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Bundesliga: "Ein echter Tank - ich hoffe, er wird einmal ein zweiter Kane"

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Bundesliga: "Ein echter Tank - ich hoffe, er wird einmal ein zweiter Kane"

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„Hoffe, er wird ein zweiter Kane“

Bei Bayer Leverkusen und in der Bundesliga genießt Ulf Kirsten Legendenstatus. Mit SPORT1 spricht der Ex-Stürmer über die furiose Bundesliga-Hinrunde der Werkself, Erfolgstrainer Xabi Alonso und ein Bayern-Angebot.
Bayer Leverkusen startet als ungeschlagener Wintermeister ist die Rückrunde. Ein Umstand, der für den Spanier keine Bedeutung hat.
Reinhard Franke
Reinhard Franke

Ulf Kirsten war zu seiner aktiven Zeit als Stürmer von Bayer Leverkusen so etwas wie Harry Kane aktuell für den FC Bayern. Kirsten traf zwischen 1990 und 2003 in 350 Bundesligaspielen 182 Mal.

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Heute arbeitet der 58-Jährige als sportlicher Berater für Dynamo Dresden. „Der Schwatte“, wie Kirsten zu seiner aktiven Zeit genannt wurde, wohnt weiter in der Nähe von Leverkusen und hat seinen Ex-Klub natürlich weiter fest im Blick.

Vor dem Spiel der Werkself, die am vergangenen Wochenende Herbstmeister wurde, bei RB Leipzig (Sa., ab 18.30 Uhr im LIVETICKER) spricht Kirsten im exklusiven SPORT1-Interview über den Höhenflug der Leverkusener, deren Erfolgstrainer Xabi Alonso und einen möglichen Titelgewinn der Bayer-Elf.

SPORT1: Herr Kirsten, was denken Sie, wenn Sie auf die aktuelle Bundesligatabelle schauen?

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Ulf Kirsten: Bayer Leverkusen ist Herbstmeister. (lacht) Es ist natürlich fantastisch und es wird da eine tolle Arbeit abgeliefert. Sie haben bisher einen überragenden Fußball gespielt. In meinen Augen ist es momentan der beste Fußball in der Liga. Die Leverkusener stehen nicht umsonst da oben. Vor der Saison hat man sehr gut eingekauft und diese Spieler perfekt in den aktuellen Kader integriert. Und man sieht, was auch so ein junger Trainer wie Xabi Alonso mit so einer Mannschaft leisten kann. Es ist einfach fantastisch.

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SPORT1: Es ist die drittbeste Hinrunde einer Mannschaft in der Bundesliga-Geschichte. Nur Pep Guardiola war zweimal noch besser mit dem FC Bayern. Ist Bayer Leverkusen endlich ein Spitzenklub?

Kirsten: Bayer Leverkusen war schon immer ein Spitzenklub, auch zu unserer Zeit. Seit 1996 hatte Calli (Reiner Calmund, d. Red.) den Verein Stück für Stück zu einem Spitzenklub gemacht, und man hat immer das ein oder andere Jahr die ein oder andere Schwächeperiode gehabt. Das ist ganz normal. Immer jedoch hat die Mannschaft in der Champions League oder im UEFA-Cup, der heutigen Europa League, mitgespielt. Bayer Leverkusen war stets unter den ersten fünf, sechs Mannschaften in der Bundesliga und hat dabei kontinuierlich Qualität gezeigt. Was jedoch gerade auf dem Platz passiert, ist nochmal eine Stufe höher. Es ist einfach nur großartig.

Ulf Kirsten spricht im SPORT1-Interview über den Erfolg von Bayer Leverkusen
Ulf Kirsten spricht im SPORT1-Interview über den Erfolg von Bayer Leverkusen

„Der ganze Verein möchte dieses ‚Vizekusen‘ endlich loswerden“

SPORT1: Aber was hat Alonso mit der Mannschaft gemacht? Man hat das Gefühl, Bayer Leverkusen hat endlich den Spottnamen „Vizekusen“ abgelegt.

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Kirsten: Xabi hat zweifellos eine Mentalität in die Truppe gebracht, die den Eindruck erweckt, die Mannschaft sei unbesiegbar. Und so treten sie auch auf. Inzwischen haben die Spieler ein Selbstbewusstsein auf dem Platz entwickelt und präsentieren sich mit breiter Brust, als würden sie denken: ‚Eigentlich kann uns niemand schlagen. Wir können uns nur selbst schlagen.‘ Das zeichnet natürlich Klasse aus.

SPORT1: Alonso hat natürlich bei den besten Trainern gelernt.

Kirsten: Ganz genau. Xabi hat bei den besten Vereinen der Welt gespielt, setzt auf seine Erfahrung und vermittelt den Spielern, erfolgreich Fußball zu spielen. Und nochmals: Es ist absolut verdient, dass sie an der Spitze stehen. Die Jungs hätten den Titel wirklich verdient. Ehrlich gesagt, der gesamte Verein und seine Fans hätten endlich auch mal diesen Erfolg verdient. Es ist offensichtlich, dass der Schatten von ‚Vizekusen‘ immer noch über allem schwebt. Hoffentlich ist das nach der Saison endlich vorbei.

SPORT1: Hat Sie das mit Vizekusen eigentlich genervt, als Sie noch Spieler waren?

Kirsten: Etwas schon. Es war immer so, dass wir dachten, ‚Sch*** Vizekusen‘. Viele von uns dachten damals, wir könnten Vierter oder Fünfter werden. Zumindest wurden wir damals Vizemeister. Dies wurde durch dieses ‚Vizekusen‘ immer als etwas Schlimmes dargestellt. Die Bundesliga ist eine der stärksten Ligen der Welt, und wenn du Zweiter wirst, wird es so dargestellt, als wäre das nichts. Der ganze Verein möchte dieses ‚Vizekusen‘ endlich loswerden.

„Alonso hat Bayer das Bayern-Gen eingeimpft“

SPORT1: Hat Alonso Bayer das Bayern-Gen eingeimpft?

Kirsten: (lacht) Offensichtlich hat er etwas mit der Mannschaft gemacht, so dass sogar andere Vereine darüber nachdenken oder Angst vor uns haben könnten und sagen: ‚Jetzt kommt wieder Leverkusen, die schießen momentan alles weg.‘ Ich denke, dass die Gegner mittlerweile eine gewisse Ehrfurcht, Anerkennung und Angst zeigen, wenn es gegen Leverkusen geht. Also ja, Alonso hat Bayer das Bayern-Gen eingeimpft.

SPORT1: Warum sind Sie zu Ihrer Zeit damals eigentlich nie mit dem FC Bayern in Verbindung gebracht worden?

Kirsten: Es gab einmal eine Anfrage, doch Calli hat sie sofort abgelehnt. Damals waren die Voraussetzungen ganz anders, und die Vereine konnten selbst entscheiden, was mit den Spielern passiert. Darum habe ich mich nie gekümmert - ich wollte einfach nur Fußball spielen. Bayern hatte angefragt, aber Calli hätte mich nie gehen lassen. Auch aus Italien lagen Angebote vor. Ich vermisse das nicht; es war gut, so wie es war.

SPORT1: Einige Jahre später herrscht jetzt eine neue Euphorie um den Verein.

Kirsten: Absolut. Jedes Auswärtsspiel ist ausverkauft, wenn Bayer Leverkusen kommt. Man sieht, wie die Fans mitfiebern. Durch den guten Fußball sowie die Atmosphäre brennen alle vor Euphorie. Es ist einfach Wahnsinn.

Ulf Kirsten ist einer der erfolgreichsten Torschützen von Bayer Leverkusen
Ulf Kirsten ist einer der erfolgreichsten Torschützen von Bayer Leverkusen

SPORT1: In Leverkusen hat sich seit Jahren auch in der aktiven Fanszene einiges getan, oder?

Kirsten: Das hat sich ein wenig verändert, besonders ab der Saison 1997/98, als Christoph Daum Veränderungen durchführte und erfolgreich Fußball spielen ließ. Jahre später kam Jupp Heynckes nach Leverkusen und leistete auch hervorragende Arbeit, wodurch der Verein weiter wachsen konnte. Dies zeigt sich heute auch, wenn man durch die Stadt geht und stolz sieht, wie überall Bayer-Trikots getragen werden. Man spürt förmlich, wie in der Stadt Fußball gelebt und Bayer enthusiastisch unterstützt wird.

Sportliche Führung ist ein entscheidender Faktor

SPORT1: Boniface, Xhaka, Hofmann, und Grimaldo - sind diese vier Spieler, die im Sommer neu kamen, der Schlüssel für den Erfolg? Alle Vier sind Volltreffer.

Kirsten: Ja, jedoch sollte man auch Flo Wirtz erwähnen, und Jonathan Tah, der eine schwächere Phase durchlebte, spielt jetzt eine sehr starke Saison. Unsere Defensive steht stabil, und das beeindruckende Tempo im Angriff ist großartig. Man sollte nicht nur diese vier Spieler hervorheben. Natürlich führt Xhaka die Truppe mit seiner Erfahrung an, aber es wäre wirklich unfair, nur einige Spieler in dieser Mannschaft zu loben. Jeder trägt seinen Teil zu diesem Erfolg bei und zeigt seine Klasse auf dem Platz. Die mannschaftliche Geschlossenheit ist unsere große Stärke.

SPORT1: Wie bewerten Sie die Arbeit von Geschäftsführer Simon Rolfes?

Kirsten: Natürlich hängt dieser Erfolg eng mit der sportlichen Führung zusammen. Hier ist eine echte Einheit entstanden. Die Transfers wurden von Herrn Carro (Fernando Carro leitet seit Juli 2018 die Geschäftsführung von Bayer Leverkusen, d. Red.) und Simon Rolfes durchgeführt. Beide tragen maßgeblich zum aktuellen Hype bei, da sie einen herausragenden Kader zusammengestellt haben. Dies stellt eine neue Qualität dar, die vorherrscht, ansonsten wäre die Leistung auf dem Platz nicht möglich.

SPORT1: Der Übergang vom Spieler zum Geschäftsführer gelang Rolfes sehr gut…

Kirsten: Stimmt. Natürlich ist es als junger Einsteiger in einem neuen Job nie einfach, aber er hat sich wirklich gut eingearbeitet und erntet jetzt die Früchte seiner Arbeit. Sicherlich hat er auch wertvolle Hinweise von der Scoutingabteilung erhalten. Gemeinsam mit Carro, Alonso und den Scouts bildet er eine äußerst effektive Einheit. Da passt kein Blatt dazwischen.

„Xabi holt die Meisterschale nach Leverkusen“

SPORT1: Wie groß war Ihre Erleichterung, dass Carlo Ancelotti zuletzt bei Real Madrid verlängert hat? Es bestand schließlich die Gefahr, dass Alonso zu Real wechselt

Kirsten: Wenn wir Meister werden und vielleicht sogar Pokalsieger, dann können alle gehen. (lacht laut) Nein, Spaß beiseite. Natürlich ist Alonso begehrt und könnte sicherlich auch bei anderen Topvereinen eine wichtige Rolle spielen. Wir alle würden uns wünschen, dass er und das Team noch ein oder zwei Jahre zusammenbleiben. Leider wird das wohl nicht passieren. Alle müssen realistisch sein. Wenn du Meister und Pokalsieger wirst, kommen die Geier von ganz alleine und wollen den Trainer sowie einige Spieler haben. Lassen Sie uns einfach abwarten, was nach dieser Saison passiert. Viele haben Verträge, und es könnte teuer werden für diejenigen, die interessiert sind.

SPORT1: Ein Kollege sagte zuletzt im STAHLWERK Doppelpass, dass die Leverkusener das Niveau bis zum Ende der Saison nicht werden halten können. Was denken Sie?

Kirsten: Ich muss dem Kollegen widersprechen. Ich bin überzeugt davon, dass die Mannschaft mit Xabi das Niveau bis zum Schluss wird halten können. Zwischen Bayern und Leverkusen gibt es nur noch Nuancen. Ganz entscheidend wird das direkte Duell in der BayArena sein. Das wird ein Schlüsselspiel werden. Aber ich habe wirklich keine Zweifel. Xabi holt die Meisterschale nach Leverkusen. Davon bin ich überzeugt.

„Ich hoffe, Boniface wird ein zweiter Kane“

SPORT1: Ist Boniface der Kane von Leverkusen?

Kirsten: Nein, da fehlt Boniface noch einiges. Kane ist überragend. Er holt sich oft auch hinten die Bälle und bereitet viele Tore vor. Er setzt seine Mitspieler perfekt ein, bei ihm sind acht von zehn Chancen drin. Wie Boniface ist er eine Kante und hat eine beeindruckende Quote. Kane ist besser als Lewandowski. Boniface ist noch jung und benötigt zu viele Chancen. Aktuell ist er leider verletzt. Boniface ist ein echter Tank, technisch stark und schnell. Im Vergleich zu Kane benötigt er jedoch noch die eine oder andere Chance zu viel. Daher sehe ich Kane klar vorne. Ich hoffe, Boniface wird einmal ein zweiter Kane.

SPORT1: Wie geht es am Samstag gegen RB Leipzig aus?

Kirsten: Das wird ein enges Spiel. Das Hinrunden-Duell hat gezeigt, dass zwei Mannschaften auf Augenhöhe gegeneinander angetreten sind. Kurz vor Schluss hätte RB das 3:3 erzielen können. Die Leipziger haben trotz der Abgänge von Forsberg und Werner immer noch eine starke Mannschaft mit hoher Qualität. Dennoch bin ich zuversichtlich, dass wir gewinnen werden.