Für den ersten LEADERTALK live in Hamburg Ende Mai konnte es keinen besseren Gast als Felix Magath geben. Pünktlich auf den Tag 40 Jahre nach seinem Traumtor zum Sieg im Europapokal der Landesmeister gegen Juventus Turin Ende Mai stand Magath Autor und Business-Coach Mounir Zitouni vor einem begeisterten Publikum in Hamburg-City Rede und Antwort.
Felix Magath: "Mir ging es nie darum, beliebt zu sein" - Leadertalk mit Mounir Zitouni
„Mir ging es nie darum, beliebt zu sein“
Bemerkenswert wie Magath seinen Trainer Ernst Happel aus den besten HSV-Tagen beschreibt, aber auch beeindruckend, wie er seinen Weg aus ärmlichen Verhältnissen in Aschaffenburg in den Profifußball skizziert.
Darüber hinaus erklärt Magath, wieso er seine Spieler immer an die Leistungsgrenze bekommen will und weshalb er den brasilianischen Star Diego in Wolfsburg in einem der wichtigsten Spiele seiner Trainerkarriere aus der Mannschaft warf. Man erfährt, dass Magath Rotwein und Erdbeerkuchen mag und dass der Ex-Profi auch als Spieler gerne mal das eine oder andere Bier getrunken hat. Ein wunderbares Gespräch für alle, die einen der wichtigsten Spieler und Trainer im deutschen Fußball näher kennenlernen wollen.
- Leadertalk - der SPORT1 Podcast von und mit Business-Coach und Autor Mounir Zitouni - die aktuelle Folge bei SPORT1, auf meinsportpodcast.de, bei Spotify, Apple Podcasts und überall, wo es Podcasts gibt
Magath über Trainer-Legende: „Da Happel nicht geredet hat ...“
Vor 40 Jahren gewann der Hamburger SV unter Ernst Happel mit Felix Magath als Kapitän und Finaltorschütze den Europapokal der Landesmeister. Was war das Geheimnis von Happel?
„Das war schwer rauszufinden, weil Ernst Happel eigentlich nicht geredet hat. Er hat seinen Assistenten immer das Training machen lassen. Er selbst stand irgendwo am Spielfeld, guckte zu. Am Ende des Trainings hat er selten irgendwas von sich gegeben. Dann gingen wir alle rein und so ging es Tag für Tag weiter. Er war ein Spieler und hat da nie ein Hehl daraus gemacht. Er ist gerne in die Spielbank gegangen und hat auch immer mit uns Karten gespielt. Aber auch da hat er nichts gesagt“, beschreibt ihn Magath.
Der Vorteil vor wichtigen Spielen: „Da Happel nicht geredet hat, konnte er auch niemanden nervös machen. Er hat mit einer Ruhe und Gelassenheit dagesessen. Das ist ein wichtiger Aspekt. Die Freiheit, die er uns gegeben hat, hat sich dann in Spielfreude ausgedrückt.“
Magaths Anfänge in ärmlichen Verhältnissen
Mit dem Fußball fing Magath beim TV 1860 Aschaffenburg an. In ärmlichen Verhältnissen zu Hause, ohne Vater, der früh als US-Soldat nach Puerto Rico ging, genoss er dennoch seine Kindheit.
Ein Angebot vom 1.FC Nürnberg nahm er in jungen Jahren nicht an. „Das schien mir eine Nummer zu hoch. Ich habe mir nicht zugetraut, mich da durchzusetzen. Deswegen habe ich das Angebot verstreichen lassen.“
Das prägte ihn. „Ich bin sicher, dass die meisten Leute sich zu wenig zutrauen, dass viele Menschen mehr können als sie eigentlich selbst glauben.“
Deshalb wollte er seine Spieler auch stets zu Höchstleistungen antreiben. „Wenn man etwas entwickeln will, muss man an die Leistungsgrenze. Da das niemand freiwillig bringt, war ich persönlich immer froh und dankbar, wenn ich gehört habe, dass sich die Spieler über mich beschwert haben. Ich habe immer Angst davor gehabt, dass alle sagen, oh den Trainer den liebe ich, der ist so nett und lieb. Mir ging es in meinem Beruf nie darum beliebt zu sein, sondern mir ging es immer darum, maximalen Erfolg zu haben.“
„In meiner Familie spielt schon lange keiner mehr mit mir“
Das drückt sich auch in seinem persönlichen Ehrgeiz aus. „Meine Mutter hatte die unschöne Eigenschaft, dass es ihr nichts ausmachte, wenn sie verlor. Ich kann bis heute mit solchen Menschen kaum umgehen“, sagt Magath mit einem Schmunzeln. „Ich kann nicht verlieren und ich will nicht verlieren und ich will mich auch nicht daran gewöhnen zu verlieren.“
Magath muss deshalb bekennen: „In meiner Familie spielt schon lange keiner mehr mit mir, weil es sonst immer zum Eklat kommt, wenn ich auf der Verliererstraße bin. Dann breche ich schon mal ein Spiel vorzeitig ab.“
Man muss dennoch zwischen dem Trainer und Privatmenschen Magath unterscheiden. Magath hat auch andere Seiten als die des Schleifers. „Privat geht es für mich nicht um Leistung, es geht um angenehme Sachen wie Rotwein oder Erdbeerkuchen mit Sahne, das liebe ich. Das gönne ich mir, auch meinen Spielern - wenn sie im Urlaub sind. Ich habe meinen Spielern immer gesagt: Ihr könnt saufen oder rauchen, ihr müsst nur wissen, das kostet euch wahrscheinlich ein, zwei Jahre als Profifußballer. Ich habe leider auch geraucht und gesoffen als aktiver Spieler. Deswegen wusste ich, wovon ich rede“, bekennt der Ex-Nationalspieler.
Deshalb lautet sein Fazit heute: „Ich weiß, ich hätte noch mehr leisten können, wenn ich ab und zu ein Bier weniger getrunken hätte.“
Warum Magath Diego aussortierte
In Wolfsburg erlebte er während seiner zweiten Amtszeit dort im Frühjahr 2011 eine der kniffligsten Situationen seiner Trainerlaufbahn.
„Der VfL war damals in Abstiegsgefahr. Ich bin nach der ersten Partie zum Vorstandschef Garcia Sanz und habe ihm gesagt, dass das mit Diego nicht funktioniere. Er war der teuerste Spieler, der je beim VfL Wolfsburg gespielt hat. Diego war ein guter Spieler, aber nicht so mannschaftsdienlich. Ich habe es dann trotzdem versucht bis zum letzten Spiel in Hoffenheim. Da mussten wir dann gewinnen. Da habe ich die ganze Nacht nicht geschlafen, denn ich war der festen Überzeugung: Mit diesem Spieler werden wir nicht gewinnen. Also habe ich mich entschlossen, ihn nicht aufzustellen. Als er das hörte hat er die Mannschaftssitzung verlassen. Die Mitspieler waren ganz entsetzt. Ich habe gesagt, lasst ihn, wir brauchen ihn nicht. Es hat uns nicht geschadet. Wir haben ohne ihn gespielt und ohne ihn gewonnen, sind somit in der Liga geblieben.“
Mounir Zitouni (52) war von 2005 bis 2018 Redakteur beim kicker und arbeitet seitdem als Businesscoach, betreut Sportler, Trainer und Führungskräfte in punkto Leadership, Kommunikation und Persönlichkeitsentwicklung. Der ehemalige Profifußballer (OFC, SV Wehen, FSV Frankfurt, Esperance Tunis) hat zuletzt die Autobiographie von Dieter Müller verfasst und veröffentlicht regelmäßig eine Kolumne auf www.sport1.de.