Selten hat man ein verrückteres Spiel auf Schalke gesehen, als am 8. September 1973 im gerade erst für die WM 1974 fertig gestellten Parkstadion.
Bundesliga-Rekord: 5:5 ist höchstes Remis zwischen Schalke 04 und FC Bayern
Als S04 und Bayern Geschichte schrieben
Die Gastgeber hatten Meister Bayern München in ihrem erst dritten Spiel im neuen Stadion vor 50.000 Zuschauern schon am Rande einer Niederlage. (DATEN: Die Tabelle der Bundesliga)
Zur Pause stand es sensationell 5:2 - und das gegen eine Abwehr voller Welt-Stars: Sepp Maier, Franz Beckenbauer, Hans-Georg „Katsche“ Schwarzenbeck und Paul Breitner waren allesamt Europameister.
Rainer Budde war nicht annähernd so hoch dekoriert, brachte den S04 nach 15 Minuten aber mit 2:0 in Führung, der einzige Europameister auf Schalker Seite, Erwin Kremers, erhöhte auf 3:0 - nach 18 Minuten!
Ein Abstauber von Gerd Müller brachte das 3:1 (20.), danach fielen bis zum Pausenpfiff nur noch Tore vom Kreidepunkt.
Schiri Lutz gibt drei Elfmeter in vier Minuten
Es war schier unglaublich: In den letzten vier Minuten der ersten Hälfte gab Schiedsrichter Herbert Lutz (Bremen) gleich drei Elfmeter. Nur für ihn selbst war das nichts Ungewöhnliches.
1965 sorgte er schon für den wohl ewigen Elfmeter-Rekord der Bundesliga-Geschichte, als er beim Spiel der Borussias aus Mönchengladbach und Dortmund (4:5) gleich fünf Elfmeter pfiff.
Aber drei in vier Minuten, das hatte die Fußball-Welt auch noch nicht gesehen. Alle wurden verwandelt: Helmut Kremers (41.) zum 4:1, Gerd Müller (44.) zum 4:2, wieder Kremers zum 5:2 (45.).
Den Bayern von Trainer Udo Lattek drohte ein historisches Debakel, sie entschieden sich aber für einen anderen Superlativ.
„Zur Pause sah es sehr schlecht aus für uns“, erzählte Lattek. „Ich habe meinen Spielern in der Kabine nur gesagt, dass sie alles riskieren, aber auch in Kauf nehmen sollten, noch ein Tor hinnehmen zu müssen.“
Höchstes Unentschieden der Bundesliga-Geschichte
Die Risiko-Strategie ging auf. Am Ende einer furiosen Aufholjagd mit zwei weiteren Müller-Toren und einem von Joker Bernd Dürnberger ergab sich das höchste Unentschieden der Bundesliga-Historie (5:5), das bereits nach 68 Minuten auf der Anzeigetafel stand.
Das Resultat war der zweite Rekord des Tages, der ein Jahr später noch eingestellt wurde. Am 16. November 1974 trennten sich auch Eintracht Frankfurt und der VfB Stuttgart mit 5:5.
Danach gab es so was nur noch mal in der 2. Liga. Ein Novum für die Bayern war es auch, einen Drei-Tore-Rückstand in der Bundesliga aufgeholt zu haben, was sie plötzlich in ganz anderem Licht erscheinen ließ.
Der Münchner Merkur stellte fest: „Der Meister hat in der dramatischen Partie auch die Mär widerlegt, er spiele ausschließlich rationellen Erfolgsfußball, begründet in seiner großen Routine. Mit Routine allein wäre angesichts eines schier unaufholbaren Rückstands nie und nimmer etwas auszurichten gewesen - es gehörte schon viel Elan und Begeisterung dazu. Eigenschaften also, die man den Bayern da und dort gar nicht zutraut…“
Weil das Spiel gegen Bayerns Star-Ensemble so begeisternd war, zahlte Schalkes Vorstand übrigens trotz des Remis eine Siegprämie an die junge Mannschaft, die nach den Folgen des Bundesliga-Skandals (Sperren für zwölf Spieler) völlig neu zusammen gestellt war.
S04-Trainer Ivica Horvat war auch nur „ein bisschen traurig“ über den entgangenen Sieg und „im Großen und Ganzen zufrieden.“