu verhindern.
Problem für Coutinho: Auch der FC Barcelona, zu dem er dann zurückkehren würde, hat wohl keine Verwendung für ihn. Die verheißungsvolle Karriere des Ausnahmekönners befindet sich endgültig in einer Sackgasse.
Coutinhos Durchbruch in Liverpool
Bei einem Blick auf den Start von Coutinhos Karriere wirkt die momentan so verzwickte Situation fast schon absurd. Nachdem der Kreativspieler mit 18 Jahren den Schritt aus seiner Heimat nach Europa machte, hätte es besser kaum laufen können.
Bei Inter Mailand – und auch bei einer Leihe zu Espanyol Barcelona – zeigte Coutinho sein Potenzial. Nach seinem Wechsel zum FC Liverpool im Januar 2013 entwickelte er sich zu einem Weltklassespieler, der seinerzeit auch Reds-Coach Jürgen Klopp in den Bann zog.
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Der deutsche Trainer war von Coutinhos "herausragendem Auge für die Situation" begeistert.
Und von seinem starken Abschluss, der ihn rückblickend im kicker sogar zu einem Vergleich mit einer italienischen Fußball-Legende ermutigte: "Seit Alessandro del Piero, der die Bälle aus ähnlichen Positionen in den Winkel gefeuert hat, habe ich keinen mehr gesehen, der das auf die gleiche Art und Weise in dieser Häufigkeit macht."
Fünf Jahre zauberte Coutinho für den FC Liverpool, ein Titel war ihm allerdings nicht vergönnt. Auch deswegen zog es ihn dann zum FC Barcelona, der astronomische 145 Millionen Euro an die Reds überwies.
Der Bruch beim FC Barcelona
In Katalonien wurde Coutinho den hohen Ansprüchen aber viel zu selten gerecht. Zum ersten Mal in seiner Karriere war er kein unumstrittener Stammspieler und musste sich mit harscher Kritik abfinden.
Ab und an machte Coutinho diese Dinge mit dem Ball, die kaum ein anderer kann und die Fans staunen lassen. Immer öfter pfiffen ihn die selben Anhänger allerdings aus. Der damalige Barca-Trainer Ernesto Valverde machte ihm daher schnell eine Ansage. "Auch wenn er damit nicht glücklich ist, aber Coutinho muss kämpfen", sagte er in der Marca.
Bevor Barca in der Saison 2018/19 zum Halbfinale der Champions League gegen Liverpool antrat, verriet Klopp: "Wir vermissen Phil sehr, er ist ein Weltklassespieler. Ich habe sehr gerne mit ihm zusammengearbeitet."
Coutinho, der die englische Arbeiterstadt zu dieser Zeit zweifellos vermissen musste, dürfte sich nie so sehr zurück zu den Reds gewünscht haben, wie in diesen beiden Partien.
Das Hinspiel hatte Barca im heimischen Camp Nou noch 3:0 gewonnen, das Rückspiel an der Anfield Road verloren die Katalanen dann allerdings mit 0:4 und schieden völlig überraschend aus. Eine der bitterersten Niederlagen des stolzen Klubs und die wohl bitterste Pleite für Coutinho, der in beiden Partien in der 60. Spielminute ausgewechselt wurde.
Auch der FC Bayern ist ein Missverständnis
Nach der Saison waren Coutinhos Tage in Barcelona gezählt. Barca wollte ihn loswerden und fand schließlich mit dem FC Bayern einen Abnehmer. Zumindest auf Leihbasis.
Bayerns Sportdirektor Hasan Salihamidzic zeigte sich nach dem Deal "sehr glücklich", Vorstandsvorsitzender Karl-Heinz Rummenigge war begeistert und auch die Fans feierten den Transfer.
Einige Monate später ist Coutinho allerdings auch in München zu einem Mysterium geworden. Wie in Katalonien, hat auch an der Säbener Straße keiner eine Antwort darauf, warum der 27-Jährige sein Potenzial nur so selten abrufen kann.
Immer wieder absolviert er Spiele, die Hoffnung machen. Um dann wieder abzutauchen oder nur mitzulaufen. Immer wieder versuchten die Verantwortlichen, Coutinho öffentlich stark zu reden.
Doch während Konkurrenten wie Thomas Müller überzeugten, lief Coutinho den Erwartungen meist hinterher, ließ seine Klasse hauptsächlich im Training aufblitzen.
Rummenigge bezeichnete ihn als "gehemmt", Trainer Hansi Flick glaubt, dass sich Coutinho "zu sehr unter Druck" setze.
Und als sich für Coutinho wegen der Verletzung von Robert Lewandowski die Chance auftat, sich über mehrere Wochen zu empfehlen (zwei Startelfeinsätze gegen Hoffenheim und Augsburg im März), kam die Coronakrise zur Unzeit.
Woran es auch liegt, jetzt ist es wohl zu spät. Coutinho wird seine Karriere bei einem anderen Klub als dem FC Bayern wieder in Schwung bringen müssen. Das Leihgeschäft entpuppt sich als Missverständnis.
Wo landet Coutinho?
Einige Spuren führen zurück in die Premier League. Vor allem der FC Chelsea gilt als interessiert, auch der FC Everton galt als Ausweg. Es ist allerdings völlig unklar, ob ein Klub tatsächlich viel Geld für einen Spieler ausgibt, der zuletzt nicht liefern konnte.
Aus vielen Blickwinkeln ist ein Transfer Coutinhos ein großes Risikogeschäft. Vor allem in Zeiten der Coronakrise ein Risiko, das sich kaum ein Klub leisten kann, selbst wenn sich Barcelona mit 80 Millionen zufrieden gibt, wie es heißt.
In Barcelona wissen die Verantwortlichen, dass es nicht leicht wird, Coutinho zu vermitteln.
Auch deswegen stieß Barca-Coach Quique Setien die Tür nun überraschend wieder einen Spalt auf. "Er ist ein großartiger Spieler, ich mag ihn", verriet der Spanier RAC1. Er habe den Plan, Coutinho im Mittelfeld einzusetzen, deutlich defensiver, als der Brasilianer eigentlich spielt.
Bei welchem Klub Philippe Coutinho in der nächsten Saison auch spielen wird, er wird wieder regelmäßig liefern müssen, damit seine verheißungsvolle Karriere keinen enttäuschenden Verlauf nimmt.