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Eintracht Frankfurt: Thomas Sobotzik im Interview - so kann man den FC Bayern besiegen

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Eintracht Frankfurt: Thomas Sobotzik im Interview - so kann man den FC Bayern besiegen

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„Ich hatte Schlimmstes befürchtet“

Die Duelle zwischen Eintracht Frankfurt und Bayern München haben schon viele Helden hervorgebracht. 1998 etwa verewigte sich Thomas Sobotzik in den Geschichtsbüchern des Traditionsklubs.
News, Hintergründe und Fakten zum Bundesliga-Wochenende. Alle wichtigen Infos im Vorfeld der Spiele gibt es hier bei "9PLUS1".
cmichel
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104 Pflichtspiele hat Thomas Sobotzik in seiner Zeit bei Eintracht Frankfurt (1993 bis 1995/1997 bis 1999/Januar 2000 bis 2001) absolviert.

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Seinen Glanzmoment hatte der frühere Profi (u.a. auch für den FC St. Pauli und 1. FC Kaiserslautern am Ball) im Herbst 1998. Die damals abstiegsgefährdete Eintracht empfing den FC Bayern München und gewann sensationell.

Der heutige Manager von Regionalligist Kickers Offenbach hat seinen Ex-Klub, bei dem er beinahe als Sportvorstand gelandet wäre, weiterhin im Blick. Außerdem schaut er bei SPORT1 auch auf sein bitteres Ende in Chemnitz zurück.

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SPORT1: Thomas Sobotzik, Eintracht Frankfurt gegen den FC Bayern München hat die Fans schon immer elektrisiert. Was macht diese Duelle aus?

Thomas Sobotzik: Es ist die Partie gegen den deutschen Rekordmeister, das hat eine besondere Strahlkraft. Es hat sich im Laufe der Jahre so entwickelt, dass der FC Bayern mit der Eintracht Probleme hatte und nicht gerne in Frankfurt spielt. Dadurch entsteht in der gesamten Region eine ganz besondere Stimmung.

SPORT1: Der 31. Oktober 1998 war ein Tag, der eng mit Ihnen in Verbindung gebracht wird. Die Eintracht holte als Aufsteiger ihren zweiten Saisonsieg und fügte dem FC Bayern die erste Niederlage nach zehn Spieltagen zu. Beschreiben Sie den Moment, als Sie Oliver Kahn überwinden konnten...

Sobotzik: Oliver Kahn zu überwinden, kam in der Tat nicht so häufig vor. Deshalb erinnere ich gerne an diesen Moment. Ich weiß noch, dass Ansgar Brinkmann geflankt und Ralf Weber den Ball per Kopf auf den zweiten Pfosten verlängert hat. Ich habe das Leder dann über den herausstürzenden Kahn gehoben. Die Stimmung im Stadion war Wahnsinn! Der Erfolg kam unverhofft und unerwartet. Wir hatten zum damaligen Zeitpunkt nicht unsere beste Phase. Es stand sogar zur Debatte, dass der Trainer bei einer Niederlage entlassen wird. Durch den Sieg haben wir die Entlassung abgewendet.

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Trainer Ehrmantraut hat uns zum Erfolg geführt

SPORT1: Der Trainer damals hieß Horst Ehrmantraut, er führte das Team zum ersten Aufstieg der Vereinsgeschichte. Bekannt wurde er vor allem für den Baumarktstuhl, auf dem er während der Spiele saß. Hatte er vor dem Spiel gegen den FC Bayern besondere Motivationsmethoden?

Sobotzik: Horst Ehrmantraut war und ist ein toller Trainer und Mensch, der immer seinen Weg gegangen ist. Auf das Spiel gegen den FC Bayern hat er uns ganz normal und akribisch vorbereitet. Wir hatten das Ziel, die Partie zu gewinnen. Ich hatte etwas gutzumachen, weil ich wegen einer Rotsperre aus dem Spiel gegen Hertha BSC gefehlt hatte. Ich war deshalb sehr dankbar, dass mich Ehrmantraut aufgestellt hat und habe mich deshalb auch für ihn über den Sieg gefreut.

SPORT1: Gab es nach der Roten Karte eine besondere Ansprache an Sie persönlich von Ehrmantraut?

Sobotzik: Nein. Ich hatte Schlimmstes befürchtet. Es gab aber weder eine Geldstrafe noch eine Rüge. Ehrmantraut sagte damals, dass ich mich gewehrt hätte und dabei etwas über das Ziel hinausgeschossen sei. Aber ihm seien Leute lieber, die sich wehren und nicht einfach alles hinnehmen. Das hatte mich sehr motiviert. Ich hatte ein schlechtes Gewissen und habe dann alles getan, um das Vertrauen zurückzuzahlen. (NEWS: Alle aktuellen Infos zur Bundesliga)

Thomas Sobotzik ist derzeit Geschäftsführer bei Kickers Offenbach
Thomas Sobotzik ist derzeit Geschäftsführer bei Kickers Offenbach

SPORT1: Wie erlebten Sie als Profi die Tage vor Partien gegen München. Herrschte da auch in der Kabine schon eine besondere Atmosphäre?

Sobotzik: Es ist tatsächlich so, dass die mediale Aufmerksamkeit extrem steigt. Aber als Spieler ist es auf dem Level nicht entscheidend, ob der Gegner Borussia Dortmund, Bayer Leverkusen oder Bayern München heißt. Du weißt als Profi, dass die Partien gegen den FC Bayern unfassbar schwer sind. Die Vorfreude ist zwar groß, am Ende ist es aber auch nur ein Fußballspiel.

SPORT1: Veränderte sich Ihr Fußballerleben nach diesem Tor gegen München?

Sobotzik: Ich wurde als Siegtorschütze sofort ins Aktuelle Sportstudio eingeladen. Das war etwas Neues und zeigt die Wichtigkeit des Duells.

Der Leistungsunterschied zum FC Bayern ist deutlich erkennbar

SPORT1: Der Unterschied zwischen beiden Mannschaften ist weiterhin sehr groß. Der FC Bayern hat gegen Fürth wieder gewonnen, die Eintracht ist aktuell mit nur vier Punkten im Jahr 2022 ins Mittelfeld abgerutscht. Welche Tipps würden Sie den Eintracht-Spielern mit auf den Weg geben?

Sobotzik: Die Mannschaft darf nicht vor Ehrfurcht erstarren. Die Spieler müssen mutig agieren und alles dafür geben, dass sie ihren besten Tag haben und alles abrufen. Nur dann hat die Eintracht eine Chance. Psychologisch sind die Frankfurter im Vorteil, sie haben nichts zu verlieren. Der FC Bayern muss gewinnen, für ihn ist es eine Pflichtaufgabe.

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SPORT1: Mit Blick auf den aktuellen Kader: Welcher Spieler beeindruckt Sie am meisten?

Sobotzik: Das wird vielleicht viele überraschen, aber Makoto Hasebe ist für mich persönlich die entscheidende Figur im Spiel der Eintracht. Er interpretiert die Rolle als Spezialist zwischen defensivem Mittelfeld und Abwehr, der sich bei Bedarf in eine Dreierkette fallen lässt, sehr stark. Ich habe in den letzten Jahren kaum einen Spieler gesehen, der das so unaufgeregt und verlässlich gemacht hat. Er ist für die Mannschaft so unheimlich wichtig.

SPORT1: Wie sehen Sie die generelle Entwicklung von Eintracht Frankfurt?

Sobotzik: Die Entwicklung hätte kaum besser laufen können. Es ist natürlich bitter, dass in der besten Phase Corona kam und der Klub die Früchte seiner Arbeit nicht ernten konnte. Die Eintracht hat keinen Investor und ist abhängig von den normalen Einnahmen. Es war deshalb brutal, dass Frankfurt den großartigen Erfolg mit dem DFB-Pokal-Sieg und der tollen Europa-League-Saison nicht zu Geld machen konnte.

Sobotzik als Manager trotz Aufstieg beschimpft

SPORT1: Auch sie wären beinahe als Manager in Frankfurt gelandet. 2016 wurde Fredi Bobic Sportvorstand der Eintracht, doch auch Ihr Name wurde intensiv gehandelt. Können Sie rückblickend sagen, warum es nicht zu einer Zusammenarbeit kam?

Sobotzik: Es war ein enges Rennen um den Posten als Sportvorstand. Am Ende sind Fredi Bobic und ich übriggeblieben. Dann hat sich der Aufsichtsrat knapp für Bobic entschieden.

SPORT1: Ihre Karriere als Manager nahm dann im Mai 2018 richtig Fahrt auf. Sie heuerten in Chemnitz an und waren maßgeblich am Aufstieg in die 3. Liga beteiligt. Am Ende kam es aber zu teils massiven Anfeindungen der rechten Chemnitzer Fangruppen. Haben Sie diese Episode inzwischen verdauen können?

Sobotzik: Das Aus in Chemnitz habe ich inzwischen verkraftet. Trotz dieses schlimmen Endes war es ein erfolgreicher Einstieg in meine Manager-Karriere. Mit dem Trainerteam zusammen haben wir in Chemnitz etwas Außergewöhnliches erreicht. Wir sind trotz Insolvenzverfahrens mit wenig Budget und kleinem Kader aus der Regionalliga in die 3. Liga aufgestiegen. Das war eine unfassbare Story, die uns für immer verbinden wird. Die Episode danach war natürlich sehr unschön, weil wir die Erfolgsstory gerne weiter ausgebaut hätten.

SPORT1: Die rechte Szene war sehr mächtig, Sie erhielten gar Morddrohungen. Wie schwer ist es danach, die eigenen vier Wände zu verlassen?

Sobotzik: Spätestens zu diesem Zeitpunkt war klar, dass ich meinen Posten übergeben und nicht in solch einem Umfeld weiterarbeiten möchte. Nachdem der Insolvenzverwalter Klaus Siemon (im Alter von 62 Jahren verstorben) gesundheitsbedingt ausgestiegen ist, waren wir mit dem Trainerteam auf uns alleine gestellt. Da war für mich klar, dass man in diesem Umfeld, in dem das Leben bedroht ist, nicht erfolgreich arbeiten kann. Irgendwo hört das Verständnis auf. Deshalb haben wir die Entscheidung getroffen, dort aufzuhören. Im Fußball will ich mich mit dem Klub, den ich repräsentierte, identifizieren und stolz auf meine Arbeit sein. Das war unter diesen Umständen in Chemnitz nicht mehr möglich. (DATEN: Ergebnisse und Spielplan der Bundesliga)

SPORT1: Am 19. Dezember 2021 wurde die Partie zwischen Duisburg und Osnabrück wegen eines Rassismus-Falles vorzeitig abgebrochen. Erschüttert es Sie, dass es solche Vorfälle noch immer gibt?

Sobotzik: Es erschüttert mich, aber es überrascht mich nicht mehr. Ich hätte mir nicht vorstellen können, dass das, was ich in Chemnitz erlebt habe, wirklich noch passiert. Das Rassismus-Problem ist noch tief und breit verankert in der Gesellschaft. Ich finde es daher gut, dass ein Mann wie Eintracht-Präsident Peter Fischer klare Kante zeigt. Denn auch diese deutliche Positionierung gegen die rechte Strömung ist nicht einfach in unserer Gesellschaft.

Neue Herausforderung in Offenbach angenommen

SPORT1: Seit November 2019 sind Sie bei Kickers Offenbach angekommen. Wie reizvoll ist die Aufgabe, obwohl der Weg noch nicht aus der Regionalliga herausführte?

Sobotzik: Die Aufgabe in Offenbach ist unfassbar herausfordernd. Wir haben den Weg vor etwas mehr als zwei Jahren begonnen und haben seitdem sehr viel umstrukturiert. Wir haben eine komplett neue Mannschaft aufgebaut, die im Aufstiegsrennen ein Wort mitreden will. Aktuell sind wir nicht so gut aus der Winterpause rausgekommen. Aber unser Anspruch ist es, in die Erfolgsspur zurückzukehren. Das Ziel von Kickers Offenbach ist klar definiert, aber gewisse Hürden lassen sich nicht so einfach überspringen. Wir haben in den letzten zwei Jahren allerdings ein gutes Fundament aufgebaut und wollen den nächsten Schritt zurück in die 3. Liga gehen. (DATEN: Die Tabelle der Bundesliga)

SPORT1: Könnten Sie sich für ein weiteres Jahr in Offenbach auch bei Nicht-Aufstieg motivieren?

Sobotzik: Ich bin immer motiviert und fülle meinen Traumjob aus. Für mich gibt es nichts Schöneres als im Fußball zu arbeiten. Dafür gebe ich alles. Das ist auch nicht von der Liga abhängig, sondern von den Menschen, mit denen ich zusammenarbeite.

SPORT1: Haben Sie einen Karriereplan?

Sobotzik: Der Begriff klingt vielleicht gut, aber im Fußball ist es fast unmöglich, Dinge so langfristig zu planen. Natürlich nehme ich mir etwas vor und möchte so hoch wie möglich arbeiten. Das ist mein persönliches Ziel.

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