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Bundesliga: Köln-Trainer Baumgart über die Gründe des Erfolgs & Kritik im Fußball

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Bundesliga: Köln-Trainer Baumgart über die Gründe des Erfolgs & Kritik im Fußball

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Baumgart: Euphorie „nicht wegzudiskutieren“

Der 1. FC Köln hat einen bärenstarken Start in die neue Saison hingelegt. Trainer Steffen Baumgart spricht mit SPORT1 über die Gründe und die Aussichten.
Der 1.FC Köln verliert nach einer guten Leistung knapp mit 2:3 in München. Der Treffer von Robert Lewandowski brachte sogar Köln-Trainer Steffen Baumgart ins Schwärmen.
Reinhard Franke
Reinhard Franke

Nach vier Jahren beim SC Paderborn begann im Sommer für Steffen Baumgart ein neues Kapitel beim 1. FC Köln. Viele Experten und Fans meinten sofort: „Baumgart und der FC? Das passt!“

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Diese Menschen scheinen recht zu behalten. Mit dem 49-Jährigen legten die Kölner den besten Saisonstart seit der Saison 2016/2017 hin. (Zur Tabelle der Bundesliga) Vor dem Spiel am Samstag beim SC Freiburg (Bundesliga: SC Freiburg - 1. FC Köln, 15.30 Uhr im LIVETICKER) gibt sich Baumgart im SPORT1-Interview selbstbewusst, offen, sympathisch - und redet nicht um den heißen Brei herum.

SPORT1: Herr Baumgart, wie war die Anfangszeit in Köln?

Steffen Baumgart: Ich habe mich sehr gut eingelebt, alle sind bisher total offen. Ich bin sowieso jemand, der relativ schnell ankommt an einem neuen Ort. Meine Frau fühlt sich ebenfalls wohl und alles andere wird die Zeit bringen. (DATEN: Ergebnisse und Spielplan der Bundesliga)

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SPORT1: Ein bekanntes kölsches Sprichwort lautet: „Et bliev nix wie et wor.“ Das heißt so viel wie: Sei offen für Neuerungen. Das dürfte Ihnen gefallen.

Baumgart: Ja. Absolut. Ich bin immer offen für Neues. Andererseits: Was ist denn so neu? Vor meiner Zeit beim FC wurde hier auch Fußball gespielt. Im zurückliegenden halben Jahr waren die Ergebnisse nicht so gut, aber deshalb war der Fußball nicht immer schlecht. Im Moment läuft es. Ich weiß aber, dass es ein Tagesgeschäft ist. Erfreulich ist, dass vieles von dem, was wir uns vorgenommen haben, klappt. Interessant wird es, wenn es mal nicht so läuft. Dann bin ich auf die Reaktionen gespannt. Wer mich kennt, weiß, dass ich nicht bewerte, wenn es gut läuft, sondern dann, wenn es nicht so läuft. Auch wenn ich hoffe, dass nicht so schnell eine negative Phase kommt. (NEWS: Alle aktuellen Infos zur Bundesliga)

SPORT1: Können Sie denn das Hier und Jetzt genießen?

Baumgart: Na klar. Wir haben eine gewisse Euphorie, das ist ja nicht wegzudiskutieren. Es ist schön, dass sich viele Leute freuen und mit dem, was wir machen, einverstanden sind. Das ist doch besser, als wenn alle rumnölen. Aber du musst dich jeden Tag neu beweisen. In Köln geht es sehr schnell nach oben. Aber ruckzuck auch in die andere Richtung.

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Baumgart: Man sollte im Erfolg sachlich bleiben

SPORT1: Sie haben dem FC neues Leben eingehaucht, heißt es. Was sagen Sie dazu?

Baumgart: Ich weiß nicht, ob das so ist. Es wurde immer viel über die Qualität der Mannschaft diskutiert und viele fragen sich: ‚Reicht es oder reicht es nicht?‘ Ich glaube, dass die Jungs gerade selbst beweisen, dass sie eine hohe Qualität haben. Das hilft mir natürlich und deswegen hat das nicht nur etwas mit mir zu tun, sondern damit, dass die Jungs vieles gut umsetzen. Sie sind offen und wir haben uns einen gemeinsamen Weg erarbeitet. (SERVICE: Bundesliga-Spielplan zum Ausdrucken)

SPORT1: Sind Sie ein Typ, der schwer mit Lob umgehen kann?

Baumgart: Die Frage ist, was bedeutet das? Du wirst als Trainer schnell nach oben gejubelt und es gibt die, die darauf warten, dass es nicht mehr läuft. Und deswegen sollte man im Erfolg sachlich und klar bleiben und genau wissen, was wie funktioniert. Deshalb habe ich meine Sichtweise: Wenn ein Ergebnis negativ ist, dann war nicht automatisch alles schlecht. Für mich gibt es viel grau und nicht nur schwarz und weiß.

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SPORT1: Als Ihre Verpflichtung offiziell war, hatte man das Gefühl: Köln und Baumgart - das passt. Warum ist dieses Gefühl sofort entstanden?

Baumgart: Ich glaube, dass die Stadt Köln sehr herzlich ist und jemanden ziemlich schnell ins Herz schließen kann. Aber so weit sind wir noch nicht. Es ist gerade eine schöne Situation, das macht es mir leichter. Wir fühlen uns im Moment alle wohl und wollen das einfach so lange wie möglich aufrecht erhalten.

Baumgart erklärt seinen Ansatz

SPORT1: Das Team ist nicht wiederzuerkennen. So gut ist der FC seit Jahren nicht mehr in eine Saison gestartet. Was haben Sie mit dem Team gemacht?

Baumgart: Wir haben den Jungs erklärt, wie wir uns Fußball vorstellen. Dass man einfach versucht, sein Spiel umzusetzen und ganz bei sich bleibt. Das nehmen sie gut an. Ich muss ihnen das Fußballspielen nicht beibringen, sondern es geht einfach darum zu sagen: ‚Wir schieben das Spiel ein bisschen weiter nach vorne.‘ Etwas offensiver heißt ja nicht, dass ich nur nach vorne spiele, sondern dass ich schon an der Mittellinie attackiere. Dadurch sind die Wege zum Tor vielleicht etwas kürzer. Wenn das dann funktioniert, wächst das Selbstvertrauen.

SPORT1: Zeigt das Beispiel Jonas Hector, wie reibungslos es abläuft, wenn Sie etwas verändern? Er spielt plötzlich wieder hinten links.

Baumgart: Da wird mir viel zu viel hineininterpretiert. Jonas war vorher einer der besten Linksverteidiger in Deutschland. Und er ist einfach sehr flexibel. Meine Vorgänger haben ihn auf vielen Positionen eingesetzt. Er hat vorher auch auf anderen Positionen sehr gut gespielt. Es hat sich aber dann einfach ergeben, dass wir hinten links nicht so aufgestellt sind, wie ich mir das vorgestellt habe. Er ist ein Spieler, der seiner Mannschaft helfen will. Bei mir wird viel geredet, ich hole die Spieler ab. Wie wichtig Jonas für die Mannschaft ist, zeigt er gerade.

„Modeste ist noch nicht da, wo er sein könnte“

SPORT1: Anthony Modeste hatten viele schon abgeschrieben. Plötzlich blüht er neu auf. Was haben Sie mit ihm gemacht?

Baumgart: Ich glaube nicht, dass Anthony ein neuer Spieler ist. Und er ist auch noch lange nicht da, wo er sein könnte. Er hatte in der Vergangenheit auch schon Phasen, in denen er eine höhere Sicherheit hatte und sich noch mehr Torchancen erspielt hat. Was in diesem Jahr anders ist: Tony hat das erste Mal seit Langem eine Vorbereitung von Anfang an mitgemacht. Er ist ein sehr ehrgeiziger Spieler und ich glaube, das war er auch schon vor meiner Zeit.

SPORT1: Das Spiel des FC ist sehr laufintensiv und kräfteraubend. Kann das Ihr Team über lange Sicht durchhalten?

Baumgart: Ja. Und wenn nicht, kommt ein anderer Spieler rein. Da bin ich relativ straight. Wirklich. Wenn einer das nicht will, habe ich genug andere Jungs, die es können. Deswegen glaube ich, dass wir in dieser Intensität weiterarbeiten können. Das wissen die Jungs auch. Wir haben einen sehr guten und breiten Kader. Viele unserer Spieler werden dieses Tempo gehen können.

Baumgart lobt Ljubicic

SPORT1: Da spielen auch Namen keine Rolle?

Baumgart: Nein. Warum auch? Was nützen mir Namen!? Dejan Ljubicic hat vor der Saison keiner gekannt. Jetzt hat er drei überragende Spiele hingelegt und inzwischen kennt ihn jeder. Jetzt wurde er das erste Mal zur österreichischen Nationalmannschaft eingeladen und wenn er so weitermacht, dann wird er das nächste Mal bestimmt auch spielen.

SPORT1: Sie tragen bei den Spielen immer eine Schiebermütze. War das bewusst mit dem kleinen optischen Stilwechsel?

Baumgart: Ja, die Schiebermütze (lacht). Daraus wird jetzt ein Thema gemacht. Ich trage privat immer Schiebermützen, vorher waren es Basecaps. Ich habe gesehen, dass es im Fanshop eine Schiebermütze gibt und trage sie gerne. Das ist aber für den Fußball nicht wichtig.

SPORT1-Reporter Reinhard Franke traf Steffen Baumgart in Köln
SPORT1-Reporter Reinhard Franke traf Steffen Baumgart in Köln

SPORT1: Sie sind einfach, klar und ehrlich. Ist das gefährlich im Fußballgeschäft?

Baumgart: Das weiß ich nicht. Ich glaube, man muss einfach nur so sein, wie man ist. Und ich bin auch nicht jedes Mal über meine Aussagen glücklich. Ich weiß, dass ich nicht alles richtig mache. Aber: Ich beleidige keinen mit meiner direkten Art. Ich habe eine Meinung zu gewissen Fußball-Themen, und die kann ich mir erlauben. Es gibt viele Themen, zu denen braucht man mich nicht befragen, weil es da klügere Menschen gibt als mich. Man muss auch nicht immer einer Meinung sein, das wäre langweilig. Ich habe sowieso das Gefühl, dass uns oft eingeredet wird, was in diesem Geschäft nicht geht. Ich glaube, es gibt viel, was in diesem Geschäft geht. Es wurde immer gesagt, dass die Spieler beim FC nicht gut genug sind. Das ist nicht so. Wieso soll ich nicht klar in meinen Gedanken sein? Das heißt ja nicht, dass ich immer Recht habe, aber deswegen kann ich sie doch trotzdem äußern.

Baumgart: Was nicht geht im Fußball, ist ...

SPORT1: Was geht gar nicht im Fußball?

Baumgart: Im Fußball geht eigentlich alles. Das, was nicht geht, sind Menschen, die klüger tun als sie wirklich sind, die oft nur irgendwas erzählen. Es ist relativ einfach Spieler, Trainer, Vereine zu kritisieren. Meistens kritisieren die sogenannten Experten aber nur und haben keine Antworten parat. Und das ist dann das, was nicht geht.

SPORT1: Toni Schumacher hat zuletzt etwas Nettes über Sie gesagt. Nämlich, dass kein Spieler am Ende eines Spiels weniger Kilometer auf der Uhr haben sollte als Sie am Spielfeldrand. Hat er Recht?

Baumgart: Nein, das glaube ich nicht. Viele Kollegen sind unterwegs, viele Trainer sind emotional. Es muss auch nicht jeder so sein wie ich, so wie ich auch nicht sein will wie andere. Ich finde, es muss nicht unbedingt zur Mannschaft passen, sondern es muss für mich passen. Und es geht ja darum, den Jungs zu helfen.

SPORT1: Sie wollten rein in die Köpfe der Jungs. Wie sieht das aus?

Baumgart: Da geht es eher darum, den Jungs zu zeigen, wie man die Sachen gemeinsam angeht. Also ich stelle mich nicht hin und sage den Jungs, das ist falsch und das ist richtig. Ich versuche, gemeinsam mit den Jungs Lösungen zu finden. Da gibt es mal kurze und mal lange Gespräche. Mal mit Video, mal ohne. Es gibt viele Möglichkeiten, in die Köpfe der Spieler reinzukommen.

Steffen Baumgart beim FC Köln vorgestellt
03:20
Abgeklärt, wie man ihn kennt: Baumgart beim FC vorgestellt

Baumgart: Schon 1994 Dreierkette gespielt

SPORT1: Einfach und hochmodern - ist damit das FC-Spiel richtig beschrieben?

Baumgart: Zumindest einfach und verständlich soll es sein. Hochmodern? Weiß ich nicht. Was ist schon modern? Mal ist es die Dreierkette, mal etwas anderes. Mit der Dreierkette bin ich 1994/1995 mit Hansa Rostock in die Bundesliga aufgestiegen. Also so neu ist sie nicht. Und 4-4-2-Raute ist auch nicht neu. Ich werde den Fußball nicht neu erfinden. Ich möchte meinen Jungs einfach zeigen, was ich gerne selbst im Stadion sehen möchte.

SPORT1: Sie haben vor ein paar Monaten Hansi Flick öffentlich unterstützt in seiner schwierigen Phase, bevor er Bundestrainer wurde. Warum haben Sie das gemacht?

Baumgart: Es wurde über Wochen immer wieder versucht, Hansi Flick trotz starker Leistungen seines Teams zu kritisieren. Das stört mich, weil ich glaube, dass Hansi Flick ein richtig guter Trainer ist.

SPORT1: Jetzt hat Hansi Flick im DFB-Team wieder viele Bayern-Spieler um sich geschart. Droht die deutsche Nationalmannschaft zu sehr Bayern-like zu werden?

Baumgart: Ach was. Der FC Bayern hat nun mal die besten deutschen Spieler. Wo ist denn der Spitzenverein mit ähnlich vielen deutschen Spielern? Also muss sich Flick bei Bayern bedienen. Die Kritiker sollten einfach mal nachdenken und nicht nur schreiben, dass die Nationalmannschaft zu Bayern-lastig sei. Das kann ich nicht nachvollziehen. Warum werden sie denn Bayern-lastig?

SPORT1: Europa und der 1. FC Köln - ist das utopisch? Oder ist das durchaus ein Ziel, wo Sie sagen, ich will mit meiner Arbeit die Jungs dahin bringen, dass auch sowas gelingen kann?

Baumgart: (lacht) Also am dritten Spieltag eine Frage in diese Richtung zu stellen, ist ein bisschen früh. Davon sind wir noch weit entfernt. Und zwar nicht, weil man solch ein Ziel nicht haben darf, sondern weil das einfach mit viel Arbeit zu tun hat und garantiert nicht von heute auf morgen geht. So weit sehen wir uns auf keinen Fall. Aber darum geht es doch gar nicht. Jetzt ist am Wochenende Freiburg auswärts das Thema und da geht es darum, drei Punkte zu holen. Für Freiburg genauso wie für uns. Danach kommt Leipzig zu uns. So denken wir. Und dann werden wir sehen, was am Ende rauskommt. Ich habe ein Ziel vorgegeben, das erst mal besser sein soll als im vergangenen Jahr. Dann glaube ich, dass man mit unserer Mannschaft durchaus unter die besten zwölf kommen kann. Und daran werden wir arbeiten, ob uns das gelingt, wissen wir nicht. Wenn es nachher Platz 13 wird, dann weiß ich nicht, ob man mir den Kopf abreißt.

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