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FC Bayern: Regisseur Verhoeven über Hansi Flick, Oliver Kahn, David Alaba, Thomas Müller

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FC Bayern: Regisseur Verhoeven über Hansi Flick, Oliver Kahn, David Alaba, Thomas Müller

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Bayern-Doku: „Da hat es geknallt“

Die Dokumentation „FC Bayern - Behind the Legend“ startet am 2. November. Bei SPORT1 spricht Regisseur Simon Verhoeven über Thomas Müller, David Alaba und den Abschied von Hansi Flick.
In der Doku "FC Bayern - Behind The Legend" spricht Hansi Flick in der Halbzeit des Viertelfinal-Rückspiels gegen PSG in der CL-Saison 2020/21 zum Team. Die Doku gibt es ab 2.11. exklusiv bei Prime Video.
Christopher Mallmann
Christopher Mallmann

Einmal in der Kabine des FC Bayern sitzen, wenn der Trainer eine Halbzeitansprache hält ...

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Wovon viele nur träumen, hat Simon Verhoeven hautnah erlebt. Der deutsche Schauspieler und Star-Regisseur - bekannt für Filme wie „Männerherzen“ oder „Willkommen bei den Hartmanns“ - hat den FC Bayern über ein ganzes Jahr hinweg begleitet, war live dabei, wo sonst nur der engste Bayern-Kreis sein darf. (NEWS: Alle aktuellen Infos zur Bundesliga)

Herausgekommen ist nach 100 Drehtagen und 145 Interviews eine Dokumentation, die ab dem 2. November in sechs Folgen bei Amazon Prime zu sehen ist.

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„FC Bayern - Behind the Legend“ beginnt im Sommer 2020 nach dem zweiten Triple der Vereinsgeschichte und endet mit dem Abschluss der Saison ein Jahr darauf.

Um zu erfahren, wie sich diese Zeit angefühlt hat, was er erlebt und gesehen hat, traf sich SPORT1 mit Verhoeven zum Gespräch in einem Münchner Café.

Der 49-Jährige verriet dabei, wer ihn beim Rekordmeister am meisten unterstützt hat, wer zuerst nicht begeistert war von den Dreharbeiten – und warum David Alaba den FC Bayern verlassen hat.

SPORT1: Herr Verhoeven, die Serie „FC Bayern - Behind the Legend“ ist die erste Dokumentation in Ihrer Karriere, zuvor haben Sie nur Spielfilme gedreht. Wie kamen Sie dazu, etwas ganz Neues zu wagen?

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Verhoeven: Ich bin Fußball-Fan, Fußball-Fanatiker, Fußball-Junge. Ich habe bei 1860 München gespielt, obwohl ich als Kind Bayern-Fan war. Mein Traum war es, Profi-Fußballer zu werden. Ich war damals mittendrin, habe wahnsinnig viel aus dieser Zeit gelernt, das zieht sich bis in meine heutige Karriere im Filmgeschäft. Insofern war es eine einfache Entscheidung für mich, diese Doku zu drehen.

Der FC Bayern kann auch empfindsam und verletzlich sein

SPORT1: Was wollten Sie mit der Serie sagen? Was ist - neben der sportlichen Betrachtung - Ihre ganz persönliche künstlerische Handschrift?

Verhoeven: Ich selbst sehe mich als Geschichtenerzähler. Ich interessiere mich für Menschen und ihre Wege. Ich suche immer die Geschichte hinter der Fassade. Mein Ziel war es, den FC Bayern und die vielen Menschen dahinter zu porträtieren. Ich habe mich gefragt: Wie kann ich mich dem Verein nähern, nicht nur sportlich, sondern psychologisch und emotional? Im Laufe des Drehens habe ich dann immer neue Antworten gefunden und bin zu etwas gelangt, das den FC Bayern - abseits aller Erfolge - überraschend empfindsam und verletzlich darstellt.

SPORT1: Wer hatte die ursprüngliche Idee, eine Serie über den FC Bayern zu drehen?

Verhoeven: Die ursprüngliche Idee stammt von meinem Produzenten Quirin Berg, der damit bereits vor fünf Jahren an mich herangetreten ist. Zu dem Zeitpunkt hatte er schon Gespräche mit Amazon geführt. Ich fand die Idee gut, schrieb ein Konzept, aber der FC Bayern sagte uns zunächst ab. 2020 - im Zuge von Corona - änderte sich das, plötzlich hatten wir eine Zusage auf dem Tisch.

Oliver Kahn war einer der entscheidenden Faktoren

SPORT1: Was war der Grund für den Sinneswandel?

Verhoeven: Ich glaube, es hing tatsächlich auch mit der Pandemie zusammen. Der FC Bayern hat sich gefragt: Wie können wir in Zeiten von leeren Stadien die Nähe zu den Fans halten? Die Frage schien sich dann mit der Doku zu beantworten. Bevor die finale Entscheidung fiel, hatte ich aber ein Meeting mit Hasan Salihamidzic, Oliver Kahn, Karl-Heinz Rummenigge und Jörg Wacker. Da wurde dann gesagt: „Eine Kamera in der Kabine? So was haben wir doch noch nie gemacht!“ Bis Kahn eingeworfen hat: „Genau … Und genau deshalb ist es interessant.“ Ich glaube, Kahn war schon einer der entscheidenden Faktoren, sich zu öffnen. Er hat uns und die Doku protegiert.

Regisseur Simon Verhoeven (l.) und SPORT1-Reporter Christopher Mallmann (r.) trafen sich zum Gespräch in einem Münchner Café
Regisseur Simon Verhoeven (l.) und SPORT1-Reporter Christopher Mallmann (r.) trafen sich zum Gespräch in einem Münchner Café

SPORT1: Welchen Eindruck hatten Sie vom FC Bayern vor der Doku - und wie hat sich dieser womöglich durch die Dreharbeiten gewandelt?

Verhoeven: Mein Bild vom FC Bayern war eher schwammig, ich konnte es mir nicht so richtig vorstellen, was da wirklich hinter den Kulissen passiert. Ich dachte mir: Da ist so ein riesiger Apparat, da läuft alles effizient und reibungslos. Dann war ich überrascht, dass es letztlich auch nur Menschen sind, die sehr persönliche Themen und Sorgen haben. Die ständig beobachtet werden und dadurch einen Abwehrmechanismus entwickelt haben. Je länger ich hinter den Kulissen war, desto mehr habe ich die Menschen verstanden in ihrer Art, sich vor der Außenwelt zu schützen.

SPORT1: Was hat Sie besonders beeindruckt - was hat Sie vielleicht gestört?

Verhoeven: Das Besondere beim FC Bayern ist natürlich dieser unfassbare Ehrgeiz und Antrieb. Der kommt vom Management, in dem ehemalige Spieler sitzen. Das ist ja fast Tradition, seit Hoeneß. Mich hat aber beeindruckt, dass auch viele kleinere Mitarbeiter beim FC Bayern große Persönlichkeiten sind. Alle wollen gewinnen. Da sind viele krasse Character, wie man im Filmgeschäft sagen würde, vom Präsidenten über die Sekretärinnen bis zur Scout-Abteilung. Das muss nicht bedeuten, dass da immer Harmonie herrscht. Es gab auch Tage, da hat es geknallt. Ich finde aber, dass es am Ende doch auch oft sehr locker zuging, trotz des extremen Drucks.

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SPORT1: Wie hat es sich angefühlt, in die Welt des FC Bayern einzutauchen? Gab es womöglich Schwierigkeiten?

Verhoeven: Es war definitiv nicht einfach. Ich wusste, wenn wir dort mit vier, fünf Leuten auftauchen, werden wir nur distanzierte Aufnahmen machen dürfen. Vielleicht manchmal in der Kabine, aber nicht immer. Genau das wollte ich nicht, deshalb habe ich den Vorschlag gemacht: Es kommt immer nur eine Person mit in die Kabine und in die Halbzeitpause, und das ist mein Kameramann und Co-Regisseur Nepomuk Fischer. Nepomuk hat das fantastisch gemacht.

SPORT1: Hätten Sie auch rausfliegen können?

Verhoeven: Klar! Dass wir jeden Tag weitermachen durften, war keine Selbstverständlichkeit. Man hätte uns jederzeit rauswerfen können. Wir mussten versuchen, ein Vertrauensverhältnis aufzubauen, um nicht vor verschlossenen Türen zu stehen.

Es knistert bei Salihamidzic und Flick

SPORT1: Kam es jemals zu einem solchen Moment?

Verhoeven: Es gab natürlich Tage, an denen die Türen wirklich zugegangen sind. Da brauchst du auch nicht mehr diskutieren. Wichtig war uns, Momente einzufangen, in denen auch auf leisere Art etwas zum Ausdruck kommt. Zum Beispiel zwischen Salihamidzic und Flick. Wenn die beiden sich angeschwiegen haben, super angespannt, ohne den geringsten Laut. Das kann mehr sagen als jeder verbale Streit.

SPORT1: Mussten Sie Szenen im Nachhinein herausschneiden, die der Verein so nicht wollte?

Verhoeven: Natürlich gibt es Material, das am Ende nur wir Filmemacher kennen. Wenn junge Männer in der Kabine reden, kann man nicht alles verwenden, ist doch klar. Besonders im Gedächtnis geblieben ist mir eine Ansprache in der Halbzeitpause, die sich scharf gegen eine andere Mannschaft gerichtet hat. Darüber haben wir diskutiert und sie im Nachhinein etwas eingekürzt. Mittlerweile kann ich verstehen, was da für Schlagzeilen entstanden wären. Es wird ja heutzutage alles aus dem Kontext gerissen. Aber ich sehe es sehr positiv. Es ist doch erstaunlich, wie ungefiltert diese Serie vom FC Bayern freigegeben wurde.

SPORT1: Wer war am skeptischsten darüber, dass Sie so nah am Verein sind, bis hinein in die Kabine?

Verhoeven: Ganz am Anfang war es vermutlich Hansi Flick. Er hat zu Nepomuk und mir gesagt: „Ihr kommt nicht in die Kabine.“ Irgendwann hat er aber gemerkt, dass wir nicht diese investigativen Journalisten oder Boulevard-Fotografen sind, die die ganze Zeit nerven und Schlagzeilen suchen, sondern dass wir auch vom Fußball kommen und uns ernsthaft für die Menschen, die Mannschaft und die Arbeit seines Teams interessieren. Dann hat er begonnen, uns zu vertrauen. Sogar so sehr, dass er Nepomuk kurz vor seiner Abschiedsrede zu verstehen gegeben hat, dass heute etwas Wichtiges passieren wird. Deshalb konnten wir die Szene perfekt einfangen. Während seiner Rede war Hansi sehr emotional, genau wie die Spieler. Es war und ist ein absoluter Gänsehaut-Moment.

Der besondere Moment mit Alphonso Davies

SPORT1: Welcher Moment hat für Sie noch so einen Eindruck hinterlassen?

Verhoeven: Ich würde sagen, der Tag, an dem Alphonso Davies die Rote Karte gegen Stuttgart bekommen hat. Er war total niedergeschlagen, hat ständig gesagt: „I let the team down, what did I do?“ Dann haben die Bayern plötzlich zu zehnt den VfB abgeschossen und Phonzie ist in der Kabine total ausgeflippt, hat gefeiert. Das war eine herrlich verrückte und auch lustige Szene.

SPORT1: Wie haben Sie die Stimmung in der Kabine allgemein wahrgenommen?

Verhoeven: Für mich war besonders schön zu sehen, dass es auch nicht so viel anders zugeht als in einer A-Jugend. Es wird rumgealbert, die Spieler pushen sich gegenseitig. Auch der Zusammenhalt ist beeindruckend. Viele verstehen sich nicht nur auf dem Platz, sondern auch privat. Das betrifft die Fünferachse um Süle, Gnabry, Goretzka, Kimmich und Sané, die sich alle schon aus der Jugend kennen. Aber auch andere. Süle und Müller sind zum Beispiel gut befreundet.

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SPORT1: Ganz Fußball-Deutschland kennt Thomas Müller als den immer gut gelaunten Pausenclown, der die Mannschaft unterhält. Können Sie diesen Eindruck bestätigen?

Verhoeven: Auf alle Fälle! Thomas ist unglaublich unterhaltsam. Häufig hab ich mich gefragt: Wow, wo kam der Gedanke jetzt her oder der Spruch? Er ist ein Feuerwerk. Und die Führungsqualität, die er in der Kabine hat - das merkst du erst, wenn du wirklich mit dabei bist. Er würde sich zweifellos auch als Trainer eignen.

SPORT1: Wer ist neben Müller der Lauteste in der Kabine? Wer weiß die Mannschaft zu führen?

Verhoeven: Neben Müller auf jeden Fall Kimmich und Alaba. Aber auch ein Lewandowski feuert die anderen an. Das sind ja alles Führungsspieler. Sonst wären sie nicht da.

Manuel Neuer hat einen tollen Humor

SPORT1: Nicht Kapitän Manuel Neuer?

Verhoeven: Neuer kann auch laut werden. Grundsätzlich ist er aber eher der Beobachter und Diplomat, der alles zusammenhält. Was mir besonders gut an ihm gefällt, ist sein Humor. Der ist super trocken und ironisch. Das merkt man in der Öffentlichkeit viel zu selten.

SPORT1: Da Sie David Alaba angesprochen haben: Wie haben Sie seine Entwicklung in der Saison beobachtet? Wollte er den FC Bayern wirklich mit aller Macht verlassen?

Verhoeven: Ich glaube, David Alaba hatte einfach Bock, etwas Neues zu erleben. Das muss man respektieren. Er war schon einer der Kabinenhäuptlinge. Als klar war, dass er geht, herrschte große Trauer. Innerhalb der Mannschaft hat er alle zusammengebracht. Darüber hinaus ist er natürlich als Fußballer ein unglaublicher Stabilisator, den man vielleicht nicht ganz ersetzen kann. Jedenfalls nicht sofort.

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SPORT1: Apropos Stabilisator. Wie verlief der Übergang von Flick zu Julian Nagelsmann? Haben die Spieler schon viel über ihren künftigen Coach gesprochen?

Verhoeven: Nein, man hat nicht viel über Nagelsmann gesprochen. Der Abschied von Flick war erst mal das große Thema, da war viel Schmerz dabei. Als Nagelsmann kam, hat sich dann aber die Stimmung geändert. Es war eine Art Aufbruch zu fühlen. Die Spieler haben schnell an ihn und seine Vision geglaubt, das hat man gemerkt.

SPORT1: Neben vielen schönen und bewegenden Momenten: Welcher war der traurigste während all der Zeit?

Verhoeven: Das Ausscheiden in Paris im Champions-League-Viertelfinale. Das ständige Zeitverzögern, die Schlitzohrigkeit der Pariser ging dem Trainer und der Mannschaft zu weit. Das Spiel selbst, der Fußball, hat immer noch eine gewisse Ehrlichkeit, das ist immer noch wie in der B-Jugend, trotz all der Millionen. Das war im Paris-Rückspiel aber nicht gegeben. In der Kabine war eine ganz furchtbare Stimmung. Wut. Trauer. Goretzka hat gesagt: „Ich bin heute stolz, nicht auf der Seite der Gewinner zu sein.“ Dieses wütende Wiederaufstehen, auch nach schmerzhaften Niederlagen, das ist der FC Bayern. Ich glaube, wenn ich eines während der Dreharbeiten gelernt habe, dann dass der FC Bayern wie ein Boxer ist – den kannst du mal hart schlagen, aber er schlägt härter zurück.